Haftungs-Falle Basisrente wegen der Pfändbarkeit
21.07.2015
Im Vertrieb, bei Versicherern und in Wikipedia wird oft viel zu leichtfertig mit Zusagen, wie der Unpfändbarkeit von Lebensversicherungen, umgegangen. Zwei Experten warnen hier, teils mit Ironie.
2015-07-22 (fw/db) Sind Rürup-Renten bzw. Basisrenten grundsätzlich vertraglich nicht vererbbar, wie mit dem Versicherer vereinbart auch nicht ordentlich kündbar, beleihbar oder verkäuflich, sowie auch nicht verpfändbar?
Einige Autoren von „Wikipedia“ meinen sogar, dass die Rürup-Rente ein gemäß § 851c II ZPO pfändungsgeschütztes Vermögen darstelle – ein Vorteil der Basisrente, laut Wikipedia, auch in der Insolvenz. Im gleichen Artikel wird die steuerliche geförderte Prämienleistung in der Ansparphase gemäß § 97 EStG, § 851 ZPO als pfändungsgeschützt dargestellt.
In einer rechtswissenschaftlichen Doktorarbeit heißt es demgegenüber zutreffender „§ 97 EStG ist nur auf das ‚nach § 10a oder Abschnitt XI (EStG) geförderte Altersvorsorgevermögen‘ (Riester-Verträge) anwendbar.“
Eine Doktorarbeit behauptet sogar die komplette Unpfändbarkeit
In einem neuen Fachbuch, ursprünglich eine juristische Promotion, aus einem Verlag für Versicherungsfachleute, wird dargestellt, dass Basisrentenverträge im Gegensatz zur begrenzt pfändungsgeschützten Altersvorsorge nach § 851c ZPO weder kapitalbildend seien, noch hätten sie einen Rückkaufswert, weshalb alleine sie in der Ansparphase gar nicht pfändbar seien.
Das Kapital der sogenannten pfändungsgeschützten Altersvorsorge sei nach § 851c ZPO hingegen – im Gegensatz zum Basisrentenvertrag - aber oberhalb der gesetzten Grenzen bei Pfändung zu überweisen, beispielsweise an Gläubiger und Insolvenzverwalter.
Konsequent zu Ende gedacht könnte man so behaupten, dass man ohne Rückkaufswert in einer Lebensversicherung – wie angeblich bei Basisrentenverträgen gegeben - sogar beliebig hohe Beträge – geschützt vor Gläubigern und Insolvenzverwalter – als Vermögen schützen könne.
Die Doktorarbeit begründet dies: „Eine Pfändung scheidet aber, wie nachfolgend ausgeführt wird, schon deswegen aus, weil es sich bei der Rürup-Rente nicht um ein kapitalbildendes Vorsorgeinstrument handelt mit der Folge, dass dem Vertragspartner weder in der Anspar- noch in der Auszahlungsphase ein Anspruch auf einen "Rückkaufswert" zusteht, den der Gläubiger pfänden könnte.“
Zur Untermauerung wird auf einen „Münchner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz“ (VVG) Bezug genommen. Der Versicherungsvertrieb hätte es wohl kaum besser zur Verkaufsförderung in seine Prospekte zur Kundenwerbung und Marketing schreiben können.
Letztlich folgt dies auch der Argumentation des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) zum unbegrenzten Pfändungsschutz der Basisrente in der Ansparzeit, der etwa aktuell auf seiner Website geschrieben hat:
„Der GDV weist zudem daraufhin, dass das Vorsorgekapital der Basisrente während der Ansparzeit vor dem Zugriff Dritter geschützt ist. Das heißt: Weder die Agenturen für Arbeit noch das Sozialamt oder eventuelle Gläubiger haben Zugriff auf die Basisrente. Nur die spätere Rente ist oberhalb der Freigrenzen pfändbar.“
Vermutlich haben Doktoranden im Versicherungswesen und Autoren von Wikipedia noch nie einen solchen Versicherungsschein in Händen gehalten und mussten „Nichtwissen“ durch „über alles schreiben können“ ersetzen?
Der Punkt ist, dass man durch vertragliche Regelungen, dass jemandem nichts zurückgezahlt wird, sondern nur als Rente, nicht auch gleich noch die Pfändbarkeit verhindern kann. Es ist im gesamten Vollstreckungsrecht der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht möglich durch eine privat-vertragliche Regelung über das Verbot einer Verpfändung oder Beleihung die hoheitliche Vollstreckung durch gerichtliche Pfändung auszuschließen.
Ausschluss der Kündigung verhindert keine Kündigung durch Insolvenzverwalter
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 01.12.2012, Az. IX ZR 79/11) entschied bereits, dass ein vertraglicher Ausschluss der Kündigung die Verwertung der Lebensversicherung über eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht verhindert. Im Zweifel ist das komplette durch Prämienzahlung beim Versicherer gebildete Vermögen weg – Gläubiger können den Rückkaufswert hoheitlich über das Vollstreckungsgericht pfänden und überweisen lassen, Insolvenzverwalter können den (nur vertraglich unkündbaren und nur vertraglich nicht abtretbaren) Versicherungsvertrag kündigen und das Vermögen einziehen.
