Die Value-Rally in den USA: Jetzt zählt Qualität

08.11.2021

Eric Papesh - Foto: © T. Rowe Price

Angesichts des beispiellosen Ausmaßes der Coronavirus-Pandemie ist bemerkenswert, wie stark sich das amerikanische Wirtschaftswachstum im Jahr 2021 erholt hat. Der US-Aktienmarkt hat ebenfalls kräftig zugelegt und in nur wenigen Quartalen frühere Höchststände übertroffen, wobei einige Unternehmen Anfang 2021 Ergebnisse gemeldet haben, die nah an ihren Bestmarken lagen.

Eines der vorherrschenden Marktthemen, das sich Ende 2020 abzeichnete und sich bis Anfang 2021 fortsetzte, war die starke Hinwendung zu Value-Aktien auf Kosten wachstumsorientierter Titel mit hohem Preisniveau. In jüngster Zeit hat sich der starke Impuls für Value-Unternehmen jedoch abgeschwächt, so dass manche meinen, die "große Value-Aktienrotation" sei bereits vorbei. Doch diese Ansicht könnte verfrüht sein.

Sicherlich hatten wirtschaftlich sensiblere Aktien zu Beginn des Jahres einen starken Lauf, nachdem sie sich von historisch niedrigen Niveaus erholt hatten, so dass ein Rückschlag im Value-Segment nicht völlig überraschend kam. Doch die fundamentale Landschaft hat sich nicht wesentlich verändert.

Für viele Unternehmen ist in Zukunft eine weitere nachhaltige Verbesserung zu erwarten. Innerhalb des Value-Segments sollte sich der Fokus der Anleger allmählich von frühzyklischen und Deep-Value-Unternehmen auf qualitativ hochwertigere Value-Aktien verlagern, die nächsten Nutznießer des Wirtschaftszyklus.

Längerfristig könnten die folgenden vier Schlüsselfaktoren den Ausblick für US-Value-Aktien entscheidend beeinflussen:

Wachstum und Inflation

Die US-Wirtschaft erholt sich weiter, und die Konsenserwartungen für ein Wachstum in der Größenordnung von sieben bis acht Prozent im Jahr 2021 stellen eine robuste und widerstandsfähige Trendwende dar. Sicherlich hat dieser Anstieg des Wirtschaftswachstums damit zu tun, dass er von einer niedrigen Basis ausging, nachdem das Wachstum in den USA 2000 praktisch zusammengebrochen ist. Es ist jedoch auch erwähnenswert, dass der Konsens für 2022 ein weiteres Jahr mit ähnlichem Wachstum erwartet, so dass der Spielraum für ein über dem Trend liegendes Wachstum in diesem Stadium angemessen erscheint.

In Anbetracht der beispiellosen Ereignisse des vergangenen Jahres war allerdings von vornherein davon auszugehen, dass die Erholung nicht linear verlaufen, sondern eher durch Schwankungen gekennzeichnet sein würde, die mit dem sich ändernden Vertrauen und der Stimmung der Anleger zusammenhingen. Der derzeitige Anstieg der Inflation in den USA ist ein gutes Beispiel dafür.

Auch wenn ein deutlich höheres langfristiges Inflationsniveau unwahrscheinlich ist, gibt es einige aktuelle Inflationselemente, die sich die sich als "hartnäckiger" erweisen und längerfristig einen Aufwärtsdruck erzeugen werden. So dürfte beispielsweise die massive Unterbrechung der globalen Lieferketten nur von kurzer Dauer sein. Andererseits sollten zwei andere wichtige Inflationsquellen – steigende Kosten für Wohnraum und Arbeitnehmerlöhne – auch in den nächsten Monaten eine wichtige Rolle spielen.

Performance der einzelnen Wirtschaftszweige

Die jeweilige Leistung von Value- und Growth-orientierten Branchen in verschiedenen Phasen des Wirtschaftszyklus dürfte im kommenden Jahr und darüber hinaus eine wichtige Rolle spielen. Im Großen und Ganzen liegt der Hauptunterschied zwischen den beiden Anlagebereichen in der hohen Allokation in den Technologiesektor für Growth-Investoren gegenüber einer ähnlich hohen Allokation in Finanzwerte bei Value-Investoren. Growth-Investoren werden höchstwahrscheinlich in dem Maße besser als Value-Investoren abschneiden, in dem Technologiewerte outperformen, während das Gegenteil der Fall ist, wenn sich Finanzunternehmen besser entwickeln. Historisch gesehen haben Value-orientierte Bereiche in der Regel in den früheren Phasen der wirtschaftlichen Erholung und in Zeiten höherer Inflation oder steigender Anleiherenditen am besten abgeschnitten.

Innovation

Innovation ist ein Konzept, das eher mit Growth-orientierten Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Es lohnt jedoch, den säkularen Wandel zu verstehen, der sich auf dem Gesamtmarkt vollzieht, sowie die potenziellen Risiken und Chancen auf Unternehmensebene zu beurteilen.

Vielversprechend erscheinen insbesondere innovative Unternehmen, die aufgrund kurzfristiger Gegebenheiten in der Investorengunst gesunken und somit attraktiv bewertet sind. Microsoft ist ein Beispiel: Zwischenzeitlich war der Konzern bei Anlegern in Ungnade gefallen, weil sowohl die Produktpalette als auch die Qualität der Produkte hinter denjenigen der großen Konkurrenten wie Apple und Alphabet zurückgeblieben waren. Entsprechend sank die Bewertung. Seither hat Microsoft stark in die Verbesserung der Produktpalette investiert, ist strategische Partnerschaften eingegangen, um den Markt für diese Produkte zu erweitern und hat sich neue, wachstumsstarke Geschäftsbereiche erschlossen, wie etwa Cloud-Systeme und -Dienste.

Stimmung

Vom dritten Quartal 2020 bis zum Ende des ersten Quartals 2021 erlebten wir einen sehr starken, auf Value ausgerichteten US-Aktienmarkt. In jüngster Zeit scheint sich die Stimmung gegenüber Value-Unternehmen jedoch wieder geändert zu haben, zumal einige der stärkeren Value-Bereiche einen Großteil ihrer Vorjahresgewinne wieder abgeben mussten.

Dennoch sind innerhalb der Value-Landschaft erste Anzeichen der erwarteten Rotation zu beobachten, bei der sich die Anleger aus billigeren, wirtschaftlich anfälligen Value-Bereichen zurückziehen und stattdessen in qualitativ hochwertigere Value-Unternehmen umschichten. Angesichts der volkswirtschaftlichen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Unternehmensqualität künftig einen erheblichen Einfluss auf die Wertentwicklung von US-Value-Aktien haben wird. Letztlich geht es darum, über einen potenziell längeren Zeitraum von den Erträgen zu profitieren, wenn sich die Fundamentaldaten der Unternehmen verbessern und sich das Gewinn- und Cashflow-Wachstum in einer höheren Bewertung niederschlägt.

Gastautor: Eric Papesh, Produktspezialist US Large Cap Value Equity Strategy bei T. Rowe Price