Das finde ich gut, das hat Zukunft

22.07.2024

Alle Fotos: Sabrina Henkel / fw

Sachwerte sind vielseitig und mittlerweile über Tokenisierung oder klassischem Crowdinvesting für jedermann zugänglich. Diese Vielseitigkeit spiegelt sich auch im finanzwelt-Roundtable wider. Helmut Schulz-Jodexnis ist Prokurist bei der Jung, DMS & Cie. AG und leitet dort den Produktbereich Sachwerte und Immobilien. Jörg Busboom ist Geschäftsführer bei der ÖKORENTA GmbH, einem, wie der Name schon verrät, Spezialisten für Nachhaltigkeitsinvestments und Impact Investing. Herbert Behr ist CEO der GOLDEN GATES AG und Experte für Direktinvestments in Edel- und Technologiemetalle, bietet aber auch unter anderem Goldsparpläne an. Philip Filhol verantwortet die Projekte und Produkte bei der Gubbi AG, welche Sachwertinvestments digitalisiert und damit die finanzielle Einstiegsschwelle senkt. Und last, but not least Christoph Rehmann, Geschäftsführer der MyHouse Vertriebsgesellschaft mbH, einem auf Wohnen spezialisierten Anbieter für Immobilieninvestments.

finanzwelt: Bevor wir über das Thema Sachwerte sprechen, würde ich gerne mit Ihnen über das Thema „Financial Behavior“ diskutieren. Denn das ist ja etwas, mit dem wir, wenn wir über Altersvorsorge oder Investments reden, immer wieder zu tun haben und dass die Deutschen, getrieben aus Angst, manchmal auch aus Gier, immer zu spät handeln: Sie kaufen zu spät und verkaufen zu spät. Beim Höchststand wird gekauft und dann bricht es mal kurz ein und dann wird in Panik verkauft. Haben Sie da ähnliche Erfahrungen gemacht oder ist das wirklich nur ein Klischee?

Helmut Schulz-Jodexnis: Aber klar machen viele diese Erfahrung. Wir sehen jetzt bei Gold gerade wieder eine Riesenralley. Alle fragen danach. Und an den Börsen ist es ähnlich. Die Anleger kommen, wenn sie Gewinne mitnehmen wollen, nicht rechtzeitig raus, bleiben aber auch nicht drin, wenn es mal abwärts geht mit den Kursen, obwohl es ja einen guten Effekt hätte, wenn sie langfristig drin bleiben würden. Lässt sich das verhindern? Da spielen die Berater wirklich eine ganz wichtige große Rolle.

finanzwelt: Darauf komme ich gerne noch mal zurück, inwieweit der Vermittler den Kunden besser beraten kann. Denn – fünf Euro ins Phrasenschwein – Zeit schlägt Zeitpunkt. Aber es ist ja oft nicht nur der Zeitpunkt das Problem. Oft und gerade bei jungen Menschen kommt erschwerend hinzu, dass sie sich ihr eigenes Bild machen wollen und dann mit ihrem ungesunden Halbwissen handeln. Im besten Fall kaufen sie ETFs blind einfach über die Strecke hinweg. Im schlechtesten Fall kaufen sie Bitcoins, einfach weil sie glauben, es zu verstehen und weil sie es cool finden. Der Vertrieb darf und sollte High-Risk-Anlagen wie Bitcoins, Futures oder Zertifikate nicht machen. Aber wenn er sieht, dass seine Kunden das machen, weil sie sich davon große Gewinne erhoffen, sollte er dann eingreifen? Wie müsste der Vertrieb da vorgehen?

Schulz-Jodexnis: Natürlich haben wir Kunden, die zum Teil gute Erfahrungen machen mit Kryptowährungen wie z. B. Bitcoins, was dann auch sehr stark untereinander kommuniziert wird, auch über Affiliate-Links und ähnliche Dinge, um mal ein Beispiel für die Verbreitung zu nennen. Trotzdem machen sie auch schlechte Erfahrungen. Schneeballsysteme beispielsweise oder zu viel gepushtes Mining mit anschließendem Kursverfall.

finanzwelt: Viele Kryptowährungen oder auch Wallets funktionieren nur mit Schneeballsystem.

