Wildwuchs am Trainermarkt!

09.06.2020

Hans D. Schittly und Dr. oec. h.c. Horst Steppi

finanzwelt: Reicht denn Erfahrung alleine schon aus, um sich Trainer nennen zu dürfen? Schittly: Die Berufsbezeichnung ‚Trainer‘ ist nicht geschützt. Um ein guter Trainer zu sein, bedarf es einer psychologischen, pädagogischen, didaktischen und rhetorischen Ausbildung. Ein guter Trainer und Coach gestaltet die Lernprozesse. Neues Verhalten kann nicht verordnet werden, es muss entwickelt werden. Im Grunde genommen kann jeder verkaufen, überzeugen, eigene Vorstellungen durchsetzen. Wenn sie es jedoch nicht tun, dann hindern sie negative Glaubenssätze daran, ihre Potenziale zu nutzen. Diese Hinderungsgründe sind Ängste, Unsicherheiten, Gedanken an Misserfolge, unliebsame Erfahrungen in der Vergangenheit. Die vorhandenen Fähigkeiten wurden ‚eingewickelt‘, so dass sie nicht zur Entfaltung kommen können. Im Coaching- oder Trainingsprozess müssen – step by step – diese ‚Wickel‘ beseitigt werden, damit der Auszubildende Zugang findet zu seinen Fähigkeiten. Dr. Steppi: Wie Herr Schittly schon sagte, die Bezeichnung Trainer ist nicht geschützt und jeder darf sich Trainer oder Coach nennen und Erfahrung alleine reicht sicher nicht aus. Wie bei allen anderen Dingen im Leben, die zum Erfolg führen sollen, spielen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine große Rolle. Meine ganze Erfahrung hilft mir nichts, wenn ich nicht reden kann. Ich spiele gerne Golf, aber mir in einem Seminar zu erzählen, ich könnte im nächsten Jahr bei den Masters mitspielen, nur weil ich an mich glaube oder mein Unterbewusstsein darauf programmiert habe, wäre barer Unsinn. Ohne Empathie kann ich kein guter Trainer oder Coach werden. Es gibt leider zu viele psychopathische Narzissten in dieser Branche, denen die Menschen im Prinzip egal sind, Hauptsache der Rubel rollt und die Publicity stimmt.

finanzwelt: Warum wollen denn so viele junge Verkäufer Trainer oder Coach werden? Schittly: In der Aussage ‚Als Trainer oder Coach muss ich nicht mehr verkaufen!‘ ist die Antwort auf Ihre Frage. Die Anzahl der Vermittler und Verkäufer ist rückläufig, dabei nimmt die Beratungsqualität zu. In unserer Branche ist es umgekehrt, die Anzahl der Coach und Trainer steigt und damit sinkt die Qualität. ‚Ich kann gut reden, ich möchte auf der Bühne stehen, ich kann Menschen begeistern…‘, sagen viele junge Leute, wenn sie sich bei mir bewerben. Dr. Steppi: im Prinzip ist diese Frage leicht zu beantworten. Sie stellen es sich ganz einfach vor. Einfach auf die Bühne, bisschen was erzählen, viel Geld verdienen. Dreimonatiger Online-Kurs, schon ist man zertifizierter Mental- oder systemischer Coach. Klingt gut, ist aber in vielen Fällen einfach alter Wein in neuen Schläuchen. Das Netz ist voll von Selbstdarstellern, die zertifiziert alles können. Die Gabe, gut reden zu können, Menschen mitzureißen und zu begeistern ist toll, aber eben nur ein Mosaiksteinchen. Allein die Gabe reicht nicht, man muss das Ganze auch mit Wissen und Erfahrung unterlegen, nur dann wird ein Schuh daraus.

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