Die Geldpolitik könnte in 2022 etwas weniger aggressiv ausfallen

28.09.2021

Ivan Domjanic, Capital Market Strategist, M&G Investments - Foto: © M&G

Mit Blick auf das letzte Quartal 2021 stellen sich viele Anleger die Frage, was die Zukunft bringt. Wie sind die Aussichten? Welche Themen bewegen die Branche? finanzwelt im Interview mit Ivan Domjanic, Capital Market Strategist, M&G Investments.

finanzwelt: Welche Erwartungen hegen Sie für die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte in den kommenden Monaten? Ivan Domjanic: Nach einem Anstieg von rund 20% innerhalb von 8 Monaten mit kaum nennenswerten Rücksetzern sollte man m.E. jederzeit eine Korrektur einplanen. Allerdings erscheint der konjunkturelle Ausblick in den westlichen Industrienationen weiterhin gut, die Zentralbanken bleiben auf dem Gaspedal und die Regierungen werden mit ihren angekündigten Fiskalmaßnahmen in den nächsten Monaten u.a. massiv in Infrastruktur investieren. Da stellt sich die Frage, welches Ereignis überhaupt das Potenzial haben könnte, eine größere Korrektur auszulösen.

Eine galoppierende Inflation könnte ein Ereignis sein. Auch wenn die Notenbanken nicht müde werden zu betonen, dass die derzeit erhöhte Inflation auf einzelne Komponenten zurückzuführen und daher nur vorübergehend ist, baut sich im Hintergrund u.E. auf breiterer Ebene ein gewisser Inflationsdruck auf. Die Inflation könnte sich also am Ende durchaus als beständiger erweisen als derzeit von vielen erwartet.

Ein weiteres Risiko könnte evtl. von einer stärkeren Abschwächung in China ausgehen. Eine Abschwächung ist dort derzeit eindeutig erkennbar, und die Ereignisse um den Immobilienentwickler Evergrande haben gezeigt, dass bestimmte Sektoren durchaus anfällig sind. Die Zero-Covid-Strategie der chinesischen Regierung sowie das harte Eingreifen in die Geschäftsmodelle der dortigen Technologieunternehmen scheinen die Wirtschaftsakteure zusätzlich zu verunsichern. Allerdings wird China von einigen Marktteilnehmern aufgrund der rasant steigenden Verschuldung schon seit längerer Zeit als möglicher Krisenherd gesehen. Die Sorgen haben sich am Ende jedoch nie bestätigt. Ob es diesmal anders kommt, ist fraglich und hängt vermutlich davon ab, inwieweit die chinesische Regierung erneut unterstützend eingreifen wird.

Insgesamt sieht es trotz der Risiken für die nächsten Monate m.E. ganz gut aus, auch wenn man seine Erwartungen hinsichtlich der künftigen Kursentwicklung im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit wohl etwas zurücknehmen sollte. Solange die Inflation einigermaßen im Rahmen bleibt, die Situation in China sich wieder beruhigt und sich plötzlich keine neue impfstoffresistente Covid-Variante ausbreitet, stehen die Ampeln m.E. mittelfristig daher weiterhin auf grün.

finanzwelt: Glauben Sie, dass wir 2022 Signale hin zu einer vorsichtigeren geldpolitischen Ausrichtung sehen werden? Domjanic: Wenn sich die Wirtschaftsdaten jetzt nicht urplötzlich signifikant abschwächen, kann man wohl davon ausgehen, dass die US-Fed im Jahr 2022 das Anleihekaufprogramm drosseln wird. Allerdings wird sie dabei wahrscheinlich sehr behutsam vorgehen. D.h. die Geldpolitik könnte in 2022 etwas weniger aggressiv ausfallen, solange die Daten alle in die richtige Richtung zeigen. Sollten mit der Zeit jedoch erste Schwächesignale erkennbar werden, wird die US-Fed wahrscheinlich schnell wieder umschwenken zu neuen Lockerungen. Ähnliches gilt auch für die EZB. Die Hemmschwelle zu geldpolitischen Lockerungen war m.E. noch nie so niedrig wie heute. Hinsichtlich der Leitzinsen sind erste Zinserhöhungsschritte sowohl in den USA als auch in der Eurozone m.E. im nächsten Jahr weiterhin eher unwahrscheinlich, wenn auch zumindest im Falle der USA nicht auszuschließen. D.h. eine etwas vorsichtigere Ausrichtung ja, aber dennoch kann man dabei wahrlich nicht von einer restriktiven Geldpolitik sprechen.

Das Einzige, das die Notenbanken zu einer wirklich restriktiveren Geldpolitik bewegen könnte, wäre eine hartnäckigere und v.a. breitere Inflation als erwartet. Das ist durchaus ein Risiko, welches man im Auge behalten sollte. Moderat erhöhte Inflationsraten dürften die Notenbanken hingegen kaum zu restriktiveren Maßnahmen verleiten.

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