"Poker ist Glücksspiel...

26.04.2016

Auf dem Foto v.l.n.r.: Jane Uhlig

Anderson: Zurück zu Ihnen: Wie empfanden Sie Ihre Rückkehr nach Deutschland? Das war sicher nicht so einfach. Fitschen: Zurück nach Deutschland zu kommen war viel schwieriger als vorher innerhalb Asiens zu wechseln. Denn jetzt war ich in der Zentrale. Und diese Umgebung war vor allem eines: sehr deutsch geprägt. Andererseits hatte es auch seine Gründe, warum man mich gebeten hatte, wieder nach Deutschland zu kommen. Es war ja nicht so, dass Asien für die Bank nicht mehr interessant gewesen wäre. Man hat aber gesehen, wie ich in Asien mit Kollegen und Kunden umgegangen bin und wollte, dass ich das von Frankfurt aus mit weltweiter Perspektive mache. Aber bequem und einfach war dieser Schritt für mich sicher nicht. Ich wurde aus meiner gewohnten Umgebung herausgerissen. Man kann sagen, ich ging, bevor ich alles ernten konnte, was ich vorher gesät hatte. Dieses Gefühl, etwas unvollendet zurückgelassen zu haben, war damals stark bei mir vorhanden. Uhlig: In welcher Kultur haben Sie sich wohler gefühlt, in der asiatischen oder in der deutschen? Fitschen: Das kann ich nicht eindeutig beantworten. Ich habe vor allem den persönlichen Umgang in Asien geschätzt, der dort eine besonders große Rolle spielt. Der Umgang mit Asiaten ist durchaus kompliziert. Wer aber dem Vorurteil glaubt, Asiaten seien oberflächlich und lächelten stets, hat diese Kultur nicht verstanden. Man kommuniziert dort eben auf andere Art und Weise, wie das bei uns üblich ist. Aber eines haben beide Kulturen gemeinsam: Man kann zu jedem Menschen einen persönlichen Zugang finden, wenn man ihm mit dem nötigen Respekt begegnet. Uhlig: Sie haben in Ihrem Berufsleben ein großes Netzwerk aufgebaut. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in verschiedenen Ländern insbesondere in Europa, Asien und dem Mittleren Osten. Es muss ein Erfolgsgeheimnis geben, warum Sie mit den Menschen in den unterschiedlichsten Regionen besonders gut auskommen. Was ist das Geheimnis? Fitschen: Ich versuche meinen Gesprächspartnern das Gefühl zu vermitteln, dass sie offen mit mir sprechen können – ohne Gefahr zu laufen, das Gesicht zu verlieren. Das ist das Schlimmste, was man seinem Gesprächspartner in Asien antun kann: ihn bloß zu stellen. Hier in Deutschland spielt dieser Punkt nicht so eine große Rolle. Auch nicht in den USA, wo sie vielleicht zunächst direkt kritisiert werden, wenn sie zu weit gegangen sind. Danach ist es aber auch schnell wieder vergessen. Das geht in Asien nicht, das dürfen sie dort nicht tun. Sie müssen immer und jederzeit die Form wahren. Die Direktheit, die wir hier in den westlichen Ländern pflegen, gibt es in Asien nicht. Deshalb ist es für einige westliche Manager auch schwierig, mit Asiaten ins Gespräch zu kommen und von ihnen akzeptiert zu werden. Aber diese Akzeptanz müssen Sie sich erarbeiten. Hier entstehen echte Partnerschaften in vielen Jahren vertrauensvoller Zusammenarbeit. So etwas finden Sie heute in den westlichen Ländern nicht mehr oft. Uhlig: Sie haben viel erlebt mit Managern aus der Wirtschaft, auch in emotionalen Situationen. Konnten Sie immer vertrauen? Fitschen: Nein, nicht immer. Ich habe auch meine Erfahrungen gemacht. Aber nicht so, dass ich danach ohne Hoffnung geworden wäre. Man braucht eine gewisse Gelassenheit. Man muss erkennen, dass es im Leben nicht immer gerecht zugeht und dass man daran aber nicht verzweifeln sollte. Anderson: Wobei Ihre Karriere wahrscheinlich auch wenig Anlass zu Zweifeln gegeben hat, oder? Also