1000 Experten befragt

28.04.2016

Foto: © Björn Wylezich - fotolia.com

Die Roland Berger-Restrukturierungsstudie 2016 will sagen, dass deutsche Unternehmen vor großen Herausforderungen stehen. Geopolitische Unsicherheit, möglicher BREXIT und die Flüchtlingskrise, um nur drei zu nennen. Digitalisierung und Branchenkonsolidierung erhöhen den Druck. Restrukturierungsfälle werden komplexer.

(fw/rm) Besonders betroffen sind die Energiewirtschaft, die Automobilbranche und die Konsumgüterindustrie. Was folgt ist eine Digitalisierungsstrategie, die als zwingende Voraussetzung für den Turnaround gilt. Ansteigender Restrukturierungsbedarf trifft dabei auf eine Beratungs- und Bankenlandschaft, die sich zunehmenden Herausforderungen gegenüber sieht. Die Gefahr von Boomerang-Restrukturierungen entsteht. Chinas lahmende Konjunktur, ein möglicher Austritt der Briten aus der Europäischen Union (BREXIT) und die zunehmende Verunsicherung durch die anhaltende Flüchtlingskrise könnten den Wachstumskurs deutscher Unternehmen bremsen. Nach Ansicht der für die neue "Restrukturierungsstudie 2016" von Roland Berger befragten Experten steigt darüber hinaus der Druck durch die zunehmende Digitalisierung (34 Prozent) und disruptive Innovationen sowie anhaltende  Konsolidierungstrends (25 Prozent) in vielen Branchen. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in der Restrukturierungspraxis wider: Anzahl und Komplexität der Restrukturierungsfälle werden weiter steigen, so das Ergebnis der Studie. Befragt wurden über 1.000 Restrukturierungsexperten in Deutschland. "Der Anpassungsdruck für die Unternehmen hat in den letzten zwölf Monaten enorm zugenommen", sagt Sascha Haghani, stellvertretender Deutschlandchef von Roland Berger und Leiter des Competence Center Restructuring & Corporate Finance. "Obwohl die Digitalisierung  bereits in vollem Gange ist, haben viele Unternehmen noch keine nachhaltige Strategie formuliert. Nun erschweren Instabilitäten und zusätzliche Herausforderungen wie der BREXIT oder die Flüchtlingssituation die weitere Entwicklung der Unternehmen zusätzlich." Wirtschaftliche und politische Unsicherheit erhöht Komplexität Vor diesem Hintergrund erwartet die Mehrheit (67 Prozent) der Befragten in den kommenden zwölf Monaten eine steigende Zahl von  Restrukturierungen. Über 60 Prozent glauben zudem, dass die Komplexität der Restrukturierungsfälle zunehmen wird. "Viele Unternehmen sind durch den schnellen Wandel aufgrund neuer Wettbewerber, zunehmender Digitalisierung und politischer Unsicherheiten herausgefordert", sagt Gerd Sievers, Senior-Partner von Roland Berger und Autor der Studie. "Daher müssen sie zügig handeln, sonst ist eine Krise vorprogrammiert." Digitalisierung als zwingende Voraussetzung für einen erfolgreichen Turnaround Nachhaltige Restrukturierungskonzepte sind ohne Beachtung der in allen Branchen anstehenden digitalen Transformation kaum noch denkbar. Trotz der Herausforderungen kann eine umfassende  Digitalisierungsstrategie aber auch die Chance für einen  erfolgreichen Turnaround sein. "Entscheidend ist dabei allerdings, dass in den Firmen das gesamte Geschäftsmodell auf den Prüfstand kommt", sagt Sievers. Dementsprechend messen auch 39 Prozent der Studienteilnehmer der strategischen Restrukturierung die größte Bedeutung gegenüber operativen und finanziellen Maßnahmen bei. Insbesondere in der Energiewirtschaft müssen Geschäftsmodelle grundlegend an die Herausforderungen der Energiewende sowie die  zunehmende Digitalisierung des Geschäfts mit Privat- und  Industriekunden angepasst werden, glauben 26 Prozent. Gleiches gilt  für die Automobilindustrie (22 Prozent), deren künftiger Erfolg maßgeblich  von der Umsetzung alternativer Antriebsmodelle und innovativer  Mobilitätskonzepte abhängen wird. Auch die Konsumgüterindustrie muss  handeln, denn sie kämpft weiterhin mit ständig steigenden  Kundenanforderungen und neuen digitalen Wettbewerbern, erklären 12  Prozent der Befragten. Bei der Finanzdienstleistungsindustrie sehen  die Befragten dagegen weniger Handlungsbedarf als im Vorjahr, obwohl  auch diese stark von neuen digitalen Geschäftsmodellen und  verschärften Regularien betroffen ist. Parallel zunehmende Herausforderungen im Restrukturierungsumfeld Die Beratungsunternehmen sehen sich vor dem Hintergrund eines steigenden Restrukturierungsbedarfs zunehmend mit Anfechtungs- und  Haftungsthemen konfrontiert. So gaben 27 Prozent der Befragten an, dass die juristische Spezialisierung sowie haftungsbeschränkende Vereinbarungen (22 Prozent) und der Versicherungsschutz zur Absicherung der  Beratungsunternehmen (14 Prozent) zunehmen werden. "Das zunehmende Sicherheitsdenken der Sanierungsberater darf aber der umfassenden  Anpassung von Geschäftsmodellen gerade im Kontext der Herausforderungen der Digitalisierung nicht entgegenstehen", sagt  Sievers. Zudem betreffen die neuen Trends im Restrukturierungsbereich auch die Finanzierer und Banken. So glauben 24 Prozent der Studienteilnehmer, dass der zunehmende Kostendruck in den Workout-Abteilungen der Banken zu Anpassungen führen wird. 23 Prozent erwarten etwa eine stärkere Fokussierung auf die aktive Betreuung größerer Kreditengagements. 19  Prozent erwarten eine Zunahme von Verkäufen notleidender Kredite und 14 Prozent eine verstärkte Auslagerung der Betreuung dieser Kredite an Dritte. Das könnte den bereits bestehenden Trend zu rein finanzwirtschaftlichen Restrukturierungen verstärken, während gleichzeitig die leistungswirtschaftliche und strategische Sanierung aus dem Fokus rückt. Eine problematische Entwicklung, findet Roland Berger-Experte Sascha Haghani: "Dann werden Unternehmen kurzfristig stabilisiert, Kernprobleme aber nicht beseitigt oder neue Geschäftsmodelle für die digitale Wirtschaft nicht oder zu spät entworfen. Es drohen "Boomerang-Restrukturierungen", Fälle also, die nach kurzer Zeit bereits wieder in den Fokus rücken." Studie downloaden April 2016