BREXIT: Zum ersten, zum zweiten, zum …

11.03.2019

Dr. Marc-Oliver Lux, Geschäftsführer Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München / Foto: © Dr. Lux & Präuner

Hinter den Kulissen wird zwar weiter verhandelt und diskutiert, aber der Karren rutscht immer näher an den Abgrund. Nach der Entscheidung des britischen Parlaments gegen den von Theresa May vorgelegten BREXIT-Deal wird das Szenario eines ungeordneten Ausstiegs der Insel immer wahrscheinlicher. Die Positionen aller Parteien scheinen festgefahren. Diesseits des Ärmelkanals will die EU das mühsam erarbeitete Ausstiegspaket nicht mehr aufschnüren. Jenseits des Kanals wabern die Wünsche zwischen einem Alles-oder-Nichts-Szenario, einer Verschiebung des Ausstiegs und einem neuen Referendum hin und her.

Von den 650 Parlamentsmitgliedern haben rund 100 Konservative gegen den vorliegenden Deal gestimmt, weil sie eine komplette Unabhängigkeit von der EU wollen. Dieser Minderheit geht May´s Brexit-Vertrag nicht weit genug, sie erachtet ein No-Deal-Szenario als bessere Option. Dem gegenüber haben 200 konservative Abgeordnete die Premierministerin unterstützt und unter den restlichen über 300 Mitgliedern anderer Parteien haben die meisten nur deshalb gegen den Deal gestimmt, weil der Brexit ihnen zu hart ist. Sie wollen wiederum engere Bande zur EU. Asterix und Obelix hätten gesagt: Die spinnen, die Briten!

Großbritannien ist am Zug und muss sich endlich entscheiden, was es will. Stattdessen hat man den Eindruck, dass sich die britischen Politiker schlafwandlerisch auf den Abgrund zubewegen – und das aus sehr durchsichtigen wahltaktischen Motiven. Unverständlich bleibt, dass es immer noch Brexiteers gibt, die behaupten, dass ein Alleingang und die Loslösung aus dem ökonomischen Verbund der EU wirtschaftliche Vorteile für das Vereinigte Königreich hätte, obwohl im Rest der Welt eher genau der gegenteilige Trend hinein in Netzwerke und Bündnissysteme stattfindet. Vielleicht schielen die Briten da einfach zu sehr auf die USA und Trump´s egozentrische Wirtschaftspolitik, aber die Amerikaner spielen nun mal in einer anderen Liga.

Das Pokern bis zur letzten Minute mag zwar in der Politik ein gängiges Mittel sein um seine Positionen durchzusetzen, für die Wirtschaft ist es ein Desaster. Die Vorbereitungen, die bisher für einen harten Ausstieg getroffen wurden, sind weit entfernt von fertig und vielfach unausgegoren. Wie schlimm es tatsächlich um Details der Zollabfertigung und der Logistikwege zwischen Insel und Kontinent steht, wird wohl erst der Praxistest zeigen. Die Auswirkungen, vor allem durch Zollschranken, werden auf alle Fälle auch spürbar sein, für Großbritannien sicherlich viel stärker als für die EU.

Die Finanzmärkte haben ebenfalls eine abwartende Haltung eingenommen. Das britische Pfund hielt sich in der ganzen Phase der BREXIT-Verhandlungen mit der EU stabil. Auch an den Aktienmärkten sind noch keine großen Verwerfungen erkennbar. Dies liegt aber unter anderem daran, dass viele international aufgestellte Unternehmen aus strategischen Gründen ihre Europa-Zentrale in Großbritannien haben.

Der britische Binnenmarkt ist für diese Unternehmen von untergeordneter Bedeutung. Auf die Binnenwirtschaft wird aber sehr wohl durchschlagen, wenn Unternehmen aufgrund von Zollbarrieren Produktionsstandorte schließen und Arbeitskräfte auf der Insel entlassen – so wie beispielsweise von dem japanischen Automobilbauer Honda angekündigt. Ein Brain-Drain findet auch im Finanzsektor statt. Auch wenn der Standort London nicht von jetzt auf gleich seine Bedeutung als Finanzmetropole verlieren wird, die britischen Banken sind gezwungen, zusätzliche Kapazitäten auf den Kontinent zu verlagern und stärken damit die Finanzplätze Paris und Frankfurt.

Fazit ist, die Absetzbewegungen von der Insel sind im vollen Gange. Momentan spitzt sich alles auf den Ausstiegstag 29. März zu. Spannung bis zum Letzten – so hat sich das sicher niemand vorgestellt. Vielleicht erfährt Theresa May aber noch eine göttliche Eingebung und bläst den ganzen BREXIT ab – zu verlieren hätte sie ja nichts mehr…

Kolumne von Dr. Marc-Oliver Lux, Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München