Schulz-Jodexnis: Ja, und das muss dem Kunden bewusst sein. Das Mining wird gepusht, und den Letzten beißen dann die Hunde. Aber auch die langlebigen Systeme wie Bitcoin oder Ethereum sind extrem volatil. Das muss man dem Kunden erklären, damit er dann selber entscheiden kann, ob er das beimischen will.

finanzwelt: Ja, beimischen allenfalls. Für mich persönlich ist diese Beimischung ungefähr so attraktiv wie die 3er-Wette bei Pferderennen oder im Roulettespielen im Casino. Aber allein die Tatsache, dass man bei Bitcoins über Nacht 10 bis 15 % Vola hat… da könnte ich nicht schlafen. Aber gut… Der Vertrieb muss seinen Kunden an die Hand nehmen und aktives Portfoliomanagement betreiben. Nicht wie früher einen LV-Mantel, dann einen damals gut performenden Fonds reingepackt und das war‘s dann. Das wurde bis zum Renteneintritt des Kunden nicht mehr angefasst. Ist da mittlerweile beim Vertrieb auch eine Kehrtwende eingetreten?

Schulz-Jodexnis: Ja, das beschriebene Vorgehen kommt noch aus einer Zeit, in der wir diese starken Investment-Berater hatten, die jeden Fonds selbst bewertet haben. Aber es ist inzwischen ein Zeitproblem geworden. Deswegen werden bei uns verstärkt Vermögensverwaltungslösungen in Anspruch genommen. Weil die Vermögensverwalter das Portfolio aktiv managen und anpassen. Zusätzlich können die Kunden dann am besten noch parallel in entsprechende Sachwerte investieren.

finanzwelt: Meine Frage an die beiden Produktgeber ÖKORENTA und GOLDEN GATES: Haben Sie Vertriebe, die nur Ihre Produkte vermitteln oder nur auf Sachwerte spezialisiert sind? Oder haben Sie Vertriebe, die wirklich alles und allumfassend beraten?

Jörg Busboom: Von bis natürlich. Wir haben sicherlich nicht so viele Vertriebe, die auch Versicherungsprodukte verkaufen. Das ist nicht der Schwerpunkt. Und die meisten unserer Vertriebspartner sind ausschließlich im Sachwertebereich unterwegs. Aber es gibt auch welche, die zudem Investmentprodukte verkaufen. Da gibt es eine große Bandbreite. Aber zur vorherigen Frage: Welche Aufgabe hat der Vermittler? Wir machen vielleicht einen Denkfehler, weil wir nämlich glauben, dass alle Menschen überhaupt einen Vermittler haben. Ich glaube, gerade die jungen Menschen sind heute sehr viel eigenständiger unterwegs und suchen sich keinen Vermittler mehr, der für sie eine Vorauswahl trifft oder sie berät. Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die eigentlich erreichen, um sie gut zu beraten und vor Fehlern zu bewahren. Und wie erreichen wir junge Menschen? Weil diese jungen Menschen sehr viel anders an diese Themen in der Kapitalmarktwelt herangehen als das die Generation tut, zu der ich gehöre. Und da spielen Immobilien oder Sachwerte kaum mehr eine Rolle.

finanzwelt: Interessant, dass Sie das gerade sagen, weil ich dachte, dass Sie mit Nachhaltigkeit und Impact Investing vielleicht eher das junge Publikum erreichen. Aber möglicherweise liegt es an der für junge Menschen eher abschreckenden Mindestbeteiligung? Darüber reden wir gleich noch. Eventuell sind Gold oder technische Metalle ein Thema, das die junge Generation interessiert? In Asien, aber auch in Süd- und Osteuropa, sind junge Menschen durchaus goldaffiner als hierzulande. Oder, Herr Behr?

Herbert Behr: Ja, das ist auch so, aber eigentlich ist das Thema Gold unabhängig von der Altersgruppe. Wir sind auch in Ungarn und anderen Ländern in Osteuropa mit dem Thema   beschäftigt. Da gibt es schon eine sehr starke Affinität, auch bei der Jugend. Das gehört schon mit zur Kultur. Aber vielleicht noch zu der Frage zum Vertrieb: Bei unserem Vertrieb sind unsere Assets Edel- und Industriemetalle bei den meisten Vermittlern ein Beiprodukt. Das heißt, es gibt keinen, der ausschließlich nur unsere Produkte verkauft. Der Vertrieb hat als Zusatzprodukt das Thema Edelmetalle. Und das kann auch nur aktuell 20 bis 30 % desVermögens sein. Aber es wäre mal an der Zeit, mit diesen Themen anders umzugehen. Teilweise versteht es der Vermittler nicht, teilweise versteht der Kunde nicht, was Edelmetalle eigentlich bedeuten. Meiner persönlichen Meinung nach liegt es daran, dass es keiner gelernt bzw. sich intensiv damit beschäftigt hat.

finanzwelt: Ja, auch bei Gold schlägt Zeit den Zeitpunkt. Aber ich wollte noch mal auf ESG zurückkommen. Eigentlich ist das ein Thema, was die jungen Menschen eheranspricht. Aber die investieren lieber in Tesla als in den ÖKORENTA, oder? Warum? Erstens natürlich ein bisschen weniger der Wandelbarkeit und der höheren Mindestbeteiligung wegen. Aber vor allen Dingen, glaube ich, weil das für diese Generation mehr sexy ist, oder?

