Im Team neue Problemlösungen entwickeln und umsetzen

04.09.2024

Foto: © Alexander Funk

Die gemeinsame Aufgabe steht zentral

Im Idealfall – wohlgemerkt! Oft praktizieren Unternehmen nämlich ein anderes Verfahren. Sie benennen zunächst den Teamleiter. Dieser soll dann „sein Team“ bilden. Dies tut er auch – häufig nach den Kriterien: Mit wem komme ich gut klar? Und: Wer hat gerade Zeit? Die zu erfüllende Aufgabe spielt hingegen bei der Auswahl der Teammitglieder zuweilen eine marginale Rolle.

Eine Ursache hierfür ist: Es gibt wenig gute Hilfsmittel für das Zusammenstellen von Teams. Zwar werden viele Tests im Markt angeboten, die angeblich helfen, das „ideale Team“ zu finden. Ihr Nutzen ist aber oft gering. Unter anderem aus folgenden Gründen: Diese Tests blenden meist aus, dass ein Team nur erfolgreich arbeiten kann, wenn seine Mitglieder (gemeinsam) ein breites Fachwissen und die erforderliche Expertise zum Lösen des Problems bzw. der Aufgabe haben. Sonst hätte ja kein Team gegründet werden müssen. Sie berücksichtigen zudem nicht, dass jedes Team so in seinem Umfeld verankert sein muss, dass es die nötige Unterstützung erfährt. Deshalb erleiden Unternehmen meist Schiffbruch, wenn sie Teams gemäß der Faustregel bilden „Man nehme einen Fachmann, einen Visionär, einen Organisator und einen Kommunikator und fertig ist das perfekte Team“.

Trotzdem wird im Firmenalltag oft so verfahren – auch weil die Entscheidung „Wir forcieren die Teamarbeit“ oder „Wir bilden ein Projektteam“ häufig über Nacht fällt. Entsprechend hastig werden die Teams formiert. Und vom ersten Tag an sind sie mit der Erwartung konfrontiert, entweder mehr zu leisten oder kreativer und innovativer zu sein, als wenn seine Mitglieder als Einzelkämpfer agieren würden. Schließlich erhoffen sich die Unternehmensführer von der Teamarbeit in der Regel eine Steigerung der Produktivität sowie Innovationskraft und -geschwindigkeit der Organisation.

Die vier Entwicklungsphasen eines Teams

Dabei wird übersehen: Jedes Team durchläuft, bevor es voll leistungsfähig ist, zunächst einen längeren Prozess der Selbstfindung. Dieser Prozess gliedert sich in die vier Phasen „Forming“ (Orientierungsphase), „Storming“ (Konfliktphase), „Norming“ (Organisationsphase) und „Performing“ (Integrationsphase).

In der „Forming-Phase“ beschnuppern sich die Teammitglieder wechselseitig. Sie versuchen zu erkunden: Was fit sind die „neuen Kollegen“? Welche Interessen verfolgen sie und ist mit ihnen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich? In dieser Phase empfindet sich das Team noch nicht als Team.

Die „Storming-Phase“ ist von Auseinandersetzungen geprägt. In ihr werden sozusagen die Rangkämpfe ausgefochten. Nun geht es unter anderem darum: Wer hat welche Aufgabe und Rolle im Team? Wie stark werden die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt? In dieser Phase kochen oft unterschwellige Konflikte zwischen den Bereichen und Funktionsgruppen im Unternehmen hoch, und die Teammitglieder sind stärker mit Status-Kämpfen als mit ihrer Aufgabe beschäftigt.

In der „Norming-Phase“ glätten sich die Wogen allmählich. Nun verständigen sich die Teammitglieder zum Beispiel auf Spielregeln für den Umgang miteinander; außerdem vereinbaren sie erste Maximen, an die sich alle beim Lösen der Aufgabe halten. Erst wenn ein Team diesen Punkt erreicht hat, entfaltet es allmählich seine Vorzüge. Dann beginnt das eigentliche „Performing“ – also die Phase, in der das Team bessere Ergebnisse erzielt, als wenn seine Mitglieder alleine arbeiten würden.

Der Output steigt mit der Zeit

In den ersten drei Phasen ist das Team stark mit sich selbst beschäftigt. Entsprechend mager sind oft seine Arbeitsergebnisse. Sie sind zumeist geringer, als wenn die Mitglieder alleine arbeiten würden, und einer die Kommandos, was jeder zu tun hat, vorgäbe. Deshalb wird die Teamarbeit in diesen Phasen oft als ineffektiv erlebt – von den Teammitgliedern selbst und ihrem Umfeld.

Ein entsprechendes Feedback erhalten sie von ihren Kollegen bzw. ihrem Umfeld: „Wann kommt ihr endlich zu Potte?“ „Wann kann man mit ersten Lösungsansätzen rechnen?“ Dies fördert nicht die Stimmung. Entsprechend groß ist die Gefahr, dass sich einzelne Teammitglieder aus der Teamarbeit verabschieden, bevor sie eigentlich begonnen hat. Deshalb sollte der Teambildungsprozess – speziell von Teams, die sich mit einem hohen Erwartungsdruck konfrontiert sehen – von einem Coach oder erfahrenen Teamentwickler begleitet werden. Er kann, indem er zum Beispiel die richtigen Fragen stellt, den Teambildungsprozess beschleunigen.

Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn die Teammitglieder in der Startphase ein Teamtraining besuchen, um sich dort sozusagen im Zeitraffer zusammenzuraufen. Dies ist gerade bei virtuellen und hybriden Teams meist extrem wichtig; also Teams, deren Mitglieder sich im Arbeitsalltag wenn überhaupt nur sporadisch persönlich treffen, sondern weitgehend per Telefon oder digital miteinander kommunizieren. Denn das für eine effektive Zusammenarbeit nötige Vertrauen zwischen den Teammitgliedern setzt auch ein Gespür dafür voraus,

  • wie tickt mein Gegenüber und
  • was ist ihm (in der Zusammenarbeit) wichtig.

Teams sind Zweck- und Zielgemeinschaften

Keineswegs müssen die Teammitglieder jedoch wie ehedem Sepp Herbergers Fußballtruppe „elf Freunde“ sein. Das Gegenteil ist Fall. Eine zu große Kumpanei schmälert oft den Output von Teams. Denn dann

geraten schnell die Aufgabe und das Arbeitsziel aus dem Blickfeld; zudem werden Probleme und Verhaltensweisen, die die Zielerreichung erschweren, nicht offen artikuliert.

Das gilt es insbesondere beim Implementieren von Teams, die als „Innovation Labs“ in Unternehmen fungieren sollen, zu bedenken; Teams also, die ganz neue, zukunftsweisende Ideen und Problemlösungen generieren sollen; zum Beispiel, weil sich die Rahmenbedingungen des Handelns des Unternehmens fundamental gewandelt haben. Denn auch diese Teams agieren nicht zweck- und zielfrei. Ihre Funktion ist es vielmehr, Wege aufzuzeigen und zu entwickeln, wie das Unternehmen auch künftig mit Erfolg agiert. Entsprechend radikal müssen in ihnen die bisher praktizierten Vorgehensweisen und Problemlösungen hinterfragt werden – oder zwar ohne Rücksicht auf individuelle Vorlieben sowie einzelne Personen und Bereiche.

Kolumne von Stefan Bald,
Changeberater und Teamentwickler
Unternehmensberatung Kraus & Partner