Durchaus optimistisch
09.04.2014
finanzwelt im Roundtable-Gespräch zum Maklermarkt und den Beziehungen zu Produktgebern.
Unsere Teilnehmer (Bi. v. li. nach re.):
- Olaf Maahs, Vorstand captuvîs AG Investmentberatungsgesellschaft
- Günther Müller, Geschäftsführer Maturitas Finanz AG
- Thomas Vogel, Geschäftsführer NPL Select Vertriebsgesellschaft mbH
- Dietmar Schindler, Geschäftsführer OPTIMA Gesellschaft für zeitgemäße Vorsorge mbH
- Reinhard Schmid, geschäftsführender Landesdirektor ESC Euro Service Center GmbH
Die Beziehungen zwischen Maklern und Produktgebern sind schon länger nicht konfliktfrei. Und jetzt auch noch die Diskussion um Abschlussprovisionen und Stornohaftung. Wohin geht die Reise? Viele Branchenbeobachter sagen dem Maklermarkt schwierige Zeiten voraus. Nicht zuletzt, weil die Versicherer kräftig auf die Kostenbremse treten müssen, sollen die Abschlussprovisionen gesenkt und die Stornohaftung verlängert werden. Jetzt will auch noch die Bundesregierung regulierend eingreifen. Zudem fehlt es an Nachwuchs. Immer weniger junge Menschen wählen den Maklerberuf. Wer auch künftig gut positioniert sein will, benötigt eine Strategie und die Bereitschaft zum Risiko.
finanzwelt: Viel ist in den vergangenen Jahren über das Verhältnis zwischen Produktgebern und Vertrieb geredet worden. Der Schweizer Wissenschaftler Dr. Heinrich Anker hat dazu in seinem Buch „Ko-Evolution versus Eigennützigkeit" folgendes Fazit festgehalten: „In der langen Frist werden nicht die kurzfristigen Eigennutzenmaximierer überleben, sondern diejenigen Unternehmen, welche sich daran halten, dass sie dann, wenn sie mit ihren Leistungen ihren Partnern dienen und sie stärken, mit diesen zusammen wachsen und gedeihen." Wie sind Ihre Erfahrungen, hat sich das Denken bei den Produktgebern entsprechend verändert?
Müller: Solche Werte werden offiziell schon vorgegeben und sehen auf Hochglanz-Papier auch ganz toll aus. Aber leider finden sie viel zu häufig nicht den Weg zum Partner und in den Unternehmensalltag – und damit auch zum Kunden – weil sie nicht vorgelebt und mit Leben erfüllt werden.
Maahs: Dem möchte ich teilweise widersprechen. Meine Erfahrungen sind zum Teil andere, einige Produktgeber sehen sich heute mehr als früher als Partner des Vertriebs und sind um ein partnerschaftliches Miteinander bemüht.
Vogel: Wir als Produktgeber teilen die Meinung von Herrn Dr. Anker. Allerdings bedeutet dies für uns auch, dass neben einer modernen Produktentwicklung auch die Kommunikation zwischen uns und unseren Vertriebspartnern eine große Rolle spielt. Für unser Unternehmen bedeutet dies, dass wir unsere engsten Vertriebspartner, mit denen wir zum Teil schon eine langjährige und vertrauensvolle Partnerschaft leben, zum Beispiel bei der Konzeption neuer Produkte mit einbeziehen.
Schindler: Das ist auch meine Beobachtung. Und wenn es mit dem Umsatzerfolg in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht zum Besten steht, wird man als Vermittler schnell aussortiert.
Maahs: Die großen Produktanbieter werden heute als Teile der Finanzindustrie wahrgenommen und verhalten sich oft auch so, eben anonym auch im Kontakt zum Vertrieb. Ich sehe das an Anfragen, die wir an Unternehmen versenden. Sie werden eher schleppend beantwortet. Ich wünsche mir einfach bessere Absprachen und mehr Verständnis von Seiten der Produktgeber. Das muss bei der Entwicklung eines Produkts anfangen. Der Vertrieb kann schließlich am ehesten einschätzen, ob ein Produkt umsetzbar ist und ob die Kunden es überhaupt benötigen und wollen.
Schmid: Das mag durchaus von Geschäftsbereich zu Geschäftsbereich unterschiedlich sein. Ich jedenfalls kann diese negative Einschätzung nicht teilen. Allerdings sehe ich durchaus Probleme im Bereich der Maklerbetreuer.
Vogel: Auch ein Problem unserer Branche: Es gibt kaum noch „regionale Ansprechpartner".
Maahs: Aber die guten Maklerbetreuer sind immer noch die Feuerwehr, die zum Löschen kommen muss, wenn es irgendwo brennt.
Schmid: Sie sind ja auch guten Willens, aber mit Bemühen alleine ist es nicht getan. Der Maklerbetreuer von heute hat doch kaum noch echte Kompetenzen.
