Spezialisten schlagen Generalisten
29.07.2014
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Ob Immobilienportfolien, Denkmalschutzimmobilien, Entwicklung ganzer urbaner Areale – es gibt Immobilienspezialisten, die im deutschen Immobilienmarkt dem Vermittler und Anleger mit sachlicher und lokaler Kompetenz attraktive Immobilienprodukte anbieten können. finanzwelt befragt Experten zur Rolle des Vermittlers und den Vorteilen der Spezialisierung.
finanzwelt im Gespräch mit den Experten:
Manfred Koch, Vorstand [id] Immobilien in Deutschland AG
Michael Ries, Vorstand pantera AG
Charles Smethurst, Geschäftsführer Dolphin Capital GmbH
Jörg Walter, Geschäftsführer IVM GmbH
finanzwelt**: Ist die Realimmobilie für den Vermittler eine Möglichkeit, aus dem Korsett des § 34f zu „flüchten", indem er sich auf deren Vermittlung spezialisiert?
Walter: Der Vermittler nach § 34c ist von den Regularien noch am wenigsten betroffen – noch. Für den Finanzdienstleister aus der Allfinanz stellt sich aber gerade jetzt bei intelligenten Anlagekonzepten um die Immobilie die Frage: Was darf ich noch? Auf dieser Schwelle bleiben viele stehen.
Ries: Auch wir sehen das Problem der Qualifikation gerade bei den Vermittlern, die aus dem Allfinanzbereich zur Immobilie stoßen möchten. Viele von ihnen finden Immobilie interessant, haben aber wenig Verständnis dafür, dass der Vertriebsweg ein anderer ist als im Versicherungs- oder Beteiligungsbereich. Wir konzentrieren uns auf Qualität und sehen uns gezwungen, rigoros auszusieben – nur rund 5 % der Vermittler aus der Anlagewelt erfüllen unsere Anforderungen derzeit.
finanzwelt: Nur 5 %? Wie lässt sich die Zahl verdoppeln?
Smethurst: Das Entscheidende für den Vertrieb ist, dass er sich spezialisiert und das, was er tut, auch beherrscht. Die Anlageprodukt-Welt hat mit der Realimmobilien-Welt nicht viel gemein. Ein Umstieg in die Immobilienwelt fordert dem Vermittler aus dem Anlagebereich Umstellungen ab. Wer die Realimmobilie verkauft, muss den gesamten Prozess begleiten, anders als im Anlagebereich, wo für viele Finanzdienstleister ihr Engagement mit dem Einreichen des Zeichnungsscheins endet. Es sind zwei sehr verschiedene Herangehensweisen. Der Vermittler, der neu in die Realimmobilien-Welt eintreten will, muss sich umstellen, qualifizieren, spezialisieren.
finanzwelt: Wie kann man dem Vermittler helfen, um sich für die Immobilienwelt zu qualifizieren?
Walter: Es geht nur mit Ausbildung, mit Fortbildung. Der Vermittler muss sich in diese Richtung qualifizieren wollen. Als Vertriebsleitung ist es unsere Pflicht, für kompetente Unterstützung bei der Qualifizierung zu sorgen, was wir gerne und strukturiert anbieten, der Antrieb dahin muss jedoch vom Vermittler selber ausgehen.
finanzwelt: Derzeit sorgt die Politik durch die Mietpreisbremse für Unruhe gerade bei der Anlageimmobile. Sind diese Effekte real?
Koch: Die Einführung der Mietpreisbremse hat faktisch nicht funktioniert. Die politische Intention wird von ungewollten Effekten völlig konterkariert. Beispielsweise waren in Berlin Bezirke wie Reinickendorf und Spandau bislang entspannt, aber nach Einführung der Mietpreisbremse plötzlich im Fokus der professionellen Investoren, weil sie dort mit den Kappungsgrenzen noch keine Probleme haben. Da können diese Investoren jetzt noch richtig zuschlagen. Diese Folgen hat die Politik sicher nicht gewollt, muss aber jetzt mit ihnen fertig werden.
Walter: Die Mietpreisbreme ist nicht in allen Regionen wirksam, sondern nur in denen, die auch bei dieser Maßnahme mitmachen. In der Praxis sehen wir, dass das Geschäft sich folglich verlagert und das Resultat ist, dass die Preise tendenziell dort, wo es keine Mietpreisbremsen gibt, explodieren werden. Dort, wo die Mietpreisbremse in Kraft ist, werden sich Preissteigerungen aus unserer Sicht erst zeitlich verschieben und später rasch aufholen.
finanzwelt: Realimmobilien sind bekanntermaßen für den Vertrieb interessant, aber auch haftungsrelevant. Wie erkennt ein Vermittler eine „Schrottimmobilie"?
