Ein neues Beteiligungsmodell

07.05.2015

Dr. Claudia Lang

**Verbraucher wünschen sich laut einer TNS-Umfrage im Auftrag des Start-ups Community Life mehr Mitsprache bei der Gestaltung von Versicherungspolicen. 77 % der Befragten wollen in die Verbesserungen von Produkten und Dienstleistungen einbezogen werden. Für die Versicherungswirtschaft sei dies allerdings Neuland, betont **Dr. Claudia Lang, Geschäftsführerin beim Unternehmen.

Sie zweifelten am tatsächlichen Willen und auch an den fachlichen Kompetenzen der Kunden. Darüber hinaus zeigt die Umfrage, dass sich fast jeder zweite Bundesbürger gerne mit anderen zu Vertrags- und Tariffragen austauschen würde. Bei den bis 35-Jährigen sind es sogar zwei Drittel. Nach Ansicht von Community Life sollten Versicherer dieses Potenzial nutzen und die eigene Website zur Dialogplattform ausbauen. Das Start-up bietet bislang online eine BU- und eine Risikolebensversicherung der in Luxemburg ansässigen Swiss-Re-Tochter iptiQ Life SA an. finanzwelt sprach mit Frau Dr. Lang über Partnerschaften und Visionen.

finanzwelt: Mit wie vielen Versicherungsgesellschaften kooperieren Sie mittlerweile?

Dr. Lang: Bisher haben wir einen Partner. Aktuell führen wir Gespräche mit weiteren Versicherern, um den Kreis der Risikoträger zu erweitern.

finanzwelt: Ihr Unternehmen agiert dabei als Versicherungsvermittler?

Dr. Lang: In rechtlicher Hinsicht ist Community Life ein Mehrfachvermittler. Wir decken aber ein breiteres Aufgabenspektrum ab, als Vermittler es üblicherweise tun. Das beginnt schon damit, dass wir die Produkte gemeinsam mit dem Risikoträger entwickeln. Wir haben auch eine Online-Plattform gebaut, welche auch die gesamte Vertragsverwaltung beinhaltet. Denn wir sind für den kompletten Kundenservice zuständig – mit dem Ziel einer langfristigen Kundenbeziehung. Deshalb finanzieren wir uns auch nicht über Abschlussprovisionen, sondern über eine laufende Vergütung.

finanzwelt: Streben Sie mittelfristig auch Kooperationen mit deutschen Versicherern an?

Dr. Lang: Wichtig ist aus unserer Sicht die Qualität der Produkte – insbesondere hinsichtlich der Tarifmerkmale und Verständlichkeit für den Kunden. Jede finanzstarke Versicherung, die diese Qualitätsstandards mitträgt, ist für uns ein potenzieller Partner. Natürlich kommen damit auch deutsche Versicherer in Frage.

finanzwelt: Sie fordern eine stärkere Mitwirkung der Kunden an der Tarifgestaltung. Was kann denn Community Life in dieser Hinsicht bewirken?

Dr. Lang: Wir haben in einer Studie mit dem Marktforschungsinstitut TNS-Infratest herausgefunden, dass viele Menschen an einer Mitwirkung an neuen Versicherungskonzepten interessiert sind. Das wollen wir unterstützen, indem wir für Interessierte auf unserer Webseite ein Ideenpool eingerichtet haben. Das steht auch im Einklang mit unserem Ziel, möglichst kundenfreundliche Versicherungen anzubieten. Wenn Kunden uns ihre Wünsche mitteilen, können wir diese bei der Produktentwicklung mit einfließen lassen. Natürlich müssen die dabei entstehenden Produkte nach wie vor seriös kalkuliert sein.

finanzwelt: Erste Versicherungsunternehmen beteiligen Makler an der Tarifgestaltung. Diese bringen allerdings auch das erforderliche Know-how mit. Was hätten denn die Verbraucher den Produktgestaltern anzubieten?

Dr. Lang: Makler wissen enorm viel darüber, wie Versicherungen bisher gestaltet waren. Sie denken aber auch in diesem Rahmen. Das ist ganz natürlich. Aber Makler sind letztlich nicht die Kunden, sondern nur deren Mittelsleute. Kunden haben möglicherweise völlig andere Ideen, auf die Branchenkenner gar nicht gekommen wären. Dieser neue Blickwinkel hat ein gewaltiges Potenzial, das hat sich bereits in anderen Branchen gezeigt. Denken Sie an die Computertechnik: Wenn Sie vor zehn Jahren über das Stromkabel eines Notebooks gestolpert sind, haben Sie den Rechner vom Tisch gerissen. Heute wird das Stromkabel nicht mehr gesteckt, sondern ist magnetisch befestigt. Bei plötzlichem Zug fällt es ab, der Rechner bleibt wo er ist. Diese Idee kam nicht von genialen Ingenieuren, die genau wissen wie man Computer baut, sondern von Kunden.

finanzwelt: Welche ganz konkreten Mitwirkungsmöglichkeiten räumen Sie den Kunden ein?

Dr. Lang: Konkret können Kunden in der Community Ideen einbringen, sowohl für unser Portal als auch tatsächlich für die vermittelten Produkte. Diese stehen dort offen zur Diskussion und werden verfeinert und weiterentwickelt. Gute Vorschläge, die unser Portal verbessern, können wir in Eigenregie in unseren Entwicklungsplan aufnehmen. Wir haben zum Beispiel schon eine Änderung unserer Webseite aufgrund einer Kundenanregung umgesetzt. Und das drei Wochen nach unserem Start. Ideen, die sich auf Produkte beziehen, müssen natürlich auch von unseren Produktpartnern akzeptiert werden. Im Moment ist das aber noch Zukunftsmusik. Da wir erst vor zwei Monaten gestartet sind, konnte sich noch keine lebendige Community bilden. Bis dieser Open Innovation-Prozess in Gang kommt, wird also sicherlich noch etwas Zeit vergehen.

finanzwelt: In Ihrem Internetauftritt sprechen Sie eine völlig andere Sprache, als dies in Deutschland üblich ist – mal abgesehen von Facebook & Co. oder beispielsweise IKEA. Liegt ein Vertriebsproblem in Deutschland darin, dass junge Menschen sich schlichtweg nicht mehr angesprochen fühlen?

Dr. Lang: Ich würde das nicht so verallgemeinern. Ganz sicher gibt es auch junge Menschen, für die eine traditionelle Ansprache immer noch richtig ist. Aber das ist heutzutage eben nicht mehr die einzige Art, geschäftlich miteinander umzugehen. Das „Du" ist in vielen Branchen üblich, viele Kunden wollen tatsächlich so angesprochen werden. Ein „Sie" gilt ihnen als Zeichen von Distanz. Wir machen jedenfalls sehr gute Erfahrungen mit dieser Art der Ansprache. Und beileibe nicht nur bei Kunden unter 30 Jahren.

finanzwelt: Derzeit können über Sie Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen abgeschlossen werden. Was dürfen wir darüber hinaus künftig noch erwarten?

Dr. Lang: Unser Ziel ist, existenzielle Risiken abzusichern. Mehrere Konzepte dazu sind gerade noch im Entwicklungsstadium. Es ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, um darüber zu sprechen. Sachversicherungen wird es in 2015 sicher noch nicht geben. (hwt)

Interview mit Dr. Claudia Lang - Online-Ausgabe 02/2015