Recht haben und Recht bekommen
12.12.2023
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„Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei; denn wer Recht hat, muß darthun können, daß er Recht hat“, heißt es schon 1878 in den „Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts“. An der Aussage ist etwas Wahres dran. Im Hinblick auf die Versicherungsbranche gibt es einige Punkte, die Berater kennen müssen. Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW, und Stephan Michaelis, Fachanwalt für Versicherungsrecht der Kanzlei Michaelis, erklären diese ausführlich.
Ein Vermittler berät seine Kunden zum Thema Absicherung in allen wichtigen Gesichtspunkten des Lebens. Dabei geht es nicht nur um die Basics wie Kranken-, Haftpflicht-, oder Hausratversicherung. Die Folgen eines Unfalls? Unfallversicherung! Ein Rechtsanwalt, der für den Fall der Fälle zur Seite steht? Rechtschutz! Der fahrbare Untersatz als Versprechen für unabhängige Mobilität? Kfz-Versicherung! Welche Sorgenkinder man auch haben mag, eine Versicherung dazu gibt es bestimmt. eine vermeintlich klare Sachlage könne zwischen Kunden und Vermittlern zu langwierigen und kostspieligen Rechtsstreitigkeiten führen. Natürlich profitieren Kunden von der Rechtsschutz-Versicherung und einem Fachanwalt für Versicherungsrecht, rät Norman Wirth. Aber wie kann sicher der Vermittler selbst absichern? Vor allem, wenn man in der Branche sein Brot verdient, muss man sicher der besten Optionen für sich selbst bewusst sein. Und schließlich wäre Deutschland nicht Deutschland, wenn es dabei nicht auf eine lückenlose Dokumentation ankäme.
Inhaltlich und formal korrekt
Eine umfassende Beratung muss bewiesen werden. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern maßgeblich, wenn es nach § 63 VVG geht. Das betreffe sowohl Versicherungsmakler als auch Versicherungsvertreter, so Stephan Michaelis. Wenn diese aber nicht bewiesen werden können, etwa weil keine Beratungsdokumentation vorhanden ist, würde sich die Beweislast umkehren. „Der Versicherungsvermittler müsste seine ordnungsgemäß erfolgte umfassende Beratung im Prozess beweisen. Fehlen ihm die Beweismittel, wäre er zwar im Recht, aber wird den Prozess verlieren.“ Langfristig und sicher verwahrt – und vor allem inhaltlich und formal korrekt – ist diese Beratungsdokumentation für den Fall eines Prozesses von Vorteil. Je besser die Vorbereitung, beziehungsweise Vorarbeit, desto kleiner die Sorgen des Vermittlers.
Zusätzlich bietet der AfW die hauseigene Checkliste für die obligatorische Berufshaftpflicht-Versicherung. Die müsse immer „Up-to-date und mit der passenden Versicherungssumme vorhanden sein“, betont der Geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes.„Qualifiziertes Handeln an den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden ist ansonsten der beste Schutz vor Stress mit Kunden.“
Um sich von allen Seiten absichern zu können, ist für Kunde sowie Vermittler Transparenz von großer Bedeutung. Der Kunde will genau wissen und verstehen, was mit seinem Geld passiert. Der Vermittler ist daher in der Pflicht, besagten Kunden über Vor- und Nachteile von den verfügbaren Anlagemöglichkeiten zu informieren. Bei einer etwaigen Umdeckung des Versicherungsvertrages müsse der Kunde also über mögliche Deckungsverschlechterungen aufgeklärt werden. Nach Meinung der Gerichte dürfte er nicht erwarten, dass sein Versicherungsschutz sich verschlechtert. Michaelis verweist beispielhaft auf die aktuelle Rechtsprechung zu Basisrentenverträgen. Der Vermittler müsse seinen Kunden dann darüber in Kenntnis setzen, „dass eine Kapitalisierbarkeit des Produktes nicht gegeben ist.“
Recht haben, aber auch Recht bekommen?
Wenn man Recht hat, ist es ein noch besseres Gefühl, auch vor Gericht Recht zu bekommen. Es ist allerdings nicht der erste Gedanke, der in einem Gespräch zwischen Kunde und Vermittler kommen sollte. Immerhin endet dieses Gespräch im besten Fall nicht vor Gericht, sondern führt zu einem langjährigen Vertrauensverhältnis. Norman Wirth beruhigt zusätzlich: „Um Missverständnisse von Beginn an zu vermeiden, die später zu Streit führen könnten, sollten – wie ja auch gesetzlich vorgeschrieben – die wesentlichen Inhalte der Beratung gut dokumentiert sein. Im Interesse der Kunden, aber auch im Interesse der Berater.“ Die Rechtsprechung greife immer nur Detailprobleme heraus, die Einzelfälle betrachten. Sie habe sich in Bezug auf Transparenz und Vermeidung von Interessenskonflikten relevant verändert, so Wirth weiter. „Und was da an Neuerungen existiert, muss grundsätzlich jeder Berater kennen. Wenn nicht, ist er in der falschen Branche.“
Sie sehen: Eine ordentliche Vor- und Nachbereitung des Beratungsgespräches ist für beide Seiten von großem Vorteil. Ein Vermittler unterstützt seinen Kunden bei der Entscheidungsfindung im Dschungel der Anlage-Möglichkeiten. Das Know-how des Vermittlers ist also eine helfende Hand beim Thema private Zukunftsplanung. Letzten Endes geht schließlich niemand vor Gericht, weil er gerade ein bisschen Zeit und Lust auf Abwechslung hat. Zusätzlich zur Tatsache, dass der Berufsstand des Vermittlers durch Weiterbildungspflicht, regelmäßige Prüfung und strenge Vorgaben hohes Ansehen genießt. (ml)