Smethurst: Auf den ersten Blick möglicherweise nicht sofort, aber wenn der Vermittler gut ausgebildet ist und sich im Realimmobiliengeschäft auskennt, dann sollte er in Bezug auf Lage und Bauqualität schnell erkennen können, ob der Preis deutlich überzogen ist. Das sollte übrigens eine Minimalvoraussetzung für jeden Immobilienprofi sein.
Koch: Die Realimmobilien sind nichts für Vermittler, die darauf aus sind, sehr schnell sehr viel Geld zu verdienen. Daher sollte jeder seriöse Vermittler sich selbst davon überzeugen, ob die Qualität der Immobilie im Verhältnis zur Vertriebsprovision steht.
Walter: Solche Auswüchse sind aber nur teilweise ein Verschulden der Vermittlerschaft, es liegt zum Großteil an unseriösen Bauträgern und Vertriebsorganisationen, die Vermittlern schlicht Schrott zur gutgläubigen Vermittlung geben. Ein belastbarer Ehrenkodex für die Branche lässt sich leider nicht schaffen, daher ist für den Vermittler die Auswahl seiner Partner entscheidend. Ich erinnere nochmals an die Notwendigkeit einer Grundausbildung für Vermittler im Immobilienbereich – nur so kann der Vermittler seine Partner informiert auswählen.
Ries: Ein gestandener mittelständischer Bauträger, der dauerhaft Immobiliengeschäft betreiben will, kann sich ein solches Angebotsverhalten nicht leisten. Ein seriöser Bauträger wird sich in Anlehnung an die gesetzlichen Regularien aufstellen. Wir erkennen dies im Vertrieb daran, wenn er analog zu IDWS4 prospektiert, also den Vermittler nicht nur mit ein paar fliegenden Blättern hausieren gehen lässt. Ferner an der Dokumentation und dem Bestehen auf deren Einhaltung, nicht nur auf den Notartermin. So wird der Vertrieb gezwungen, qualifiziert zu beraten – auf diese Weise wird Haftung weitgehend ausgeschlossen.
finanzwelt: Wie kann ein aus der Allfinanz kommender Vermittler eine ausreichende Qualifikation für einen erfolgreichen Start in der Immobilienwelt erlangen?
Ries: Grundsätzlich muss sich dieser Vermittler erst einmal einer Grundschulung unterziehen, in unserem Falle an unseren jeweils passenden Workshops und Ausbildungsgängen teilnehmen. Wir verfolgen hier einen Akademiegedanken, an dessen Ende der qualifizierte und dadurch erfolgreiche Vermittler steht. Qualität schlägt auch hier Quantität, daher wollen wir auch wissen, mit wem wir arbeiten, es zählt für uns die persönliche Historie und das bisherige Verhalten im Vertrieb. Denn: Was unsere Vermittler draußen erzählen, wird uns voll angerechnet. Sie erkennen: Wir wollen nicht, wir können gar nicht, mit jedem zusammenarbeiten.
finanzwelt: Gibt es aus Ihrer Sicht eher zu wenige gute Immobilien für Vermittler oder zu wenig gute Vermittler für Immobilien?
Smethurst: Im Bereich der Realimmobilie lebt der Markt stets in einer Mangelsituation. Die Herausforderung für uns ist es, gute Projekte zu finden. Bundesweit gesehen haben wir keine Wohnungsnot, sondern eine Konzentration auf gewisse Standorte bzw. sogar Mikrostandorte. In diesen Gebieten ein gutes Projekt zu finden, ist zunehmend schwierig.
Ries: Viele haben sich letzthin auf die Wohnimmobilie gestürzt. Die Nachfrage ist groß und die Kriterien sind immer gleich: möglichst zentral, möglichst gut gelegen. Das Problem ist, dass auch solche Akteure, die keine Ahnung vom Immobilienmarkt haben, sich daraufhin in die Projektentwicklung stürzen. So entstehen Projekte am Markt vorbei. Dies führt zu Verwerfungen, auch im Vertrieb.
Walter: Das ist eine Momentaufnahme, die zeigt, wo wir in zwei bis drei Jahren stehen werden. Die Handwerkerpreise explodieren, Standorte werden teurer, d. h. die Preise werden weiter steigen. Wer heute einkaufen kann, wird weiterhin gut dastehen. Wir selber können entspannt in die Zukunft blicken, denn wir haben derzeit über 60 Objekte im Bestand. Für einen Newcomer wird so etwas nicht von heute auf morgen möglich sein.
Smethurst: Das kann ich nur unterstreichen. Wenn man nicht schon vor fünf Jahren auf die sich abzeichnende Situation reagiert hat, ist das Umfeld schwierig. Man begibt sich dann in Konkurrenz mit denen, die teilweise schon Jahrzehnte am Markt sind. Auch wir haben uns schon vor Jahren mit Objekten „eingedeckt", über unsere Netzwerke erhalten wir darüber hinaus weitere Angebote, die unseren Anforderungen entsprechen. Wenn Sie aber diese Strukturen nicht schon vor Jahren geschaffen haben, dann werden Sie es schwer haben, dem Markt und dem Vermittler reelle Objekte anbieten zu können.
finanzwelt: Haben Sie sich lokal oder sachlich spezialisiert?
