Der Beamten-Dreisatz: Traditionelle Denkmuster und ihre Auswirkungen

10.06.2024

Markus Richert. Foto: © Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH

In der Welt der Floskeln gibt es einige, die uns ein Leben lang begleiten. Besonders bekannt ist der sogenannte „Beamten-Dreisatz“ – eine Abfolge von Totschlagargumenten, die sich seit Generationen bewährt haben. Die erste Regel lautet: „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Gefolgt von der zweiten Regel: „Das haben wir noch nie gemacht!“ Die dritte Regel variiert je nach Perspektive: „Da könnte ja jeder kommen!“ – hier spielt die hierarchische Stellung eine wichtige Rolle für den Erfolg.

Der Mensch ist von Natur aus ein Gewohnheitstier und neigt dazu, sein erprobtes Verhalten nur ungern zu ändern. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wurde durch zahlreiche psychologische Studien untermauert. Einer der bedeutendsten Beiträge zu diesem Verständnis stammt von dem amerikanischen Psychologen Harry Harlow, der in den 1950er Jahren durch seine Affenexperimente bahnbrechende Erkenntnisse über Verhaltensmuster und Konditionierung lieferte.

Das Fünf-Affen-Experiment

Harlow ist insbesondere für das sogenannte Fünf-Affen-Experiment bekannt, das oft zitiert wird, um die menschliche Neigung zur Gewohnheit zu illustrieren. In diesem Experiment werden fünf Affen in einen Käfig gesetzt, in dem eine Banane an einer Schnur hängt, die nur über eine Leiter erreicht werden kann. Jedes Mal, wenn ein Affe versucht, die Leiter zu erklimmen, werden alle Affen mit kaltem Wasser bespritzt, bis keiner der Affen mehr versucht, die Banane zu erreichen. Wenn neue Affen in den Käfig gesetzt werden, hindern die erfahrenen Affen die Neulinge daran, die Leiter zu benutzen, obwohl diese niemals mit Wasser bespritzt wurden.

Verhaltensmuster und Gruppenkonformität

Obwohl es wahrscheinlich ist, dass dieses Experiment in dieser spezifischen Form nie durchgeführt wurde, fasst es dennoch die Ergebnisse vieler einzelner Versuche zusammen und verdeutlicht die Prinzipien der Konditionierung. Das 5-Affen- Experiment illustriert eindrucksvoll, wie tief verwurzelte Verhaltensmuster und Gruppenkonformität die Handlungen von Individuen beeinflussen können, selbst wenn der ursprüngliche Grund für das Verhalten nicht mehr vorhanden ist. Diese psychologischen Mechanismen erklären, warum Menschen oft an traditionellen Vorgehensweisen festhalten und Veränderungen mit Skepsis begegnen.

Das Anlageverhalten deutscher Sparer

Ähnlich wie die Affen im Käfig verhalten sich viele deutsche Anleger. Generationen von Sparern setzen auf Bausparverträge, Festgeldanlagen und Kapitallebensversicherungen, während Aktien konsequent gemieden werden. Dieses Verhalten wird unbeirrt an die nächste Generation weitergegeben, unabhängig von Veränderungen in der Finanzwelt. Trotz negativer Realzinsen halten viele an Festgeld- und Tagesgeldanlagen fest. Bei weiter fallenden Realzinsen wird das Sparguthaben irgendwann in Bargeld umgewandelt und zu Hause gelagert – das sogenannte „Matratzengeld“.

Immobilien als bevorzugte Anlageform

Viele Anleger flüchten in Immobilieninvestitionen, unabhängig von Krisen und Preisblasen. Immobilien werden als sichere Anlage betrachtet, obwohl sie teurer als Aktien sind und oft keine rentablen Renditen mehr bieten. Immobilien in Top-Städten kosten das 30-Fache der jährlichen Nettokaltmiete, was die Erzielung vernünftiger Renditen erschwert. Trotzdem investieren viele weiter in Immobilien, getreu dem Motto: „Das haben wir immer so gemacht.“

Aktien als alternative Anlage

Aktien haben sich in den letzten Jahren stetig erholt und notieren aktuell auf historischen Höchstständen. In Deutschland hat der MDAX neue Rekordniveaus erreicht, und auch der DAX steht derzeit über der Marke von 18.000 Punkten. Trotz der aktuellen Wirtschaftslage bleiben Aktien eine äußerst attraktive Anlageoption. Langfristige, ertragsreiche Investitionen sind kaum ohne Aktien möglich. Der Rat der Experten an Anleger war selten so einstimmig: Aktien sind derzeit alternativlos. Doch auch hier könnte der Beamten-Dreisatz lauten: „Da könnte ja jeder kommen!“

Die Rolle der Generation Z: Unvoreingenommenheit als Chance

Der „Beamten-Dreisatz“ zeigt, wie schwer es ist, alte Gewohnheiten zu ändern, besonders in der Verwaltung und bei Geldanlagen. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten und niedriger Realzinsen ist es entscheidend, neue Wege zu gehen. Die Generation Z, digital aufgewachsen und technikaffin, reagiert schnell auf Veränderungen und passt sich leicht an. Ihre Offenheit für Neues kann ältere Generationen inspirieren, traditionelle Methoden zu überdenken. Von der Generation Z können wir lernen, flexibel zu sein und Innovationen zu begrüßen. Ihre unvoreingenommene Herangehensweise bietet eine wertvolle Chance, alte Muster zu durchbrechen und sich besser an die sich wandelnde Welt anzupassen.

Gastbeitrag von Markus Richert, CFP und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln