Wir bauen Zukunft
03.12.2020
Oliver Schoeller, Vorstandsvorsitzender der Gothaer / Foto: © Gothaer
finanzwelt: Die Gothaer feiert gerade großes Jubiläum. Ist es eine große Verantwortung in so einem lange schon bestehenden Unternehmen die Weichen, auch gerade jetzt, in Richtung Zukunft zu stellen? Schoeller: Wenn man in die 200-jährige Geschichte der Gothaer schaut, dann sieht man, dass das Unternehmen schon ganz andere Krisen bewältigt hat. Bedenken Sie nur, dass wir zwei Weltkriege, mehrere Währungsumstellungen und Sozialreformen überstanden haben. Die unternehmerische Leistung in der Geschichte der Gothaer ist schon beeindruckend. In diesem Kontext erscheint die Corona-Krise beherrschbar. Es geht jetzt insbesondere darum, dass wir uns um unsere Kunden kümmern, die noch inmitten der Herausforderungen rund um Corona um ihre ökonomische Zukunft kämpfen. Aber natürlich richten wir uns mit den nunmehr entstehenden Normalisierungsperspektiven auf die Frage, wie wir die Zukunft gestalten und die entstehenden Chancen nutzen wollen. Corona wirkt sehr stark als Accelerator von Entwicklungen, die wir eigentlich schon vor Corona gesehen haben. Die Versicherungsindustrie steht in ihrer großen Transformation noch am Anfang.
finanzwelt: Was sind denn die Herausforderungen der Gothaer für die nächsten 5-10 Jahre? Schoeller: Der gesellschaftliche Kontext treibt das Thema Digitalisierung ungeheuer an und wird unsere Industrie maßgeblich verändern. Die Veränderungen finden dabei in ganz vielfältigen Dimensionen unserer Gesellschaft statt. Und wir sind eine Art Schmelzpunkt dieser Veränderungen, weil die Risiken, die sich aus solchen Veränderungen ergeben, durch die Versicherungsindustrie gedeckt werden. Für uns stellt sich die Frage, wie sich die Welt verändert und wie sich dadurch Risikostrukturen verändern. Dass wir unser eigenes Geschäftsmodell digitalisieren müssen, ist eine zusätzliche Aufgabe.
Für die Gothaer im Speziellen haben wir in den letzten Jahren ungeheuer viel getan, um das Unternehmen in seiner Resilienz, also in seiner Widerstandskraft, aber auch in seiner Agilität zu stärken. Auf dieser Basis wollen wir den Konzern in den kommenden Jahren deutlich stärker auf Wachstum ausrichten. Was die Entwicklung unseres Geschäftsmodells betrifft, so glauben wir, dass wir als Versicherer in fünf Jahren mittelfristig mehr können müssen, als nur die reine Risikoabdeckung. Es dreht sich vielmehr um die Fragen, wie wir unseren Kunden helfen können, ihre Risiken besser zu verstehen, Risiken zu vermeiden und bei Risikoeintritt die Folgen effektiv zu bewältigen.
finanzwelt: Der Zeitpunkt ist denkbar spannend. Wird doch Corona auch starke Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft haben. Womit rechnen Sie bei der Gothaer? Schoeller: Ich glaube, dass wir zunächst mal mit Blick auf die Schadensituation die Krise gut bewältigt bekommen. Wir haben als Gothaer einen großen Schwerpunkt im Industriegeschäft. In dem Kontext spüren natürlich vor allem bei der Betriebsschließungs-, aber viel mehr noch bei er Veranstaltungsausfallversicherung die Effekte von Corona. In der ökonomischen Wirkung werden wir die größeren Effekte erst 2021 sehen. Das hat damit zu tun, dass die Verträge für einen Großteil unserer Risiken umsatzabhängig sind und wir zudem die Auswirkungen der Aussetzung des Insolvenzrechts noch nicht abschätzen können. Aber wir werden das bilanziell gut verkraften und unserer Verantwortung gegenüber unseren Kunden nachkommen, ihnen in solchen Zeiten zur Seite zu stehen. Einen größeren Umsatzeffekt im Neugeschäft nehmen wir in der Lebensversicherung speziell im Bereich Altersvorsorge wahr. In Krisenzeiten sind die Menschen zurückhaltend, wenn es um langfristige finanzielle Verpflichtungen geht. In der Krankenversicherung kommen wir gut durch die Krise. Hier gehören wir gegenwärtig im Segment der Zusatzversicherung und in der betrieblichen Krankenversicherung zu den wachstumsstärksten Unternehmen im Markt.
finanzwelt: Das ist die finanzielle Seite der Corona-Krise. Aber wie verändert sich die Versicherungsindustrie selber? Schoeller: Wir sind beeindruckt, wie gut sich die Gothaer und andere auch Versicherer sich auf die Krise eingestellt haben und wie schnell wir alle in der Lage waren, die Infrastruktur, aber auch die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter auf eine andere Organisationsform umzustellen. Im Kern sind wir zu 90 Prozent remote arbeitsfähig. Es macht mich sehr stolz, wie flexibel unsere Mitarbeiter den Weg mitgegangen sind, wie schnell wir die technischen Voraussetzungen schaffen konnten und wie konstruktiv auch die Gremien, die Betriebsräte und die weiteren Gremien, mitgeholfen haben, das Unternehmen in einer solchen Geschwindigkeit umzustellen. Alle haben da an einem Strang gezogen.
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