Schindler: Vielleicht müssen wir als Vertriebler aber auch stärker auf den Innendienst zugehen. Wir selbst legen sehr viel Wert darauf. Einmal jährlich fahren wir einfach hin, und zwar zum Innendienst jeden Produktpartners.
finanzwelt: Es hakt also offenbar an etlichen Stellen. Hier Fortschritte in der Kommunikation zu erreichen, ist aber doch wohl auch eine Aufgabe der Berufsverbände.
Müller: Ich finde Berufsverbände in der Versicherungswirtschaft schon wichtig, siemüssten nur mehr auf ihre Mitglieder zugehen, damit sie die Meinung ihrer Partner zielgerichtet vertreten können.
Vogel: Darüber hinaus muss die Frage erlaubt sein, welcher Verband wen überhaupt vertritt. Ist der jeweilige Verband für mich eigentlich der richtige Interessenvertreter?
Schindler: Und am Ende kommt dann die Alte-Hasen-Regelung mit der Befreiung von der Prüfung durch die IHK heraus. Was hat diese Regelung mit der tatsächlichen Qualifikation der Alten Hasen zu tun? Viele Nebenberufler verfügen heute doch über mehr Fachwissen als diejenigen, die vor langer Zeit in die Beratung eingestiegen sind.
Müller: Eine gute Ausbildung ist wie in jedem anderen Beruf unverzichtbar. Ich finde es sehr positiv, dass sich hier in den letzten Jahren einiges getan hat. Die Finanzwirtschaft braucht gut ausgebildete Mitarbeiter und kann dadurch auch ihr Image verbessern.
Vogel: Jede noch so lange und perfekte Ausbildung, alle Bildungspunkte dieser Welt dürfen aber doch über eines nicht hinwegtäuschen: Unsere Branche hat ein Imageproblem. In vielen anderen Ländern wird man im Gegensatz dazu für seine Arbeit als unabhängiger Finanzdienstleister geachtet und wertgeschätzt.
Schmid: Dieses Leitbild müssen wir aber tagtäglich vorleben. Vorrangig darf für uns nur sein, dass der Kunde gut beraten wird.
Schindler: Für mein Unternehmen kann ich ganz klar sagen, dass wir von Kundenempfehlungen leben. Und die kommen ja nur, wenn man etwas wirklich gutmacht. Es verwundert mich deshalb nicht, dass jeder Bestandskunde bei uns im Schnitt sechs Verträge abgeschlossen hat.
Müller: Die Zeiten haben sich verändert, der Kunde kann sich heute viel besser informieren. Der Kunde ist König, deshalb muss stärker in die Kundenbindung investiert werden. Softwarelösungen spielen hier eine große Rolle, um Kundendaten zu analysieren. Der Vertriebsmitarbeiter kann so das passende Angebot unterbreiten.
Maahs: Es ist aber auch eine Frage der guten Vernetzung. Mein Unternehmen beispielsweise ist sehr eng mit dem Bundeswehrverband, Hundezuchtverbänden und dem Pferdesport verbunden, in dem wir auch den Nachwuchs fördern. Ich sage deshalb gerne scherzhaft: Wir sprechen auch pferdisch, hundisch und bundeswehrisch, was aber auch für den Zugang in solche Bereiche die Voraussetzung ist.
finanzwelt: Kommen wir zu den leidigen Themen Provisionsdeckelung und Stornohaftung. Stehen Ihnen dabei die Haare zu Berge, oder gibt es auch gute Gründe, die dafür sprechen?
Schmid: Zunächst einmal finde ich die Gedanken ganz o.k. Allerdings sollten die Unternehmen auch bei sich selbstmit dem Sparen anfangen.
Schindler: Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen da ganz energisch widerspreche. Jeder EDV-Experte verlangt 70 bis 90 Euro pro Stunde. Und dann rechnen Sie mal aus, wie viel Sie als Makler im Schnitt für die intensive Beratung eines Versicherungskunden erhalten. Vor allem, wenn Sie den Kunden komplett beraten. Am Ende werden Sie weit darunter liegen. Ich denke nicht, dass dies gerechtfertigt ist.
Vogel: Aber wir sind uns doch sicher einig darin, dass auch hohe Provisionen am Ende immer der Kunde bezahlt. Wir als Produktgeber müssen uns deshalb zukünftig noch mehr über unterschiedliche und nachhaltige Vergütungssysteme Gedanken machen.
Schmid: Alle reden von Provisionen und Provisionsdeckelung. Das Thema Stornohaftung finde ich viel wichtiger. Mit immer längeren Haftungszeiten sinkt automatisch auch die Vergütung. Haftungszeiten zu verkürzen, sehe ich daher als sehr sinnvoll an, und das sollten die Versicherer mal als Aufgabe aufnehmen.
Maahs: Bei zehn Jahren Haftungszeit sind wir, betriebswirtschaftlich betrachtet, klinisch tot. Ohnehin hat die Sache ja noch einen weiteren Aspekt. Die Pools werden von den Produktgebern finanziell gefüttert, und die Vertriebe sollen sich mit den Krumen zufrieden geben. Ich denke, da geht die Wertschätzung für unsere Arbeit gegen null.
