Was kommt nach dem Krieg in der Ukraine: Wie geht es an den Kapitalmärkten weiter?
22.03.2022
Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP Asset management GmbH / Foto: © GSP
Der Krieg in der Ukraine löst unfassbares Leid bei den betroffenen Menschen und ihren Familien aus. Neben der humanitären Katastrophe haben die Ereignisse auch Schockwellen an den Kapitalmärkten ausgelöst. Je schneller der Krieg vorbei ist, umso besser. Womit ist in den kommenden Monaten an den Kapitalmärkten zu rechnen?
Das Gespenst einer Rezession gepaart mit einer hohen Inflation scheint nicht mehr nur ein Denkmodell oder ein Rückblick in die Zeit der Ölkrise in den 70er Jahren, sondern in diesem Jahr Realität zu werden.
Stagflation und die Notenbanken
Bereits vor dem Ausbruch des Krieges schnellten die Inflationszahlen empor. Argumentativ äußerten sich die Notenbank stets mit dem Hinblick auf den „coronabedingten Einmaleffekt“ beruhigend. Die Kapitalmärkte sollten nicht verschreckt, sondern behutsam auf leicht steigende Zinsen vorbereitet werden. Nun klettern die Preise durch die Auswirkungen des Krieges scheinbar unaufhörlich weiter und an einen „Einmaleffekt“ glaubt nun niemand mehr. Auch im Falle eines Endes der Kriegshandlungen wird das Pendel nicht kurzfristig in die andere Richtung schwenken. Die Inflation ist gekommen um zu bleiben.
Die Notenbanken stecken in der Klemme. Einerseits müssen sie die Teuerung mit steigenden Zinsen und anderen Maßnahmen irgendwie in den Griff bekommen und regulierend einwirken. Andererseits dürfen sie die schwächelnde Wirtschaft nicht mit zu starken Eingriffen tief in Richtung Rezession drücken. Dieser Drahtseilakt wird in diesem Jahr bestimmend für die Kapitalmärkte sein. Ein stetes Wechselbad zwischen Hoffnung und Zuversicht auf der einen Seite und Angst und Panik auf der anderen Seite ist zu erwarten.
Lieferketten
Die Covid-Pandemie ist noch nicht vorbei und China ist aktuell mit stark steigenden Infektionszahlen massiv betroffen. Neben den ohnehin noch durch die Pandemie gestörten Lieferketten bedeutet dies bei einer Verschärfung der „no covid-Strategie“ in China durch eine mögliche Abriegelung weiterer Millionenstädte und einem Anhalten der Kriegshandlungen in der Ukraine eine signifikante Störung der Lieferketten. Vielerorts musste beispielsweise bereits die Produktion von Fahrzeugen gestoppt und Werke temporär stillgelegt werden. Eine Besserung ist aktuell nicht in Sicht, eher noch eine Verschärfung des Problems.
Neuordnung der Welt
Nach dem Ende der Kriegshandlungen werden sich alle Akteure die Frage stellen müssen, wie man in Zukunft politisch und wirtschaftlich miteinander umgehen wird. So wie es war, so wird es nicht wieder werden. Es wird Gewinner und Verlieren geben. Der Trend der letzten beiden Jahrzehnte hin zur Globalisierung hat einen gehörigen Dämpfer bekommen. Neue Allianzen können neue Chancen bieten. Der pazifische Raum wird unter der Führung Chinas eine Hauptrolle zukommen. Wir in Europa und die USA müssen uns entscheiden, wie wir agieren möchten. Profitieren sollten nach wie vor marktführende Technologieunternehmen und etablierte Gesundheitsunternehmen. Auch die gebeutelten Branchen wie zum Beispiel die Automobilindustrie werden auf einen geordneten Pfad zurückkehren.
Investitionen in erneuerbare und alternative Energiequellen – eine sichere Angelegenheit?
Der Umbau der Energieversorgung bekommt durch den Krieg ein erhöhtes Augenmerk und die Neuordnung der Energieinfrastruktur wird in den kommenden Jahren massiv vorangetrieben. Doch Vorsicht: keine blinde Euphorie! Selbst mehrere einhundert neue Windräder allein könnten unseren Energiebedarf nicht decken. So lange wir noch keine geeigneten Stromspeicher und effektiven Stromleitungen haben ist in diesem Segment weder für unsere Gesellschaft die Versorgung sichergestellt noch für den Aktionär erfolgreiches Wirtschaften möglich.
In den kommenden Monaten und auch nach dem Ende des Krieges sollten die Aktienmärkte stark schwanken. In 2022 ist die Börse nichts für schwache Nerven und aktives Management der Vermögensanlagen extrem wichtig. Es bieten sich immer wieder neue Chancen.
Wohldosierter Mut an der Börse ist gut, Tollkühnheit gilt es zu vermeiden.
Alle dies ist aber im Hinblick auf die Situation der Menschen im Kriegsgebiet und Ihrer Familien zweitrangig. Wir drücken allen Beteiligten die Daumen, dass der Alptraum schnell vorbeigeht und die Vernunft und die Menschlichkeit siegen werden.
Also: Butter bei die Fische!
Kolumne von Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP asset management GmbH in Münster