Zentralbanken: Zinssenkungspfad mit Herausforderungen

12.02.2024

Vincent Mortier, Group CIO (l.) und Matteo Germano, Deputy Group CIO (r.) - Foto: © Armundi / Alex

Vor dem Hintergrund einer sich verlangsamenden Inflation und einer möglichen konjunkturellen Abschwächung bei gleichzeitig robusten historischen Daten bewerten die Märkte den geldpolitischen Kurs der Zentralbanken neu. Das Tempo der Inflationsverringerung könnte jedoch durch die Krisen am Roten Meer beeinflusst werden, insbesondere in Europa. Die Aufgabe der Zentralbanken wird also immer schwieriger, während sie versuchen, die Zinssätze für die richtige Dauer auf einem restriktiven Niveau zu halten.

Auch was das Wachstum anbelangt, erwarten wir eine anhaltende Verlangsamung in den USA, die sich auf die Jahresmitte konzentrieren wird. In Europa haben wir unsere Wachstumsprognosen für dieses Jahr nach unten korrigiert, und in China rechnen wir mit einer unter dem Konsens liegenden Inflation. Diese Änderungen haben aber keinen Einfluss auf unsere Konjunktureinschätzung:

  • Der US-Arbeitsmarkt schwächelt. Das Lohnwachstum verlangsamt sich, und der größte Teil des Beschäftigungszuwachses findet in nicht-zyklischen Sektoren statt. Dies könnte sich auf den Konsum auswirken, der im Moment noch stark ist.
  • Für die Eurozone wird keine Rezession erwartet, aber die Risiken sind hoch. Schwache Staatsausgaben und Sachzwänge (Deutschland, Frankreich) dürften die Wirtschaft belasten, aber der private Konsum und das Lohnwachstum sprechen für die Region. Letzteres ist auch für die Entscheidungen der EZB von Bedeutung.
  • Verlangsamtes Wirtschaftswachstum und Disinflationsrisiken in China. Große fiskalische Maßnahmenpakete scheinen unwahrscheinlich, da die Regierung versucht, den Schuldenberg abzubauen. Angesichts der fundamentalen Probleme im Immobilien- und Konsumsektor sollten vereinzelte Stimmungsaufheller jedoch keine nachhaltige Wirkung haben.
  • Geopolitik/Politik wird immer wichtiger. Die Hälfte der Weltbevölkerung wird in diesem Jahr ihre Staats- und Regierungschefs neu wählen. Die Beziehungen zwischen den USA, China, der EU und den Schwellenländern werden von den gewählten Staats- und Regierungschefs und der innenpolitischen Rhetorik beeinflusst werden.

Die Entwicklung der Anlageklassen sehen wir wie folgt:

  • Anlageklassen-übergreifende Perspektive: In den USA sehen wir eine Verlangsamung, aber keinen Einbruch der Gewinne. Die Renditen dürften niedrig bleiben, weshalb wir insgesamt wachsam bleiben. Während wir bei Aktien der Industrieländer defensiv bleiben, sind wir gegenüber Japan leicht positiv eingestellt. Auch in den Schwellenländern bleiben wir positiv gestimmt, wobei wir uns jetzt hauptsächlich auf Asien konzentrieren. In Bezug auf die Duration – ein Maß für die Zinssensitivität – in den USA und Europa sind wir ebenfalls leicht optimistisch, da die Disinflation bereits im Gange ist. Wir sehen aber insbesondere in Europa die Notwendigkeit, eine aktive Haltung einzunehmen. Wir halten auch Investment Grade-Unternehmensanleihen – also Anleihen hoher Bonität – in der Region für attraktiv. Im Devisenbereich sind wir beim USD gegenüber dem JPY nicht mehr ganz so zurückhaltend, da die Märkte

die übermäßigen Zinssenkungen bereits in den Dollar-Bewertungen eingepreist haben dürften. Der Yen bleibt jedoch nach unserer Auffassung eine gute Absicherung gegen globale Wachstumsrisiken, ebenso wie Öl gegen geopolitische Risiken.

  • Anleihen: Wir sind für die US-Duration leicht positiv und gegenüber Europa und Japan leicht zurückhaltend eingestellt. Mit Blick auf die sich verändernde Einschätzung der Märkte, was die Zinssenkungen der Zentralbanken betrifft, bleiben wir jedoch flexibel. Bei den Unternehmensanleihen haben wir eine etwas positivere Haltung gegenüber hochwertigen EU-Investment Grade-Anleihen. Angesichts der Ausfallrisiken und der hohen Bewertungen bevorzugen wir US-Investment-Grade-Anleihen gegenüber High-Yield-Anleihen (Hochzinsanleihen).
  • Aktien: Auch wenn der breite US-Markt und das Wachstum überbewertet erscheinen, sehen wir Segmente mit attraktiven Unternehmen und Gewinnwachstumsperspektiven (z. B. US Value – wertorientierte US-Aktien). Auch in Japan gibt es jetzt Anzeichen für eine nachhaltige Erholung und die Aussichten auf ein Ende der Deflation sind positiv zu werten. In Europa, wo die Bewertungen günstiger sind als in den USA, bleiben wir ausgewogen und bevorzugen zyklische Qualitätsunternehmen und defensive Titel.
  • Schwellenländer: Diese Regionen, insbesondere in Asien, wo mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, bieten gute Rahmenbedingungen für Anleihen und Aktien. Wir behalten jedoch die Inflation im Blick und auch die Tatsache, dass die Schwellenländer nicht homogen sind: Die Länder Lateinamerikas (z.B. Brasilien, Mexiko und Kolumbien) und Asiens (z.B. Indien und Indonesien) müssen individuell betrachtet werden, wie wir meinen. Bei den Anleihen sehen wir Hart- und Lokalwährung gleichermaßen positiv, wobei wir High Yield gegenüber Investment Grade bevorzugen. Wir beobachten auch die geopolitischen Risiken zwischen den USA und China sowie im Nahen Osten und sind daher gegenüber der Golfstaaten-Region etwas zurückhaltend.

Kommentar von Vincent Mortier, Group CIO, und Matteo Germano, Deputy Group CIO bei Amundi,