Zerbricht der Euro am Italien-Referendum?
02.12.2016
Carsten Mumm / Foto: © Donner & Reuschel
Welches Ergebnis wird erwartet? Die Umfragen bis Mitte November deuten einen Vorsprung der Gegner des Referendums an. Trotzdem ist der Ausgang kaum vorhersehbar - gerade nach den jüngsten Erfahrungen beim Brexit-Votum und der US-Wahl. Selbst unter Berücksichtigung der allgemein vorhandenen Stimmungslage gegen bestehende politische Establishments ist im Falle Italiens keine eindeutig zu favorisierende Seite auszumachen. Ein "ja" zur Verfassungsreform würde einen Wandel des bestehenden politischen Systems, andererseits aber auch eine Verlagerung der politischen Macht weg von den Regionen hin zur Zentrale in Rom bedeuten. Vielleicht befinden die Italiener am Sonntag aber auch in erster Linie über das politische Überleben Renzis, der - anders als in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen - in Italien nicht den Status eines jungdynamischen und beliebten Reformers genießt.
Was würde das Ergebnis politisch bedeuten? Ein "ja" würde den Reformwillen Italiens deutlich unterstreichen. Renzi würde gestärkt aus dem Referendum hervorgehen und könnte weitere dringend notwendige Reformvorhaben leichter umsetzen. Demgegenüber wird ein "nein" mit einem fehlendem Reformwillen verbunden. Ein längerer Zeitraum politischer Lähmung in Italien wäre die wahrscheinliche Folge und zwar solange bis klar ist, wie es politisch weitergeht (Bleibt Renzi? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, kommt es zu schnellen Neuwahlen oder zu einer Technokratenregierung? …?). In dieser Zeit würden auf jedem Fall keine Reformen durchsetzbar sein. Die eurokritischen Kräfte bekämen deutlichen Auftrieb.
Was bedeutet es für die Börsen? Im Moment ist die Konsensmeinung, dass eine Ablehnung der Verfassungsreform zu Turbulenzen an den Kapitalmärkten mit fallenden Aktienkursen, einem abwertenden Euro und steigenden italienischen Zinsen führen wird. Dieses Szenario wurde von den Börsen in den letzten Tagen teils schon vorweg genommen. Auch wenn damit bereits ein Teil der potenziellen Verluste in den Kursen eingepreist ist, wären weitere Abgaben am Montag wahrscheinlich. Grundsätzlich ist es jedoch positiv, dass der Markt skeptisch ist und vorsichtig agiert, weil dadurch das negative Überraschungspotenzial deutlich geringer ausfällt. Fraglich ist allerdings, wie weit es abwärts gehen kann und wann eine mögliche positive Gegenbewegung einsetzen wird. Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend von den Reaktionen der italienischen und europäischen Politik ab. Ein vorübergehendes Verbleiben Renzis im Amt würde vermutlich zu einer Beruhigung der Situation beitragen. Sollte es hingegen zu heftigen Turbulenzen kommen, ist damit zu rechnen, dass die EZB sich schon vor ihrem regulären Sitzungstermin am 8. Dezember zu Wort melden wird. Sie könnte die Märkte z.B. durch einen verstärkten Fokus auf den Kauf italienischer Staatsanleihen stützen. Entsprechende Andeutungen wurden von Seiten der EZB bereits Ende November kundgetan.
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