ESG in der Beratung: noch viel Luft nach oben

26.05.2023

Rechtsanwalt Norman Wirth - Quelle: Retail Distribution Review (RDR) / Hintergrund: © jakkapan - stock.adobe.com

Nur rund jeder zweite Kunde (53 Prozent) ist an Beratung zu nachhaltigen Finanz- und Versicherungsprodukten interessiert und ist bereit über seine Nachhaltigkeitspräferenzen zu sprechen. 22 Prozent wollen hingegen nicht darüber sprechen und jedem vierten Kunden (25 Prozent) ist das ESG-Thema egal. Dieses Stimmungsbild ist ein Ergebnis des 15. AfW-Vermittlerbarometers, für das 1.305 Vermittlerinnen und Vermittler Auskunft im Rahmen einer umfassenden Online-Umfrage erteilten.

Die seit dem 2. August 2022 gesetzlich erforderliche Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen nehmen 40 Prozent der befragten Vermittelnden genauso vor, wie es der Gesetzgeber verlangt. 17 Prozent klären ihre Kunden auch noch darüber hinaus auf. Bei 19 Prozent findet die Beratung zu ESG-Themen erst statt, nachdem die Kunden zunächst die Frage nach Aufklärung verneint hatten. Immerhin jeder achte (12 Prozent) Befragte bekannte, keine Abfrage zu tätigen, weitere 12 Prozent beantworteten die Frage nicht. „Da die Umfrage zu einer Zeit erfolgte, zu der für die Gewerbetreibenden mit Zulassung nach § 34 f Gewerbeordnung, also die unabhängigen Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler, noch keine Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen bestand, ist hier die hauptsächliche Erklärung für die beiden letztgenannten Gruppen zu finden“, sagt Rechtsanwalt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung e.V.

„Wir sehen, dass viele Vermittler sich mittlerweile in die Thematik eingearbeitet haben und die Abfrage nach Nachhaltigkeitspräfenzen in ihren Beratungsprozess integriert haben Schließlich gibt es mittlerweile auch sehr viele Beratungshilfen zu diesem Thema wie zum Beispiel vom Arbeitskreis Beratungsprozesse, dem FNG oder integriert in die DIN für private Haushalte, wo sich der AfW jeweils aktiv mit eingebracht haben“, so Wirth weiter. Schriftliche Fragehilfen werden von 30,6 Prozent der Vermittelnden aktiv in der Beratung genutzt. Noch häufiger werden Software-Tools (41,9 Prozent) und allgemeines Informationsmaterial (34,1 Prozent) verwendet. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage zu Anwendungshilfen zugelassen. Ohne technische Hilfe ist eine rasche Zuordnung der Produkte zu den passenden Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden kaum möglich. Hier sind aktuell noch in erster Linie die Produktgeber gefragt.

Einige weitere Ergebnisse aus dem ESG-Teil des AfW-Vermittlerbarometers:

  • Nur die Hälfte der Vermittelnden (52 Prozent) sieht sich bereits ausreichend zum Thema ESG informiert. Jeder dritte (33 Prozent) antwortet hier mit nein.
  • Immerhin 54 Prozent können ihren Kunden alle drei Fachbegriffe ESG, Taxonomie und Greenwashing erläutern. 32 Prozent haben bei mindestens einem der Begriffe Mühe.

„Die Verankerung der Nachhaltigkeit in der Beratung ist ein Prozess, der Zeit braucht. Die überstürzte und inkonsistente Einführung seitens der Regulierung hat den Start unnötig erschwert. Wir erwarten aber, dass sich in einem Jahr der Kenntnisstand und die Umsetzung in der Praxis bei den Beraterinnen und Beratern deutlich verbessert haben wird“, so AfW-Vorstand Norman Wirth abschließend.