Pulverfass Beraterhaftung

31.08.2015

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Es wird immer schwieriger für den Vertrieb eine aufrechte Haltung zu bewahren. Die Ereignisse der letzten Monate zeigen, dass es immer wieder Produktentwickler gibt, deren Konzept von vornherein darauf ausgelegt ist, sowohl die Kunden als auch den Vertriebspartner ohne Rücksicht auf deren Leben und Geld zu betrügen.

Raffiniert ausgeklügelte Finanzstrategien, mit den Phantasien der Kunden auf relativ einfache Art und Weise Profite zu machen, spielend gehen sie dabei über Leichen. Das Schicksal der Menschen ist ihnen dabei völlig egal. Leider kommt ihnen hier die „Gier frisst Hirn Mentalität“ der Vertriebler und der Kunden sehr entgegen. Das macht es ihnen leichter, und genau wie bei den Dopingmitteln sind sie beim Erfinden solch toller Anlagen mit hohen Erträgen ohne Risiko den Ermittlern immer einen Schritt voraus. Die merken immer erst dann, dass etwas schief gelaufen ist, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist – respektive der Kunde, aber auch der leider zu oft arglose Vermittler.

Jetzt kommt eine Spezies auf den Plan, von deren Existenz man vor fünf Jahren noch nichts ahnte. Das Heer von schlecht verdienenden, zum Teil ohne Klienten dastehenden Rechtsanwälten, die plötzlich durch die himmelschreiende Rechtsprechung des BGH ein neues El Dorado für sich entdeckten – die Verteidigung des armen unmündigen Bürgers, der vor den bösen Beratern beschützt werden muss.

Schuld ist ein anderer.

Nicht der Betrüger, also der Urheber des Produkts, ist nun plötzlich der Böse. Wieso auch? Der hat die Schotten dicht gemacht, sich irgendwohin mit dem Geld abgesetzt, folglich ist auch nichts mehr zu verdienen. Also muss ein anderer herhalten, so auch die Rechtsprechung des BGH, der Berater oder die Vertriebsgesellschaft.

Und das Kuriose dabei ist, dass nun nicht mehr der Urheber des raffiniert ausgeklügelten Betrugsproduktes wenn man möchte, die conditio sine qua non, der Schuldige ist. Denn keiner spricht mehr von Produkthaftung, sondern nur noch von Beratungsfehlern. Und dadurch ist der böse Schuldige schnell gefunden – der Vermittler! Der hat ja schließlich eine Vermögensschadenhaftpflicht, ohne die er nicht arbeiten darf und für die er auch richtig viel Geld bezahlt. Die wird schon für den Schaden aufkommen.

Doch welch eine Überraschung! Ausgerechnet die Vermittlung dieses Produktes ist leider nicht im Versicherungsschutz enthalten. Wie? Der Vermittler wurde doch wegen Falschberatung in Anspruch genommen und dagegen ist er doch versichert. Und trotzdem zahlt jetzt die Versicherung nicht, weil jetzt angeblich das eine Produkt nicht versichert ist.

Eine gewisse Ratlosigkeit macht sich breit.

Vermögensschadenshaftplicht? Produkthaftpflicht? Wer hat dem Vermittler gesagt, dass er auch noch das Produkt versichern muss? Ist für das Produkt oder dessen Funktionieren nicht eigentlich der Initiator verantwortlich? Vermögensschadenshaftpflicht heißt doch, der Vermittler hat eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die ihn absichert, falls durch seine Falschberatung dem Kunden ein Vermögensschaden entsteht, was jetzt durch ein Urteil bestätigt eingetreten ist. Aber plötzlich ist er auch noch für das Produkt verantwortlich und dagegen ist er leider nicht versichert, weil für den Versicherer nicht die Falschberatung im Vordergrund steht, sondern das Produkt.

Tausende von Vertriebsleuten sitzen auf einem Pulverfass, weil die Versicherer sich – wie so oft – im Ernstfall mit fadenscheinigen Argumenten aus ihrer Verantwortung stehlen, und sie wissen es wahrscheinlich nicht einmal oder vertrauen gutgläubig den Aussagen der Versicherer. Ebenso wie sie auf den unseriösen Initiator vertraut haben, der mit Hochglanzprospekten und schönen Worten für sein Produkt geworben hat.

Das muss endlich ein Ende haben.

Was, fragen Sie sich sicherlich? Es muss ein Ende haben, dass unseriöse Produktanbieter meist ungeschoren davonkommen. Es muss ein Ende haben, dass einem normal intelligenten Kunden geglaubt wird, wenn er sagt, er hätte nicht gewusst, was er unterschrieben hat. Da kann man nur sagen, wenn man etwas nicht versteht, darf man nicht kaufen. Es muss ein Ende haben, dass Versicherer für Leistungen, die sie versprochen haben und für die sie auch Millionen von Beiträgen erhalten, nicht eintreten. Und es muss zwingend ein Ende haben, dass am Schluss immer der Vermittler der Dumme ist!

Es ist an der Zeit! Meine Damen und Herren aus dem Vertrieb, wehrt Euch!!!

Denkt daran, dass auch Versicherungen und Produktgeber vom Umsatz leben und dass Sie es sind, die diesen Umsatz produzieren. Lassen Sie sich nicht von hohen Provisionen blenden, von Hochglanz und Versprechen verführen. Hohe Zinsen ohne Risiko gibt es vor allem in der heutigen Zeit nicht. Und handeln Sie immer nach dem Motto: Zeige mir Deine AGBs und ich sage Dir, wer Du bist!

Dr. oec. h.c. Horst Steppi, Aufsichtsratsvorsitzender R&R Consulting GmbH

Onlineausgabe 03/2015