Schulz-Jodexnis: Es ist tatsächlich auch eine Frage dieser Investitionsgrößen. Das Problem ist ganz einfach, dass die jüngere Generation im Schnitt wenig Sparvolumen hat. Daher haben wir bei Sachwerten mehr die Generation, die schon Vermögen aufgebaut hat. Das Haus ist schon bezahlt und es wurde Geldvermögen aufgebaut. Seit die Banken zum Beispiel das Sachwertegeschäft nicht mehr aktiv machen, muss der freie Vertrieb im Prinzip selbst losgehen, um diese Kunden zu gewinnen. Das Interessante ist aber, wenn Sie die Kunden ansprechen, dann sagen alle: ‚Ich finde es toll, dass mir das jemand mal vorstellt, diese Investitionsmöglichkeiten hat mir vorher keiner gezeigt‘. Das heißt, der Kunde erfährt heute teilweise gar nichts von den Angeboten.

finanzwelt: Ich wollte noch mal auf das Thema Impact Investing zu sprechen kommen. Wenn ich etwas Gutes tun will, kaufe ich doch keine Tesla-Aktien, wo ich nur Geld hin- und herschiebe, sondern investiere in etwas, was neu gebaut wird und einen Impact hat.

Busboom: Aber da gibt es tatsächlich die große Hürde einer Mindestbeteiligung. Bei uns ging es in der Vergangenheit immer bei 10.000 Euro los. Das heißt, für viele junge Menschen waren wir einfach noch gar nicht im Fokus.

finanzwelt: Damit kommen wir zu Ihnen, Herr Filhol, weil ich glaube, dass es natürlich ein großer Vorteil wäre, wenn man solche tollen Produkte für jedermann demokratisieren kann. Die Versuche waren ja immer da. Aber meist zu teuer oder zu ineffektiv. Und jetzt kommen Sie als Dienstleister für Digital Assets, und Sie könnten ja im Grunde genommen die schöne Assetklasse der Sachwerte demokratisieren, oder?

Philip Filhol: Ganz genau. Insbesondere für illiquide Sachwerte birgt die Blockchain-Technologie ein besonders hohes Potenzial. Durch die Tokenisierung können wir die Einstiegshürden deutlich senken und dies wird sicherlich besonders für die junge Generation das Thema Sachwerte interessanter machen. Aktuell sind Sachwerte in den Portfolios junger Anleger deutlich unterrepräsentiert. Die neue Generation von Anlegern legt einen hohen Wert auf Convenience beim Investieren, also auf digitale und unkomplizierte Prozesse und dies muss auch für eine Investition in Sachwerte sichergestellt werden, wenn man neue Anleger für das Thema begeistern möchte. Die momentanen Versuche, im Sachwertbereich den Kreis der Anleger zu erweitern, packen die Themen Convenience und Digitalisierung oft nicht konsequent genug an. Ein positives Beispiel hingegen sind hier die Anbieter von Kryptowährungen. Beim Kryptomarkt benötigt der Anleger nur ein internetfähiges Gerät und kann innerhalb weniger Minuten bereits mit wenigen Euro einen Bruchteil eines Bitcoins erwerben. Dies ist sicherlich ein Grund für die hohe Durchdringung dieses Themas in der jüngeren Anlegergeneration.

finanzwelt: Ich finde, Investieren ist immer sexy. Und je einfacher das geht, desto mehr.

Filhol: Nicht zu vernachlässigen ist auch die Identifikation mit einem Produkt bzw. Finanzprodukt. Ich kaufe eine Apple- oder Tesla-Aktie, weil ich von den Produkten des Unternehmens überzeugt bin. Diese Identifikation mit der Marke und ihrer Produkte ist Teil der Entscheidung, über eine Aktie in das Unternehmen zu investieren. Auch hier können Anbieter von Sachwert-Investments bei der Ansprache von neuen Anlegern noch viel verbessern und darauf reagieren, dass die Art, wie Investment-Entscheidungen getroffen werden, sich zwischen den Generationen unterscheidet. So haben jüngere Anleger ganz andere Motive bei ihren Investment-Entscheidungen als die ältere Anlegergeneration.

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