US-Wahl: Nerven behalten

09.11.2016

Stefan Kreuzkamp

Am Ende war es eine ziemliche Zitterpartie. In einigen Staaten geht die Stimmenauszählung weiter. Aber zum aktuellen Stand scheint eine Mehrheit für Donald Trump im Wahlmännergremium (Electoral College) gewiss. Es sieht wahrscheinlich so aus, dass die Republikaner ebenfalls eine klare Mehrheit im Repräsentantenhaus und eine knappe im Senat behalten.

Auswirkungen auf den Markt

Donald Trumps absehbarer Sieg hat die Finanzmärkte überrascht. Die Aktienbörsen in Europa und Asien gerieten in Folge dessen unter Verkaufsdruck. Im S&P 500 Index dürfte es auf Basis der entsprechenden Future-Kurse um 4 Prozent nach unten gehen (verglichen zum gestrigen Schlusskurs).

Im Devisenmarkt zeigt sich der japanische Yen wieder einmal als relativ sicherer Hafen und legt gegenüber allen wichtigen Währungen zu. Der mexikanische Peso verlor 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar. Für Schwellenmärkte insgesamt könnten turbulente Tage bevorstehen, aus Sorge über protektionistische Töne aus den USA. Renditen auf US-Staatsanleihen sind um 5 Basispunkte gefallen, wegen der trüberen wirtschaftlichen Aussichten. Gleichzeitig ist vielerorts bereits eine deutliche Spreadausweitung zu beobachten.

In den kommenden Tagen erwarten wir, dass die Volatilität im Schatten der Wahlen weiterhin hoch bleibt. Das spiegelt auch das Ausmaß der politischen Unsicherheiten wider, das in der jüngeren amerikanischen Geschichte seinesgleichen sucht. Neben der Außenhandelspolitik, so erwarten wir, werden sich Anleger auch folgende Themen genauer anschauen:

  • Fiskalpolitik: Der Kongress wird es Trump voraussichtlich nicht leicht machen, seine extravaganten Wahlkampfversprechen in die Tat um zu setzen. Nimmt man Trump allerdings beim Wort, so plant er deutlich niedrigere Steuern und höhere Ausgaben. Das liefe auf ein stattliches staatliches Konjunkturprogramm hinaus, zu einem Zeitpunkt, an dem die USA bereits nahe an der Vollbeschäftigung sind. Sollte dies nur annähernd so umgesetzt werden, würde das kurzfristig höheres Wachstum bringen, gefolgt von höherer Inflation und höheren Zinssätzen. Die relative Ruhe im Rentenmarkt wäre wohl nur von kurzer Dauer.
  • Geldpolitik: Falls die Marktturbulenzen anhalten, dürfte die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung der US Federal Reserve (Fed) im Dezember weiter schwinden. Weniger beruhigend ist die Tatsache, dass nun ungewiss ist, wer mittelfristig in der Fed den Ton angeben wird. Dazu kommt, dass die Notenbank in Zukunft stärker unter parlamentarische Aufsicht gestellt werden könnte. Ihr Handlungsspielraum wäre dann im nächsten Abschwung wohl geringer.
  • Auswirkungen auf Sektoren: Trump ist ein politischer Neuling. Bei vielen Themen , die aus Sicht bestimmter Branchen oder Firmen von Belang sind, weiß niemand so recht, was er eigentlich denkt. Auch ist weitgehend unklar, wen er auf Schlüsselpositionen ernennen wird und wer seine Berater sein werden.

Dies alles sind berechtigte Bedenken. Und doch:

Mittelfristig gibt es einige Gründe, wieder mit einer Entspannung zu rechnen.

Historisch betrachtet haben die Märkte republikanische Siege an den Wahlurnen tendenziell goutiert. Mit Republikanern an der Macht würde man normalerweise mit Bürokratieabbau, zügigen Fortschritten in der Unternehmenssteuerreform, und auch sonst niedrigeren Steuern rechnen. Bei diesen Themen findet sich Trump auf einer Linie mit der republikanischen Führung im Kongress. Gut möglich also, dass am Ende eine mehr oder weniger konventionelle republikanische Politik herauskommt und man auf die Umsetzung von wirtschaftlich schädlichen Wahlversprechen etwa im Außenhandel oder bei der Zuwanderung noch lange warten wird. Wie erklärte doch Trump selbst im Mai:

“Schauen Sie, alles was ich heute sage – ich bin nicht der Präsident. Alles sind nur Vorschläge. (…) Ich bin total flexibel, bei vielen, vielen Themen, und glaube, das muss man auch sein.”

Trump hat gerade die amerikanische Präsidentschaft gewonnen, ohne jemals davor für ein öffentliches Amt kandidiert zu haben. Er lernt offensichtlich schnell. Man sollte also die Wahrscheinlichkeit nicht unterschätzen, dass auch sein jüngstes Abenteuer von Erfolg gekrönt werden könnte. Seine holprige Wahlkampfführung legt nahe, dass die Politik der Wall Street auch in Zukunft noch zu schaffen machen könnte. Daraus könnten sich in den kommenden Wochen durchaus auch Kaufgelegenheiten ergeben, zumindest für disziplinierte Investoren, die in der Lage sind, kurzfristige Risiken in Kauf zu nehmen.

Kolumne von Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer Deutsche Asset Managment