Dazu der BGH: „Doch können nach § 851 Abs. 2 ZPO vereinbarungsgemäß nicht übertragbare Forderungen gepfändet werden, wenn der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist.“
Basisrente (Rürup-Rente) ist auch vor Rentenbeginn pfändbar
Für eine (ggf. teilweise) Unpfändbarkeit bedarf es zusätzlicher Regelungen, beispielsweise dass die Voraussetzung für einen Pfändungsschutz nach § 851c ZPO vorliegen.
Dies ist bei Versicherungsverträgen die als Basisrente vermittelt werden nicht automatisch der Fall.
Dies gilt es stets fachkundig prüfen zu lassen, denn Basis-/Rürup-Renten sind von Hause aus zunächst einmal so gestrickt, dass das Finanzamt sie lediglich steuerlich anerkennt, und nicht immer auch nach § 851 c ZPO ausgerichtet.
Ein vertraglich mit dem Versicherer festgelegtes Verwertungsverbot würde gegen den begrenzten Pfändungsschutz für Altersvorsorge in der Zivilprozessordnung sprechen und diesen somit umgehen.
Daher entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 01.12.2011, Az. IX ZR 79/11), dass der vertraglich festgelegte Verwertungsausschluss nicht die Pfändung verhindern kann.
Bei den Versicherungsvermittlern in Deutschland sind allenfalls teilweise pfändungsgeschützte Rentenversicherungen zu erhalten, derzeit höchstens mit Aussicht auf eine Rente von bis zu weniger als 600 Euro im Monat.
Guter Rat vom Versicherungsvermittler, Steuerberater oder Doktor?
Als Anleger kann man die feste und mit erheblicher Lobbyarbeit von Versicherern und deren Verbänden gestärkte Überzeugung der meisten Vermittler und Versicherer, die Basisrente sei in der Ansparphase in beliebiger Höhe unpfändbar, dennoch für sich nutzen, um einen völligen Pfändungsschutz zu erreichen.
Dazu ist es lediglich erforderlich, sich von einem der vielen „selbsternannten Experten“ beraten zu lassen, sein Geld pfändungssicher in einem Basisrentenvertrag zu verstecken.
Im Einzelfall muss man den Vermittler wechseln, weil manche Vermittlungsunternehmer oder Versicherungsmakler hier bereits vorsichtig geworden sind. Wichtig ist, auf einer Beratung und auch einer Dokumentation zu bestehen, den Punkt der 100%igen Pfändungssicherheit in der Ansparphase anzusprechen und darauf zu achten, dass dieser in der schriftlichen Dokumentation „ohne Wenn und Aber“ festgehalten wird. Eine zusätzliche Bestätigung durch den Versicherer kann nichts schaden, damit dieser auch haftet.
Dies ermöglicht dann, sich später an der Haftpflichtversicherung des Steuerberaters oder Vermittlers schadlos zu halten, oder auch beim Versicherer, die gerne dazu beraten haben.
Eine weitere Option ist: Der Kunde kann sich das Geld später vielfach wieder zurückzuholen, sofern sich der Rürup-Vertrag nachträglich als unwirtschaftlich herausgestellt hatte, wenn man mit einer falschen Zusicherung der Pfändungssicherheit zum Vertragsabschluss geworben wurde, beispielsweise durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder als Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung des eigenen Vermögens zur Altersversorgung. Wegen der Verjährungsfristen beim Beratungsverschulden empfiehlt sich in der Praxis eine rechtzeitige Feststellungsklage, dass Vermittler oder Versicherer für den Schaden durch Verlust der durch Beiträge erworbenen Basisrentenansprüche infolge Pfändung von Kapital in der Ansparphase haften.
Es gibt leider noch Vermittler und Versicherer die in die Haftungsfalle gehen, indem sie mit fester Überzeugung die völlige Unpfändbarkeit der Basisrente ausdrücklich dem Versicherungsnehmer und Antragsteller bestätigen. Damit ist dann der Anleger auch soweit die Basisrente sich später vor Rentenbeginn nicht als pfändungssicher erweist, jedenfalls durch die Haftung des Anbieters der Basisrente und des Vermittlers bzw. dessen Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung geschützt.
finanzwelt-Fazit: Die beiden Experten Dr. Johannes Fiala, RA (München) und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik beschreiben einen typischen Beratungsfehler rund um die Basis- bzw. Rürup-Rente. Die finanzwelt veröffentlicht regelmäßig Experten-Meinungen um Vermittlungsunternehmer und Versicherungsmakler zu informieren und zu schützen. Im Zweifel empfiehlt sich in der Praxis eine direkte Kontaktaufnahme zu den Experten.
Dietmar Braun