Gefährdet Hamburger Verbraucherschützer-Verein Verbraucher?

19.08.2015

Ein Skandal ist nicht, dass ein Hamburger Verein Empfehlungen zur Altersvorsorge erteilt, sondern dass ein Medium der deutschen Versicherungswirtschaft diese völlig unkommentiert veröffentlicht.

2015-08-20 (fw/db) Die staatlich finanzierte Verbraucherschützer eines Vereins aus Hamburg, ohne öffentlichen Sachkundenachweis, warnen vor Lebensversicherungen ohne Garantiezins, aber mit alternativem Rendite-Modell zur Sicherung der erwirtschafteten Erträge.

“Wenn die Renditechancen so klar wären, könnten die Versicherer sie auch garantieren”, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. dem Verlag Versicherungswirtschaft in Karlsruhe, der das so unkommentiert veröffentlicht. Becker-Eiselen verschweigt, dass die meisten Versicherer bei den neuen Tarifen und Lösungen für die Altersvorsorge, sehr wohl Garantiemodelle für die erwirtschafteten Gewinne anbieten.

Die Mehrheit der Versicherer bietet weiterhin Kapitallebens- und private Rentenversicherungen mit dem aktuellen Garantiezins von jährlich 1,25 Prozent an, berichtete der Verlag der Versicherungswirtschaft in Karlsruhe. Im Niedrigzinsfeld wird es jedoch immer schwieriger, die garantierten Zinsen zu erwirtschaften. Die Branche setzt mittlerweile große Hoffnungen auf Indexpolicen – die bieten zwar alternativ keinen Garantiezins, dafür aber bessere Renditechancen mit neuen Garantiemodellen für die erwirtschafteten Gewinne.

Von diesen alterativen Lebensversicherungen ohne Garantiezins halte der Verein der Verbrauchschützer aus Hamburg nichts.

Verbraucherverein aus Hamburg empfiehlt „Kopfkissen-Anlage“

“Da wird das Kopfkissen zur echten Alternative”, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg dem Verlag Versicherungswirtschaft in Karlsruhe. Bei der von der Verbraucherschützerin empfohlenen Anlage zur Altersvorsorge gibt es keine Zinsen. Zusätzlich verliert das Geld unter oder im Kopfkissen seinen Wert durch die Inflation. Außerdem entsteht durch einen Einbruch in die Wohnstätte die Gefahr eines Diebstahls – was einem Totalverlust der Altersvorsorge entspräche.

Auch die fondgebundene Lebensversicherung sieht die selbsternannte Expertin Becker-Eiselen kritisch: “Der Kunde trägt das volle Risiko, zudem hat er dabei hohe Kosten und wenig Flexibilität.”

Die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. empfehle Produkte mit kürzeren Laufzeiten – zwischen fünf und zehn Jahren. Die Nachteile bei der Besteuerung einer Altersvorsorge mit einer Laufzeit unter 12 Jahren und ohne Verrentungsoption verschweigt die „Finanzmarktwächterin“.

Verein aus Hamburg als „Finanzmarktwächter“

Im Rahmen des Finanzmarktwächters beobachte der Verein Verbraucherzentrale Hamburg e.V. den Versicherungsmarkt. Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz machte sich, laut einer Pressemitteilung des Vereins, im Juni 2015 selbst ein Bild von der Arbeit des „Finanzmarktwächters“ in den Räumlichkeiten des Hamburger Vereins.

Für eine Untersuchung rufe der Hamburger Verbraucherschützer e.V. Verbraucher bundesweit auf, ihre sogenannten „Standmitteilungen“ von Lebens- und Rentenversicherungen einzusenden, über den Datenschutz verliert der Verein kein Wort. Das ist bei einem Verein auch nicht notwendig.

Der Minister ließ sich bei dem Hamburger Verein über den Aufbau des „Finanzmarktwächters“ und die Situation von Verbrauchern im Versicherungsmarkt informieren, soweit das die Mitglieder und Funktionäre des Vereins konnten.

Bundesminister Maas im Anschluss an das Gespräch: „Der Finanzmarktwächter ist ein wichtiges Projekt, um den Verbraucherschutz in Deutschland zu stärken. Die Hamburger Verbraucherzentrale kümmert sich um den Versicherungsmarkt, für den die Privathaushalte fast 190 Milliarden Euro im Jahr ausgeben, das sind im Durchschnitt über 2.300 Euro für jeden Bürger. Daher ist es richtig, dass der Finanzmarktwächter dieses wichtige Thema für Verbraucher genau untersucht.“

„Als Ergänzung zur staatlichen Aufsicht kann der Verbraucherschutz im Finanzmarkt durch die Marktwächter deutlich effektiver gestaltet werden“, so Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. „Dass die Verbraucherzentrale Hamburg (e.V.) ausgewählt wurde, um den Teilmarkt Versicherungen zu überwachen, unterstreicht die Kompetenz des Teams rund um den Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg, Herrn Dr. Hörmann.“

Dr. Günter Hörmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg e.V.: „Wir setzen uns seit Jahren bis zu den höchsten Gerichten für die Interessen der Versicherungsnehmer ein und freuen uns, als Finanzmarktwächter künftig den Versicherungsmarkt genauer unter die Lupe nehmen zu können.“

Über diesen Dr. Günter Hörmann finden sich bei der Recherche im Internet folgende Informationen:

Ein fünfköpfiger Vorstand der "Verbraucherzentrale Hamburg e.V." sei vor einigen Jahren geschlossen zurückgetreten. Der bisherige Geschäftsführer Dr. Günter Hörmann habe sich durch Satzungsänderung zum alleinigen Vorstand bereit erklärt und diesen Schritt mit der Notwendigkeit der "Unternehmensleitung" begründet. Er habe sich als Allein-Vorstand gleichwohl sein bisheriges Geschäftsführergehalt bis zum Renteneintritt durch einen "Wirtschaftsrat" garantieren lassen, den er durch weitere Satzungsänderung etabliert habe. Das Finanzamt Hamburg habe zeitweilig dem Verein "Verbraucherzentrale Hamburg" die bisherigen Steuerprivilegien entzogen.

Der Verein "Verbraucherzentrale Hamburg" wolle mit der Namensnennung ohne Vereinshinweis den Eindruck größter Seriosität erwecken. Das Weglassen des "e.V." diene alleinig dem Zweck, um sich wie eine Behörde darzustellen.

finanzwelt-Fazit: Deutschland ist das Land der Vereine und das ist auch gut so. Zu jedem Zweck werden Vereine gegründet und viele sind gemeinnützig. Die meisten sind zum Wohle von Mensch, Natur und Umwelt tätig. Bei dem Hamburger Verein, der als „Finanzmarktwächter“ etabliert werden soll, ist das anders. Erstens wurde keine öffentliche Sachkunde nachgewiesen. Zweitens haftet der Verein nicht für seine Ratschläge und Empfehlungen. Das sollte ein Bundesminister zur Kenntnis nehmen und der Verlag Versicherungswirtschaft aus Karlsruhe sollte die Medienmitteilungen dieses Vereins nicht unkommentiert veröffentlichen. Soviel an Verbraucherschutz sollte schon noch möglich sein, oder?

Dietmar Braun