Heute ein König und morgen kein Bettelmann

27.12.2024

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Die Sozialversicherung rutscht in die Krise und zieht ihre Versicherten gleich mit runter. Eigentlich gute Nachrichten für Versicherungsmakler. Die Beratungen zur Schließung von gesetzlichen Versicherungslücken entpuppen sich aber als Gleichung mit vielen Unbekannten.

Die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung blieb bereits auf der Strecke und die Ersatzrente bei Erwerbsunfähigkeit kratzt am Existenzminimum. Etlichen Versicherten ist gesundheitsbedingt der Weg unter einen privaten Versicherungsschirm verwehrt. Während sich Politiker mit statistischen Durchschnittsrentnern die spätere Pensionswelt schönrechnen, liegen real existierende Renten auf Bürgergeldniveau. Inflation, Krisen, Mieten und ebenso Sozialversicherungsbeiträge lassen die Budgets der Privathaushalte schrumpfen. Es drohen Vorsorgetriagen. Die dahingehenden Beratungen erfordern eine saubere Dokumentation.

Noch einmal kurz die Welt retten

Die Normal- und Geringverdiener bleiben auf der Strecke. Für eine ergänzende Kranken- und Pflegezusatzversicherung bieten viele Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern analog zur Altersversorgung geförderte Betriebslösungen an. Ansonsten bleiben für Arbeitnehmer lediglich private Eigenvorsorgen. Um ein annehmbares Niveau für Arztwahl, Krankentagegeld, Zahnersatz oder Pflegeschutz für sich und die Familie zu erreichen, sind schnell dreistellige Monatsbeiträge fällig. Hinzu kommen erhebliche Investitionen in die Einkommensabsicherungen bei Arbeitskraftausfall und im Alter. Unterhalb des Durchschnittsverdienstes dürften private Rundumergänzungen zu Sozialversicherungen kaum erschwinglich sein. Sogar für die alleinstehenden Besser- oder Durchschnittsverdiener mit optimaler betrieblicher Vorsorge wird es enger. Um als Pensionär finanzielle Rückschläge zu vermeiden, sind mehrere betriebliche Versorgungswege zu beschreiten. Zuzüglich einer privaten Alters-, Kranken- und Pflegeabsicherung sowie steigenden Sozialversicherungsbeiträgen naht das Ende der Fahnenstange. Kürzen die Sozialversicherungsträger noch Leistungen, droht eine Triage. Der Kunde muss mit seinem Makler abwägen, welche Versicherungen elementar sind und worauf man verzichten könnte. Kommt es nach Verzicht zum Leistungsfall, ist eine klare Beratungsdokumentation über die vorausgegangenen Risikoabwägungen erforderlich. Ohne Beratung oder Dokumentation erweist sich der Kundenrotstift sonst als Bumerang für den Versicherungsmakler. Ein Manko für Vergleicher per App oder Portal, denn die Beratungen sind regelmäßig und anlassbezogen aufzufrischen. Ohne einen persönlichen Kontakt vor Ort erscheint das kaum möglich. Der Gesetzesgeber und höchstrichterliche Urteile geben da für die Versicherungsberatungen nur wenig Spielräume.

Wo kein Kläger ist auch kein Richter

Für Kunden geht es oftmals um die Existenz, wenn eine gesetzliche oder private Absicherung schwere Lücken aufweist. Etliche Makler wähnen sich in trügerischer Sicherheit, denn die Situation spitzt sich erst zu. Die Babyboomer stehen vor der Rente. Bei stabilen privaten Altersversorgungsbiografien ist die Welt in Ordnung. Versichererwechsel, Kündigungen oder Run-Offs von Lebensversicherungen gelten als Verlustbringer. Summieren sich die Verluste auf, kommen Anwälte mit ins Spiel und die Beratungsdokumentationen gelangen auf den Prüfstand. Schließlich gilt es, die Altersversorgungen der Kundschaft zu optimieren. Sind Altverträge von vorherigen Vermittlern im Bestand, tickt hier die Uhr, denn etwaige Vorgängerfehler gehören mit auf die Beratungsagenda und dokumentiert. Schlimmstenfalls sind Ansprüche des Kunden aus vorherigen Beratungsmängeln außergerichtlich oder sogar gerichtlich festzuhalten, um sich als Makler auch selbst vor Ansprüchen zu schützen. Das Vermittlerrecht erfordert anlassbezogene Beratungen. Experten zufolge sind solche Anlässe dynamische Erhöhungen zur Lebensversicherung, Run-Off-Ankündigungen von Versicherern oder gravierende Veränderungen in der Sozialversicherung sowie an den Kapitalmärkten bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Bestandskunden können auf ihre Versicherungsunterlagen zunehmend digital zugreifen. Stehen Vertragsabläufe oder das Pensionsalter an, liegt die Versicherungshistorie für die externe Überprüfung ohne Weiteres offen. Die Schwelle für einen Gang zum Rechtsanwalt liegt bei wenigen tausend Euro. Bereits mit fehlender Gegenüberstellung von Brutto- und Nettotarifen oder einem Vertragsstorno, um eine neue Lebensversicherung abzuschließen, liegen die Verluste aus der vergeblichen Abschlusskostentilgung über der Klagehemmschwelle. Der Bundesgerichtshof bekräftigte zur Jahresmitte erneut das langewährende Widerspruchsrecht zur Lebensversicherung bei einer mangelhaften Widerspruchsbelehrung von Seiten des Versicherers. Manche Vermittlerkreise nutzten dieses Instrument, um damit freiwerdende Kundengelder gegen Provision in riskantere Kapitalanlagen zu lenken. Ohne erhellende Protokollierung wird das in einer langjährigen Rückschau zum Beraterhaftpflichtfall. Auf Vermittler spezialisierte Vermögensschadenhaftpflichtanbieter schreiben aus guten Gründen Nachhaftungsvereinbarungen von 30 Jahren und mehr in die Haftpflichtpolicen.

Qualität setzt sich durch

Den Versicherungsmakler erwarten goldene Zeiten. Die medienwirksame Öffentlichkeitsarbeit von führenden Politikern schafft genügend Aufmerksamkeit, um mit Neu- und Bestandskunden ins Gespräch zu kommen. Die Krankenversorgung, Pflege und Rente avancieren für Firmen und Privathaushalte zum Thema Nummer eins. Branchenaufsicht und Gerichte stärken die Kundenrechte, was die Befreiung aus Kapitalanlagen und Versicherungen mit hohem Übervorteilungsfaktor erleichtert. Versicherungsmakler, die sich stringent auf den Kundennutzen konzentrieren, florieren. (gg)