Zinsen, Gold und ETF

06.04.2021

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Die Kurse etlicher „Modeaktien“ dürften bei steigenden Zinsen massiv gestutzt werden, denn die „neuen“ Anlagestrategien könnten zum Bumerang werden. Der Roboter-Berater spuckt nur noch Verkaufsaufträge aus, die Trendfolger spielen jetzt den Abwärtstrend und die ETF-Anleger erkennen, dass es kein „Entrinnen“ gibt. Allein die europäischen Index-ETF belaufen sich auf ein Volumen von etwa einer Billion Euro. Hinzu kommen noch die iShares. Zunächst als Risiko minimierende Produkte erdacht, wird man erkennen, dass man sich nicht dem Risiko fallender Märkte entziehen kann. Eventuell sind mit diesen Produkten auch mal wieder die „falschen“ Anleger in die Aktienmärkte gelockt worden.

Die Grundidee war ja richtig. Der Anleger entgeht dem Einzelwertrisiko (zum Beispiel Wirecard) oder er kann auch in fernen Börsen (beispielsweise China, Asien), Themenaktien oder kleineren Werte (zum Beispiel Wasserstoff, Cannabis, Impfstoffe) investieren. Wenn aber in einen Crash auch die Produkte „ausgeladen“ werden, wird dadurch in bereits ausgebombten Aktien und Märkten weiter verkauft. Mit dramatischen Folgen für deren Kurse, besonders bei kleinen, marktengen Papieren.

Das Risiko steigender Inflation und/oder steigender Zinsen habe ich schon vor Monaten hier angesprochen. In der Vergangenheit haben höhere Inflationszahlen fast automatisch zu höheren Zinsen geführt, weil die Notenbanken die Inflationsgefahr mit höheren Diskontzinsen bekämpft haben. Hier muss für die Zukunft hinterfragt werden, ob die Währungshüter die Zinsen überhaupt nennenswert erhöhen können. Der irrsinnige Schuldenberg dürfte dies verhindern. Aber trotzdem steigende Zinsen gefährden die Konjunkturerholung und treiben die Zombie-Unternehmen in den Bankrott. Das könnte die Notenbanken zu weiterem Eingreifen veranlassen, was ironischerweise höhere Inflation verursachen und in der Folge zu noch höheren Zinsen führen würde.

Als „Versicherung“ für ein solch negatives Szenario sind die Edelmetalle eine sinnvolle Investition. Zumindest haben in der Vergangenheit die Preise von Edelmetallen und Rohstoffen bei steigenden Minusrenditen immer kräftig angezogen. Mir wird derzeit öfters die Frage gestellt, warum der Goldpreis seit August 2020 fällt, obwohl die Problematik doch bekannt ist. Die Antwort ist einfach: Das Risiko ist bekannt, aber (noch) nicht eingetreten.

Außerdem verhält sich Gold wie andere Assets auch: Es schwankt nach den Regeln der Börse. Die Entwicklung der Preise ist daher technisch wie folgt einzuordnen: Seit 2016 hat sich der Goldkurs bis Mitte 2020 in etwa verdoppelt (um ca. 1.000 US-Dollar). Seitdem hat er von dem Kurshoch bei ca. 2.070 Dollar um ein Drittel des Kursanstiegs nachgegeben. Das „ideale“ Fibonacci Retracement liegt bei 38,2 Prozent, bedeutet bei Gold ca. 1.680 Dollar. Also kein Grund zur Panik. Nach den kräftigen Kurssteigerungen sind diese Rücksetzer nicht nur normal, sondern sogar wünschenswert. Die „billigen Einstände“ realisieren ihre Gewinne, die Stimmung kühlt wieder ab. Diejenigen, die den Anstieg verpasst haben, fühlen sich jetzt sogar gut, nicht gekauft zu haben. Aber die restlichen 61,8 Prozent Plus bedeuten auch über zwölf Prozent jährlich in den letzten fünf Jahren. Es gibt wenige Branchen bzw. Indizes, die so gut performt haben, aber in den Depots so untergewichtet sind wie Edelmetalle. Viereinhalb Jahre Anstieg, jetzt ein dreiviertel Jahr Konsolidierung. Auch die zeitliche Komponente ist „im grünen Bereich“.

Die aktuellen Kurse sind Kaufkurse. Gold ist aktuell deutlich überverkauft, Korrekturziele sind erreicht und es gibt erste positive Divergenzen. „Gefährlich“ für Käufer, die „ganz unten“ kaufen wollen. Bei 1.600 / 1.650 Dollar könnte das Umkehrlevel spätestens erreicht sein. Das ist nervig, aber wer hohe Türme bauen will, muss lange am Fundament arbeiten. Wer jetzt nicht kauft, wird auch einen Großteil des nächsten Anstiegs verpassen. Denn, wenn der Börse eine Wiederholung der letzten Performance (2016-2020) gelingt, notiert Gold Ende 2025 bei über 4.000 Dollar. Eine interessante Ausgangslage für Goldminen, die heute mit etwa einer PE von ca. 12 (Amazon PE 74) bewertet sind.

Derzeit gelten 4.000 Dollar noch als Utopie (?), doch die Kaufargumente für Edelmetalle haben sich mit Corona nicht verschlechtert, sondern verstärkt. Die westlichen Volkswirtschaften schwächeln noch (niedrigere Steuereinnahmen), die Anzahl der Zombiefirmen schwillt an, die Schulden steigen exorbitant, die Zinsen sind dazu verdammt niedrig zu bleiben. Die Realverzinsung ist und bleibt im Minus. Das Ausmaß wird sich mit steigender Inflation noch erhöhen und damit der Geldwertverlust für alle Anleger noch deutlicher werden, zumal dann eventuell der Ausgleich durch steigende Aktienkurse entfällt. Der Goldanteil am Kapitalvermögen liegt nach verschiedenen Berechnungen bei durchschnittlich ein Prozent. Sollten aufgrund einer alarmierenden Entwicklung an den Kapitalmärkten die Anleger ihren Goldanteil aufstocken wollen, könnten aus der Utopie schnell Kursziele werden.

Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH

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