Aktien: Sell in May and go away or rather stay?
24.05.2022
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Sollten Anleger der Börsenweisheit „Sell in May and go away“ jetzt noch folgen und das Börsenparkett verlassen? Anleger, die diesem Motto Anfang Mai gefolgt sind, liegen aktuell goldrichtig. Im Mai verlor der deutsche Börsenindex bisher 2,0 % (Stand Schlusskurs 12.05.2022). Ist ein Ausstieg nach dem Rückgang jetzt noch sinnvoll?
Börsenregel „Sell in May“ erfolgreich?
Die Sommermonate sind an der Börse schließlich statistisch die schlechteren Monate. Wer sich im Mai von der Börse verabschiedet und erst im Herbst wieder einsteigt, erhält häufig ein relativ besseres Risiko-Rendite-Verhältnis. Das zumindest besagt die alte und viel zitierte Börsenweisheit. „Sell in May and go away, but remember to come back in September“. Doch bringt Anlegern diese Börsenregel wirklich die erhoffte Mehrrendite?
Der Investor ist gut beraten, die Logik dieser Börsenweisheit kritisch zu hinterfragen. Objektiv betrachtet, ist die Kursentwicklung in diesem Zeitraum eher zufällig. Wer glaubt schon daran, dass sich Politiker, Krisen und Notenbank-Funktionäre, strikt nach dem Kalender richten?
Die reine Statistik zeigt, dass die alte Mai-Regel jedoch durchaus ihre Gültigkeit hat. Seit 1950 lässt sich beispielsweise für den S&P500 eine durchschnittlich schwächere Börsenphase zwischen Mai und Oktober gegenüber der Zeitspanne November bis April von etwa fünf Prozentpunkten errechnen.
Es gab Jahre, in welchen sich die „Sell in May-Regel“ absolut bewährt hat. Im Jahr 2002 beispielsweise ging es deutlich nach unten. Auslöser waren Rezessionsängste in den USA. 2011 war es der Streit über die US-Schuldenobergrenze, der die Kurse zu Beginn des Sommers brutal abstürzen ließ. Im Jahr 2014 verunsicherte erst EZB-Präsident Mario Draghi die Märkte, ehe China mit mäßigen Konjunkturdaten den Börsensommer verhagelte. Von einer beständigen negativen Kursentwicklung kann aber nicht die Rede sein. So gab es in den Jahren 2015 und 2020 beispielsweise eine sehr erfreuliche Kursentwicklung während den heißen Monaten. Im Sommer 2015 wurde die Griechenland-Krise gelöst, was dem DAX anschließend ein Plus von 20 Prozent bescherte. Im Jahr 2020 nahm die Aktienmarktrally im Mai des Jahres erst richtig Fahrt auf als die massiven staatlichen und geldpolitischen Corona-Hilfspakete ihre Wirkung ausspielten. Wer in diesen Wochen am Seitenrand stand, verpasste viel Rendite.
Und wie sieht es diesen Sommer bei Aktien aus?
In diesem Sommer müssen Anleger unbedingt auf Politiker und Notenbanker achten. Diese zwei Unsicherheitsfaktoren werden diesen Sommer maßgeblich prägen. Die Entwicklung im Russland-Ukraine-Konflikt wird die Inflation signifikant beeinflussen. Dabei stehen die Notenbanker selber mit dem Rücken an der Wand. In diesem inflationären Umfeld müssten sie laut Lehrbuch die Zinsen anheben. Sie laufen dabei jedoch Gefahr, die ohnehin schon schwächelnde Wirtschaft komplett abzuwürgen. Zusätzlich deutet die Zinsstrukturkurve auf eine Rezession hin. In normalen Zeiten müssen Kreditnehmer für längere Laufzeiten mehr Zinsen bieten, da der Gläubiger länger auf sein Geld verzichten muss. Sollte sich die Zinsstrukturkurve invertieren, dann zog dies bisher in 100(!) Prozent aller Fälle mittelfristig eine Rezession und einen Börsencrash nach sich.
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Wir dürfen gespannt sein, ob diese Börsenregel dieses Jahr wieder zieht. Es wird vor allem auf die drei genannten Faktoren ankommen. Unserer Meinung nach sollten wir uns in den nächsten Wochen und Monaten eher auf höhere Temperaturen einstellen als auf steigende Aktienkurse. Wer trotzdem investiert bleibt, sollte sein Depot jedenfalls Urlaubsfest machen. Aber es werden sich demnächst auch Chancen bieten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beim DAX liegt beispielsweise unter seinem historischen Durchschnitt. Eine deutlichere Korrektur kann zum Auf- oder Ausbau von Aktienpositionen genutzt werden. Volles Risiko ist unserer Meinung nach aktuell jedoch fehl am Platz.
Gastbeitrag von Guido vom Schemm, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung GVS Financial Solutions GmbH