Emerging Markets: interessante Destination für Anleiheinvestoren?

29.09.2023

Vladislav Krivenkov - Foto: © nordIX

In Schwellenländern mit ohnehin schwacher wirtschaftlicher Stabilität hat sich die ökonomische Situation zuletzt nochmals verschlechtert. Das heißt aber nicht, dass Anleiheinvestoren zwingend um die Emerging Markets einen großen Bogen machen sollten. Denn die Schwellenländer sind in zwei Lager gespalten. Besonders interessant ist der Blick auf die BRICS+-Staaten, also die erweiterte BRICS-Gruppe.

In der aktuellen Konjunktur- und Börsenlage richtet sich der Blick vorrangig auf die entwickelten Industrieländer. Im Fokus steht dabei bekanntlich die Entwicklung der Leitzinsen und der Inflation, die sich auf Realwirtschaft und Kapitalmärkte auswirken. Und außerhalb des Blickwinkels die wirtschaftliche Situation vieler Emerging Market-Staaten dramatisch verschlechtert. Das gilt insbesondere für die Schwellenländer, die ohnehin nur über eine schwache wirtschaftliche Stabilität verfügen.

Das wirkt sich auf die Aktivitäten von Anleiheinvestoren aus. In Zeiten optimistisch gestimmter Kapitalmärkte suchten Investoren nach Opportunitäten in Staaten, welche einen ähnlichen wirtschaftlichen Aufschwung vor sich haben könnten, wie einst die sogenannten BRCIS-Staaten, zu denen Brasilien, Südafrika, China, Indien und Russland gezählt werden. In dem Zusammenhang ist Mitte der 2000er Jahre die Kategorie der „Next-11“-Staaten entstanden. Zu diesen gehören die Emerging Market-Staaten Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Südkorea, Türkei und Vietnam.
Die Folgen der konjunkturellen Unsicherheiten der Industrieländer und die weltweiten makroökonomischen Belastungsfaktoren, beispielsweise die Nachwirkungen des Energiepreis-Schocks, schlagen aber aktuell deutlich sichtbar auf die Volkswirtschaften der „Next-11“-Staaten durch.

Einzig Indien läuft aktuell zur Hochform auf

Und auch in den BRICS+-Staaten, also der erweiterten BRICS-Gruppe neuerdings ergänzt um Argentinien, Ägypten, Äthiopien, der Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (also zum Teil „Next-11“-Staaten), ist die konjunkturelle Lage fordernder geworden. Die inflationstreibenden Energiepreise gehen eben auch an Energieträger-exportierenden Ländern nicht spurlos vorbei, und diese Entwicklung beeinträchtigt erwartungsgemäß das Wirtschaftswachstum.

Einzig Indien läuft aktuell zur Hochform auf und wird von immer mehr Marktteilnehmern als das „neue China“ gehandelt. Das erwartete Wirtschaftswachstum von 6,1 % fällt deutlich dynamischer aus als vom Nebenbuhler China, mit dem es nebenbei in Grenzstreitigkeiten verwickelt ist. Hingegen haben Länder wie Südafrika (Leitzins: 8,25 %) als auch Brasilien (Leitzins: 13,25 %) erhebliche Zinssätze festgelegt, um Kapitalflucht und Inflation einzudämmen.

Einige Länder mit nur moderaten konjunkturellen Auswirkungen

Bemerkenswert dabei ist jedoch, dass die Intensität der negativen Auswirkungen ziemlich binär bei den „Next-11“- beziehungsweise BRICS+-Staaten verteilt ist: Zum einen sehen wir Länder, die volkswirtschaftlich besonders stark angeschlagen sind, und zum anderen Länder mit nur moderaten konjunkturellen Auswirkungen. So befinden sich beispielsweise Pakistan und Ägypten in Gesprächen um Hilfskredite mit dem Internationalen Währungsfonds, während für die Türkei eine Inflation von rund 50 Prozent für das Jahr 2023 erwartet wird. Zeitgleich wird Nigeria seit dem Zahlungsausfall des Nachbarlandes Ghana Anfang des Jahres als nächster Ausfallkandidat gehandelt. Dem gegenüber stehen die Länder Südkorea, Indonesien oder auch Vietnam, welche seit Jahresstart moderate Währungsabwertungen zu verzeichnen haben und bei welchen die Inflation für das Jahr 2023 mit „überschaubaren“ 3,5 % bis 5 % geschätzt werden.

Weiter auf Seite 2.