ich denke jetzt an die Zeit, als die Welt wirklich noch in Ordnung war. Die Deutsche Bank war der Inbegriff der Stabilität. Sie waren im Vorstand angekommen. Denkt man da ans Scheitern, wenn man so einen erfolgreichen Weg gegangen ist? Bekommt man da überhaupt Zweifel? Fitschen: Na ja, die heile Welt, die Sie hier ansprechen, von der reden wir zwar häufig, aber dann doch meistens in der Rückschau. Ich habe meine Zweifel, ob die Welt jemals so „in Ordnung“ war. Zum anderen verstehe ich Zweifel als Fähigkeit, sich selbst in Frage zu stellen. Verliert man diese Fähigkeit, wird es gefährlich. Uhlig: Und die Nachricht vom Ausscheiden Anshu Jains, ihres Co-Vorstandsvorsitzenden, war sicher auch nicht einfach. Fitschen: Auch diese Veränderung muss ein Manager verkraften. Und sie müssen immer damit rechnen, dass so etwas passieren kann. Wer sich hinstellt und meint, er sei jetzt ganz oben angekommen und ihm könne nichts mehr passieren, der scheint mir ziemlich naiv. Uhlig: Sie als Co-Vorstandsvorsitzender werden in der Öffentlichkeit von vielen mit einem gewissen Neidfaktor wahrgenommen: gehobener Status, hohes Gehalt, Chauffeur, Dienstwagen, exklusives Büro. Vielen ist nicht klar, welcher Einsatz damit verbunden ist - im Sinne von überdurchschnittlicher Verantwortung, viel Arbeit und pausenloser Termine; kaum Privatleben. Meinen Sie, die Menschen sollten mehr darüber erfahren, was ein Manager in Ihrer Position alles leistet? Fitschen: Ich glaube, viele sehen schon, dass wir eine hohe Verantwortung tragen und dass wir einen sehr ausgefüllten Kalender haben. Vieles wird festgemacht an der Person des Vorstandsvorsitzenden. Das habe ich zu Zeiten von meinem Vorgänger erfahren, und nachdem Anshu Jain und ich übernommen hatten, ist es uns genauso ergangen. Man darf nicht den Versuch machen, sich dem zu entziehen. Insofern ist diese Art der Öffentlichkeitsarbeit, die wir in dieser Position verrichten, ein Teil unseres Aufgabengebietes, ein Teil, der in dieser medialen Welt immer wichtiger geworden ist. Anderson: Es gibt den Spruch von Clement Stone: "To every disadvantage there is a corresponding advantage." Können Sie dem Ganzen etwas Positives abgewinnen? Fitschen: Es gab in meinem Berufsleben keinen einzigen Tag, den ich als verlorenen Tag empfunden habe. Die unzähligen Begegnungen mit Freunden, Kollegen und Kunden auf der ganzen Welt möchte ich auf gar keinen Fall missen. Das kann sicher nicht jeder von seinem Beruf behaupten. Und ich bin mir zutiefst bewusst, welches Glück mir damit zuteilgeworden ist. Die positiven Aspekte überwiegen eindeutig. Uhlig: Finden Sie den Slogan Ihrer Bank „Leistung aus Leidenschaft.“ noch angemessen im Zuge der Krise und des Kulturwandels? Oder müsste der Slogan heißen: Leistung aus Verantwortung? Fitschen: Ich habe sehr früh gesagt, dass ich den Slogan nicht mehr optimal finde. Damit will ich nicht sagen, dass Leistung aus Leidenschaft für uns nicht mehr gilt. Sie gehört zur Deutschen Bank. Denn wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir stets die höchsten Erwartungen an uns alle haben. Das muss auch so bleiben. Ich habe den Slogan deshalb kritisch beurteilt, weil Leidenschaft auch zu Exzessen führen kann, wenn sie keine Grenzen mehr kennt, wenn Menschen Maß und Mitte verlieren. Und deshalb sagte ich, dass Verantwortung, Integrität und Disziplin ebenfalls dazugehören. Das heißt, Leidenschaft allein reicht nicht aus, sie muss auch verantwortungsvoll umgesetzt werden. Uhlig: War die Leidenschaft am Pokertisch das Dilemma? Lesen Sie weiter auf Seite 3