Frau Yellen, heben Sie endlich die Zinsen an

09.11.2015

Die Zinserhöhrung der US-Notenbank ist überfällig.

Die ausgebliebene Zinserhöhung der US-Notenbank im September hat für erhebliche Marktturbulenzen gesorgt. Die Glaubwürdigkeit der Fed wurde leicht beschädigt. Im Jahresverlauf wird die Zinserhöhung nachgeholt. Sie lässt sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln als notwendig, ja sogar als überfällig, beschreiben.

Die Aussichten für das BIP-Wachstum der USA haben sich mit ca. 2,5 % Wachstum im Jahresverlauf 2015 und darüber hinaus stabilisiert. Der US-Arbeitsmarkt ist mit einer Quote von 5,1 % und im Durchschnitt 200.000 neu geschaffenen Stellen pro Monat robust. Es gibt erste Zeichen von steigenden Löhnen (plus 0,32 %) und steigenden Preisen. Hinzu kommt volkswirtschaftlich ein quasi „Konjunkturprogramm" durch gefallende Ölpreise und gefallende Rohstoffpreise. Die negativen Inflationsaspekte der fallenden Rohstoffpreise sind ab 2016 nicht mehr wirksam, sodass negativer Druck auf die Inflation entweicht. Als weiteren volkswirtschaftlichen Aspekt gilt es zu berücksichtigen, dass sich die amerikanischen Konsumenten in den letzten fünf Jahren massiv entschuldet haben. Dies wird im 4. Quartal 2015 und danach zu steigenden Konsumausgaben führen. Daher wird die US-Konjunktur einen ersten Zinsschritt, kombiniert mit einer klaren Kommunikation über den weiteren Verlauf, problemlos verkraften.

Die schlechte volkswirtschaftliche Situation Chinas wird häufig als Argument für eine ausbleibende Zinserhöhung in den USA genannt. Das Land verändert sich von einer reinen Exportwirtschaft zu einer mehr binnenorientierten Wirtschaft. Dieser Übergangsprozess ist mit kurzfristigen Unsicherheiten und Schwankungen an den Märkten verbunden. Unabhängig davon wächst China auch 2016 mit über 6 %. Die Kapitalmärkte haben sich, wenn auch mit stattlicher Hilfe, stabilisiert. Darüber hinaus ist die Fed nicht für weltwirtschaftliche Fragen zuständig, sondern der US-Wirtschaft verpflichtet.

Das Fenster für eine aktive Zinspolitik der Fed ist nicht unbegrenzt offen. Im Herbst 2016 finden die Präsidentschaftswahlen statt. Die Erfahrung zeigt, dass die Notenbanker eigentlich nur bis Mai kommenden Jahres handeln können. Denn in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs ist Zurückhaltung angesagt. Der Fed bleibt also nur ein gutes halbes Jahr, um Handlungsspielraum für spätere Schwächephasen der US-Wirtschaft aufzubauen. Daher bleibt nur ein Resümee. Man möchte Frau Yellen zurufen, „trauen Sie sich endlich, die Zinsen anzuheben".

Autor: Uwe Wiesner, Portfoliomanager der Hansen & Heinrich AG