Die große Wette der BoJ

27.09.2016

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock

Da soll noch einer sagen, die Bank of Japan sei nicht kreativ. Sehr zur Überraschung vieler Marktteilnehmer, die eher auf eine Ausweitung der von der Zentralbank angekauften Anlageprodukte gesetzt hatten, stellte Notenbankgouverneur Haruhiko Kuroda eine komplett neue geldpolitische Strategie vor. Kernelemente sind der Verzicht auf ein festes Inflationsziel, sowie die Deckelung des 10 Jahres-Zinses.

Statt genau 2 Prozent Inflation bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (bis dato 2018) anzupeilen, bekennt sich die BoJ jetzt dazu, diese Marke möglichst bald nicht nur zu erreichen, sondern sogar zu überschießen. Explizites Ziel der Notenbank ist es, einen steileren Verlauf der realen Zinsstrukturkurve hinzubekommen. Dies soll es den Banken wieder ermöglichen, mit Fristentransformation Geld zu verdienen. Über den Sommer hatte eine Verflachung der Kurve dies zunehmend unmöglich gemacht. Und da man vermeiden möchte, dass über eine Verschiebung der gesamten Kurve nach oben wirtschaftliche Aktivität eingeschränkt wird, sollen steigende Inflationserwartungen für ein möglichst niedriges Niveau der realen Zinsen sorgen.

Die Uneinigkeit im Federal Open Market Committee (FOMC) der US-Notenbank wird immer deutlicher. Drei der stimmberechtigten FOMC-Mitglieder stimmten letzte Woche für eine Zinsanhebung, und damit gegen den von Fed-Chefin Janet Yellen bevorzugten Kurs. Diese sagte zwar, die ökonomischen Voraussetzungen für eine weitere Normalisierung der Gelpolitik hätten sich verbessert, die Fed wolle aber vor allem bei der Inflation weitere Fortschritte sehen, bevor die den nächsten Zinsschritt mache. „Falls keine neuen großen Risiken hinzukommen und alles auf Kurs bleibt", so Yellen, könne im Dezember der lang erwartete nächste Schritt folgen. Damit läge dann ein volles Jahr zwischen der ersten und zweiten Zinsanhebung, für die Fed ein historisch zurückhaltender „hiking cycle".

Eine große Rolle spielt erwartungsgemäß die anstehende Präsidentschaftswahl. Nur noch sechs Wochen sind es bis zum Wahltag, und angesichts nahezu gleichauf liegender Kandidaten in den landesweiten Umfragen läuft die Entscheidung über den Wahlausgang immer mehr auf die großen Swing States hinaus. Besonders wer die 29 Wahlmänner Floridas hinter sich bringt, könnte ausschlaggebend sein. Zur Zeit liegt Donald Trump im Sunshine State, einem Rentnerparadies mit vielen weißen, traditionell Republikaner wählenden Pensionären, hauchdünn vorn. Für Hillary Clinton spricht die ebenfalls in Florida überproportional vertretene Gruppe lateinamerikanischer Einwanderer, eine traditionell den Demokraten zugeneigte Gruppe. Entscheidend für Florida (und damit möglicherweise für den gesamten Wahlausgang) könnte also sein, wer seine Gefolgschaft möglichst geschlossen hinter sich bringt. Auch die TV-Duelle (der Ausgang des gestrigen ersten Duells lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor) werden im fernsehverrückten Amerika eine große Rolle spielen. Zwar gilt Clinton als fachlich haushoch überlegen, aber Trump verfügt über jahrelange Bildschirmerfahrung als Präsentator einer Unterhaltungsshow. Das Ergebnis gilt somit also als völlig offen.

Was bedeutet das für Anleger?

Anleger verfolgen all dies mit bemerkenswerter Entspanntheit. Allein die letzte Woche verzeichnete für europäische Aktien ein Plus von 3,3 Prozent, bei sehr niedriger Volatilität, und das, obwohl neben widersprüchlichen Makrodaten auch die beiden wichtigen Zentralbankentscheidungen auf der Agenda

standen und außerdem Donald Trump in den Umfragen gefährlich nahe an seine Konkurrentin heranrückte. Zur Zeit scheinen insbesondere die Märkte für Risikoanlagen positiv gestimmt zu sein, was sich neben den Bewertungen für europäische Aktien auch an Engagements in Schwellenländern zeigt. Damit dies weiter so bleibt, sollten vor allem vonseiten der Zentralbanken keine unangenehmen Überraschungen kommen.

In dieser Woche verspricht der Ifo-Index einen Stimmungstest für die deutsche Volkswirtschaft. Der Marktkonsens rechnet mit einem kleinen Plus, allerdings dürfte nur eine markante Abweichung von dieser Schätzung für signifikante Kursausschläge genügen. Wichtiger ist wohl der Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben der US-Haushalte, und zwar in seiner Kernversion, also ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise. In den letzten Monaten war dieses Maß bei 1,6 Prozent stehen geblieben, was die Befürchtung weckt, dass auch in den USA trotz gut laufender Arbeitsmärkte immer noch kein Inflationsdruck entsteht. Sollte sich auch in den folgenden Monaten keine Aufwärtsentwicklung einstellen, könnte der von der Fed anvisierte Zinsschritt im Dezember gut noch einmal ins Wackeln kommen. Die Märkte, allen voran in den Schwellenländern, würden es wohl gern hören.

Aktueller Blick auf die Märkte von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich und Osteuropa

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