Weltwirtschaft hängt am Notenbank-Tropf
13.08.2015
Die globale Konjunktur schwächelt wieder. Nicht nur China und andere Schwellenländer bereiten Sorge, auch die US-Wirtschaft lahmt. Nur Europa ist ein kleiner Lichtblick.
Die Erholung an den Kapitalmärkten ist wieder ins Stocken geraten. Lohnt sich eine vorsichtigere Positionierung für den traditionell schwierigen Herbst? In der Tat mehren sich von der Konjunkturseite die Warnsignale. Vor allem die Wachstumslokomotive China schwächelt. Besorgniserregend ist weniger die scharfe Aktienmarktkorrektur als vielmehr die anhaltende Schwäche in der Industrie. Mit 47,8 hat der Markit-Einkaufsmanagerindex im Juli ein neues Zweijahrestief erreicht.
Die geringe Dynamik in China und die Einigung im Atomstreit mit dem Iran haben die Rohstoffpreise erneut unter Druck gesetzt. Eine schnelle Trendwende ist nicht in Sicht. Für Länder wie Brasilien und Russland wird der Weg aus der tiefen Rezession noch schwerer. Mit Ausnahme Indiens drohen daher zahlreichen Emerging Markets weitere schmerzhafte Wachstumsrevisionen.
Sinkende Konjunkturprognosen
Auch in den USA legte die Wirtschaft gerade einmal um 1,5 Prozent im ersten Halbjahr zu. Ein fester Dollar und eine schwächere Weltwirtschaft haben die Stimmung der Industrie im Juli weiter eingetrübt. Euroland befindet sich hingegen trotz der Probleme in Griechenland auf dem erwarteten Erholungspfad. Eine expansive Europäische Zentralbank und der schwache Euro lassen für 2015 ein Wachstum von 1,5 Prozent nach wie vor realistisch erscheinen.
Trotz dieses konjunkturellen Lichtblicks dürften zahlreiche Prognosen für die Weltwirtschaft erneut zu hoch sein. Die Rücknahme der Schätzung von 3,5 auf 3,3 Prozent durch den Internationalen Währungsfonds wird nicht die letzte sein. Bereits mit dieser Erwartung könnte die Weltwirtschaft 2015 nur den geringsten Zuwachs seit dem Rezessionsjahr 2009 erreichen. Für 2016 deutet sich allenfalls eine leichte Beschleunigung an. Die schwache konjunkturelle Lage lässt keinen Zweifel daran, dass die Weltwirtschaft auf den Tropf der expansiven Geldpolitik angewiesen ist. Ein Ende der Niedrigzinspolitik ist daher weder in Euroland noch in Japan noch in den anderen asiatischen Volkswirtschaften in Sicht. Auch in den USA gibt es nur wenige Gründe für eine Zinsanhebung.
Die Löhne stiegen trotz niedriger Arbeitslosigkeit zuletzt nur um rund zwei Prozent. Die Notenbank Fed hat jedoch deutlich gemacht, dass der Ausstieg aus der Nullzinspolitik noch 2015 gelingen soll. Auch wenn eine Normalisierung der Zinsstruktur wünschenswert wäre, birgt ein solcher Schritt Risiken. Neben den Schwellenländermärkten könnte der US-Aktienmarkt verschnupft reagieren. Schließlich lassen die ambitionierte Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18) und allenfalls stagnierende Gewinne kaum Raum für negative Überraschungen.
Vorsichtigere Aktienpositionierung
Mit dem Näherrücken des US-Zinsentscheids scheint daher eine etwas vorsichtigere Positionierung angezeigt. Das verbesserte Kursniveau sollte zu einem Abbau auf eine neutrale Aktienpositionierung genutzt werden. An unseren Favoritenmärkten Europa, Japan und Asien halten wir aber weiter fest. Hier stimmen die Rahmendaten aus expansiver Geldpolitik, steigenden Unternehmensgewinnen und noch moderater Bewertung. Eine mögliche Korrektur an der Wall Street dürfte aber auch an ihnen nicht spurlos vorbeigehen.
Autor: Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management (Deutschland)