Smethurst: Sowohl als auch. Wir sind überregional tätig und haben ein etabliertes Netzwerk, mit dem wir seit rund 20 Jahren zusammenarbeiten. Die Anforderungen an die Due Diligence haben wir dabei andauernd gesteigert. Aus unserer Sicht ist es die Verantwortung des Entwicklers, auch externe Expertise zur Werthaltigkeit der einzelnen Immobilie vor Ort beizubringen, dies geht nur lokal. Will der Vermittler dann z. B. wissen, wie die Mieterwartungen sind, welche Qualität die Lage hat, so kann er das auf diese Weise relativ einfach herauszufinden.
Koch: Wir bauen lokale Kompetenz auf und kaufen chancenorientiert aus Sondersituationen. Wir gehen aber niemals in Hotspots. Beispielsweise ist für uns Berlin nicht nur Mitte, nicht Charlottenburg, nicht Prenzlauer Berg. Es gibt genügend tolle Ecken z. B. in Steglitz und anderswo. Wir haben unsere Nische in Berlin nicht am Kudamm, sondern im gutbürgerlichen Wohnumfeld. Hotspots und spektakuläre Projekt sind uns eine Nummer zu heiß.
finanzwelt: Ist lokale Kompetenz wichtig?
Walter: Wir haben uns derzeit auf vier Standorte spezialisiert. Als Newcomer an fremden Standorten haben Sie es schwer, gegen Platzhirsche anzutreten. Lokale Kompetenz besitzen heißt für uns bessere Information, bessere Netzwerke, bessere Finanzierungsbedingungen und letztlich damit bessere Immobilienangebote.
Koch: Lokale Kenntnisse sind eminent wichtig. Wenn z. B. größere Wohnanlagen erworben werden, um sie zu optimieren, ist die Analyse der Vor-Ort-Situation ausschlaggebend für uns. Researchberichte nutzen uns da wenig, die Vor-Ort-Analyse erfolgt gründlich und persönlich, nur so kommen wir zu fundierten Entscheidungen.
Smethurst: An wichtigen Standorten unterhalten wir eigene Büros, auch um regionale Kenntnisse zu erwerben, in erster Linie aber für den Einkauf. Für die Einkaufsentscheidung sind verschiedene Kriterien ausschlaggebend. Neben unseren eigenen Auswertungen ist erstrangig das Gespräch mit dem Vertrieb für uns entscheidend. Wenn der Vertrieb uns sagt, man sähe die Chancen für ein Objekt nicht, dann kaufen wir es auch nicht. Die Kaufentscheidung für ein Objekt bildet sich immer als eine Entscheidung aus sich ergänzenden Sichtweisen: Expertise, lokaler Wissensvorsprung und vertriebliche Aspekte. Dabei ist jeweils die Zielgruppe für das einzelne Objekt zu beachten, aber auch Ausstattung und energetische Qualität fließen mit ein.
finanzwelt: Warum sollte der Vermittler sich für die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten entscheiden?
Smethurst: Schlicht weil ein Spezialist die Marktkenntnis in seinem Bereich hat. Das Risiko der Fehlerquote für Vermittler und Anleger wird dadurch deutlich reduziert. Die Grundregel einer jeden Anlageentscheidung ist die gründliche Information über die Geldanlage – es ist die Pflicht und Aufgabe eines Vermittlers, sich genau zu erkundigen, mit wem er eine Partnerschaft im Sinne des Kunden eingeht.
Koch: Der Spezialist ist in seinem Bereich jemand, der weiß, was er macht. Das klingt banal, ist aber entscheidend für den Erfolg einer Immobilienentwicklung und damit auch für den Anlageerfolg des Kunden und die Haftung des Vermittlers. An dieser Stelle wende ich mich an die Vermittler: Bitte prüfen Sie die Kompetenz Ihrer potenziellen Partner selbst, denn grundsätzlich kann jeder von sich alles behaupten.
Ries: Da wir als Vertrieb grundsätzlich mithaften, sind wir daran interessiert, mit den richtigen Partnern zusammenzuarbeiten: Wer ist unser Partner, welche Referenzen hat er, was hat er bewiesen, welche Liquiditätsdecke besitzt er, kann der Partner diese bestimmte Immobilie beherrschen? So sind Denkmalschutzimmobilien z. B. eine der Spezialitäten von Herrn Smethurst. Nicht alle beherrschen diese Sparte, denn allein die administrativen und rechtlichen Anforderungen sind komplett anders als bei anderen Immobilienprojekten. Wir als Vertrieb versuchen bereits bei der Partnerauswahl Schaden auszuschließen, denn der Vertrieb haftet letztlich de facto immer. Deswegen ist für den Vertrieb wichtig, sich von Anfang an aus der Haftung herauszuziehen – durch die Wahl seiner Partner. (cs)