Schindler: Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, ob mit diesen gravierenden Einschnitten die kleinen Makler aus dem Markt gedrängt werden sollen. Wobei ich zu bedenken gebe, dass Deutschland hinsichtlich der Abschlussprovisionen europaweit eine Insel ist. Daher werden wir alle uns über kurz oder lang wohl damit anfreunden müssen, dass die genannten Änderungen nicht mehr vermeidbar sind.
Schmid: Schon heute versuchen viele Produktgeber ja, die Provisionen zu drücken. Und ich sage Ihnen deshalb ganz deutlich: Zur Not trenne ich mich dann lieber von dem einen oder anderen Versicherer. Nicht nur, weil ich mich nicht so behandeln lasse, sondern vor dem Hintergrund, dass die Gesellschaft im selben Maß auch mit den eigenen Kunden umgehen würde. Also Leistung verweigern anstatt zufriedene Kunden zu behalten.
Schindler: Stellen wir uns doch mal das Szenario vor, dass es in der Lebensversicherung keine Abschlussprovision mehr gibt, sondern nur noch in der Sachversicherung. Ich kann Ihnen sagen, zu welchem Ergebnis das führen würde. Es wird immer weniger neue und junge Makler geben, weil sie nicht mehr überlebensfähig wären. Schon heute plädiere ich dafür, dass junge Menschen den Einstieg erst einmal für drei oder vier Jahre nebenberuflich wählen. Man muss schließlich erstmal etwas auf der hohen Kante haben, bevor man sich als Makler registrieren lässt. Denn vor dem ersten Geldverdienen steht zunächst die Kundenakquise. Ohne finanzielle Reserven ist der Einstieg in den Maklerberuf doch gar nicht zu schaffen.
finanzwelt: Das sind keine guten Aussichten. Gibt es denn keinerlei Optimismus. Meine Herren, bitte Ihr Ausblick fünf Jahre nach vorne: Wie wird es dann um den Maklerbestand bestellt sein?
Schmid: Acht von zehn der heute noch tätigen Makler werden dann vom Markt verschwunden sein. Allerdings ist das für die Fleißigen eine Riesenherausforderung.
Maahs: Ein Einzelkämpfer, der heute erst in diesen Beruf startet, hat keine Chance mehr. Überleben werden nur die wirklich Guten, also diejenigen mit einer Top-Qualifikation und dem richtigen Geschäftsmodell. Aber im Berufsrisiko liegt gleichzeitig eine große Chance. Am Ende werden die jeweilige Strategie und ein historisch gewachsenes Vertrauensverhältnis zu den Kunden über Erfolg und Misserfolg einer Unternehmung entscheiden. Hier werden maßgeblich die unternehmerischen Lenker gefordert sein, die frühzeitig für ihre Vermittler eine richtungsweisende Strategie entwickeln und bei der Umsetzung eines nie aus den Augen verlieren, was sich auch in hundert Jahren nicht ändern wird: Menschen arbeiten mit Menschen.
Müller: Der Einzelkämpfer wird kaum noch Zukunft haben. Dafür wartet mittlerweile viel zu viel Verwaltungsarbeit auf ihn. Wer aus der Ausschließlichkeitsorganisation kommt, braucht nicht zuletzt deshalb eine Heimat. Die bieten wir ihm.
Vogel: Jeder muss seine bisherige Unternehmens- und Produktphilosophie neu überdenken und gegebenenfalls auch neu definieren. Ich bin aber sicher, dass jeder, der sich den veränderten Beratungsanforderungen seiner Kunden stellt und damit in der Regel auch weiterentwickelt, eine reelle Chance als Marktteilnehmer haben wird. Jungen Berufsanfängern würde ich jedenfalls empfehlen, ihre Ausbildung oder ihren Start ins Berufsleben nach dem Studium bei einem Produktgeber oder einem größeren Finanzdienstleister zu absolvieren. Aber da Sie noch nach einer optimistischen Aussicht fragen – der Markt wird unabhängige Vermittler immer brauchen.
Schindler: Ich bin da ohnehin etwas anderer Ansicht als die vier Herren. Wer gerne mit Menschen arbeitet, wird in diesem Beruf immer eine Zukunft haben. Es wird sicherlich zu einer Marktausdünnung kommen, doch gerade deswegen wird der Nachwuchs eine Chance haben. Aber eben nur unter der Voraussetzung, dass Kapital vorhanden ist.
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Fazit**
Allen offiziellen Bekundungen zum Trotz schaffen es viele Produktanbieter noch nicht, die Wertschöpfungskette zwischen Produktentwicklung und Produktverkauf nahtlos zu bedienen. Das führt im Vertrieb zu ziemlichem Frust. Der sich zudem noch mit der Frage herumschlagen muss, wo künftig überhaupt noch sein Platz sein wird. Dennoch gibt es gute Gründe für Optimismus. Denn letztlich entscheiden noch immer gut beratene Kunden, wen sie als Partner haben wollen. (hwt)