Die Geldpolitik könnte in 2022 etwas weniger aggressiv ausfallen
28.09.2021
Ivan Domjanic, Capital Market Strategist, M&G Investments - Foto: © M&G
finanzwelt: Bleibt Tech eines der großen Themen in 2022? Domjanic: Der Technologiesektor hat sich gerade während der Lockdowns als unheimlich resistent erwiesen. Einige der Unternehmen, insbesondere aus dem Softwarebereich, haben sogar von dieser Situation profitiert. Dies spiegelt sich auch in den derzeit doch sehr ausgereizten Bewertungen innerhalb des Sektors wider.
Sollte jedoch die Pandemie bald unter Kontrolle geraten und die größeren Beschränkungen aufgehoben werden – wonach es m.E. derzeit weiterhin aussieht – dürfte dieser „Stay-at-Home“-Effekt nachlassen und das reflationäre Umfeld einen neuen Schub erhalten. Dann sollten eher die zyklischeren Sektoren wieder an Auftrieb gewinnen.
Außerdem sollte man beachten, dass es innerhalb des Technologiesektors große Unterschiede gibt. Die hochprofitablen Qualitätsunternehmen innerhalb des Sektors dürften sich in einem reflationären Umfeld deutlich besser schlagen als die kleineren, heute noch unprofitablen High-Growth-Titel, die oft zu spektakulären Bewertungen gehandelt werden. Dort liegt m.E. das größte Rückschlagpotenzial.
finanzwelt: Welche Trendthemen / Megatrends werden auch 2022 Bestand haben und ggf. zu den Outperformern zählen? Domjanic: Megatrends spielen sich in der Regel über mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte ab. Daher ist es schwierig die kurz- bis mittelfristige Entwicklung dieser Themen exakt vorherzusagen.
Ein Bereich, in dem sich derzeit jedoch von der wirtschaftlichen und politischen Seite her großes Momentum aufbaut, ist das Thema „saubere Energie“. Was die Kurse anbelangt, sind nach einem rasanten Anstieg im Jahr 2020 viele Titel aus diesem Bereich Anfang dieses Jahres mächtig unter Druck geraten und haben bislang schwer enttäuscht. Für langfristig orientierte Investoren könnte gerade dies jedoch eine interessante Einstiegsgelegenheit bedeuten.
Ein weiteres Feld, welches vom Markt möglicherweise noch unterschätzt wird, ist das Thema Gesundheit. In der Medizin und Medizintechnik tut sich derzeit wahnsinnig viel. Viele Innovationen, z.B. innerhalb der Biotechnologie und Diagnostik, wurden durch die Pandemie zusätzlich beschleunigt. Außerdem ist den Regierungen bewusst geworden, wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem ist, was zu stärkeren Investitionen in diesem Bereich führen könnte. Während jedoch viele tendenziell kleinere Innovationsführer dieses Potenzial z.T. schon eingepreist zu haben scheinen, weisen einige der größeren Gesundheitskonzerne nach wie vor relativ moderate Bewertungen und teilweise sogar attraktive Dividenden auf. Gleichzeitig sind diese Konzerne an den großen Innovationen mit beteiligt. Hier könnte es also selektiv durchaus interessante Opportunitäten geben.
finanzwelt: Wird Value weiterhin relevant sein? Domjanic: Letztlich ist die Entwicklung von Value-Aktien im Vergleich zu Wachstumstiteln zu einem guten Teil eine Funktion des zyklischen Aufschwungs und der Anleiherenditen. Das kann man sehr gut anhand des laufenden Jahres erkennen. Als zu Jahresbeginn die Anleiherenditen und der Optimismus gestiegen sind, haben wir eine Outperformance von Value-Titeln gegenüber Wachstumstiteln beobachten können. Kaum kamen jedoch erste konjunkturelle Sorgen auf und waren die Anleiherenditen rückläufig, entwickelten sich Value-Titel wieder schwächer und Wachstumstitel waren wieder mehr gefragt. Das hat v.a. bewertungstechnische Gründe.
Die Frage ist aber, wie es von hier aus weiter geht. Sollte sich der Aufschwung weiter fortsetzen und die Anleiherenditen wieder beginnen zu steigen, wovon wir grundsätzlich ausgehen, erscheinen die Aussichten für Value-Aktien im Vergleich zu Wachstumstiteln durchaus positiv.
finanzwelt: Wie lautet Ihre Botschaft für dividendenorientierte Anleger? Domjanic: Wir denken, dass den Dividenden in Zukunft wieder eine bedeutendere Rolle zukommen wird als in den vergangenen Jahren. Der Grund hierfür liegt u.E. darin, dass die Anleiherenditen während der Pandemie vermutlich ihren Boden gefunden haben dürften, was wiederum den Aufwärtsdruck auf die Aktienbewertungen in Zukunft deutlich verringert. Somit könnten die Dividenden in Zukunft wieder einen größeren Anteil an der Gesamtrendite ausmachen.
Allerdings sollte man in einem reflationären Umfeld nicht nur auf die Dividendenhöhe, sondern v.a. auf das Dividendenwachstum achten. Denn Titel mit hohen, aber mehr oder weniger gleich bleibenden Dividenden – sogenannte Bond-Proxies – könnten bei Inflation und steigenden Anleiherenditen unter Druck geraten. Unternehmen mit solidem Dividendenwachstum hingegen können dem etwas entgegensetzen. (ah)