Emerging Markets: interessante Destination für Anleiheinvestoren?
29.09.2023
Vladislav Krivenkov - Foto: © nordIX
Preisstabilität im engen Zusammenhang mit der Währungsstabilität
Die Analyse der Einflussfaktoren der unterschiedlichen Entwicklung der „Next-11“-Staaten zeigt, dass Preisstabilität eine der entscheidenden Voraussetzungen für politische Stabilität darstellt und eine wichtige Grundlage für ein stabiles wirtschaftliches Umfeld bildet. Wie schnell die sich die gesellschaftliche Stimmung in einem Land aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten ändern kann, konnte im vergangenen Jahr an den Bevölkerungsunruhen in Kasachstan, Iran, Sri Lanka und Pakistan beobachtet werden.
Die Preisstabilität steht in der Regel in engem Zusammenhang mit der Währungsstabilität. Deutlich sichtbar wird dieser Zusammenhang aktuell bei Ägypten, Pakistan und der Türkei, deren Landeswährungen seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar zwischen 30 % und 72 % abgewertet haben – bei gleichzeitigen Inflationsraten von mehr als bis 50 % , so die Schätzung des Internationalen Währungsfonds für das laufende Jahr. Die starke Währungsabwertung wirkt sich dabei auf mehreren Ebenen negativ aus: Zum einen kann sie Inflation zusätzlich verstärken („Importierte Inflation“) und zum anderen führt sie zur einer Steigerung Fremdwährungsschulden eines Staates in der jeweiligen Landeswährung. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls. Ein Blick auf den Markt für Credit Default Swaps untermauert diesen Zusammenhang und offenbart für Ägypten, Pakistan und Türkei aktuell eingepreiste Ausfallwahrscheinlichkeiten von 65 %, 99,9 % und 29 % für die nächsten fünf Jahre. An diesen Beispielen wird auch deutlich, dass die Import-Abhängigkeit von bestimmten Gütern wie Rohöl oder Lebensmitteln (siehe Ägypten) die Anfälligkeit für die importierte Inflation weiter verstärkt und damit die Preis- und Währungsinstabilität weiter intensiviert.
Beschreibung „Emerging Market“ kein Indikator für die Kreditqualität eines Staates
Eine vergleichsweise stabile Preis- und Währungsentwicklung weisen hingegen Indonesien, Philippinen und Mexiko aus. Darüber hinaus können sie zum Teil von einzelnen idiosynkratischen Faktoren profitieren. Der starke US-Arbeitsmarkt und die kräftig gestiegenen Gehälter in den USA haben beispielsweise zur Folge, dass die Überweisungen von in den USA lebenden mexikanischen Einwanderern an die in Mexiko lebenden Verwandten kräftig angestiegen sind. Auch in Indonesien und den Philippinen scheint die Konjunktur die aktuellen makroökonomischen Herausforderungen eher robust aufzunehmen. So erwartet der Internationale Währungsfonds für 2023 beispielsweise kräftige reale BIP-Wachstumsraten von fünf beziehungsweise 6% für die beiden südostasiatischen Inselstaaten. Im selben Zeitraum erwartet die europäische Zentralbank für die Eurozone ein Wachstum von lediglich 0,9 %. Diese positiven Konjunkturaussichten in Verbindung mit relativer Preis- und Währungsstabilität wirken sich auch auf die Renditen und Ratings von in Euro denominierten Staatsanleihen dieser Länder aus.
Zusammengefasst bedeutet das: Die Beschreibung „Emerging
Market“ reicht als Indikator für die Kreditqualität eines Staates nicht aus,
denn die aktuellen weltweiten volkswirtschaftlichen Herausforderungen wirken
sich sehr unterschiedlich auf die „Next-11“-Schwellenländer aus. Und auch die
BRICS+-Staaten sind bisher nicht zur vollen Stärke aufgefahren. Echte
Anleihe-Opportunitäten sind daher in diesen Ländern schwer zu erkennen.
Andererseits können einige, vielleicht eher exotisch wirkende Staatenanleihen
können ein besseren Risiko-Profil ausweisen als EU-Staaten. Es kommt für
Anleiheninvestoren also auf eine individuelle Kreditprüfung an.
Das
„Investieren mit der Gießkanne“ erscheint wenig sinnvoll, um echte Chancen zu
eröffnen.
Vladislav Krivenkov ist Portfoliomanager der nordIX AG und für den sicherheitsorientierten Anleihefonds mit täglicher Liquidität „nordIX Treasury plus“ (DE000A2DKRH6) verantwortlich. Das kreditrisikoarme, gegen Zinsänderungen abgesicherte Investment Grade Portfolio kommt aktuell auf eine laufende Rendite von rund 4,5 % pro Jahr.