Wie schlimm ist die Krise in der Türkei wirklich?
22.08.2018
Tine Choi, Chefanlagstrategin bei Danske Invest / Foto: © Danske Invset
Wie reagiert Ankara?
Derzeit warten die Finanzmärkte auf den nächsten Schachzug von Erdoğan. Doch welche Möglichkeiten haben die Türken überhaupt, um möglichst unbeschadet aus der Krise zu kommen?
Zu den möglichen Maßnahmen zählen Kapitalrestriktionen, die die Geldströme in und aus dem Land kontrollieren. Ebenfalls Zinserhöhungen durch die Zentralbank könnten dazu führen, Anlagen in die türkische Lira für Investoren interessanter zu machen. Unlängst kündigte Katar ein Hilfspaket an, mit dem der ölreiche Golfstaat 15 Milliarden US-Dollar investieren und so die türkische Wirtschaft unterstützen will. Das könnte ein erster Schritt sein. Die Türkei kann zudem den Internationalen Währungsfonds um finanzielle Hilfe bitten. Doch Erdoğan ist ein Alphatier, das ungern Zeichen von Schwäche zeigt. Es wäre ein harter Schlag für seinen Stolz, wenn er sich den Anforderungen einer restriktiven Wirtschaftspolitik beugen müsste, die mit den Finanzspritzen des Internationalen Währungsfonds üblicherweise einhergehen.
Folgen für die Finanzmärkte
Gegenwärtig sind die Anleger besorgt, welche negativen Auswirkungen die türkische Krise auf andere Märkte nach sich ziehen kann. In den vergangenen Wochen konnten wir beobachten, dass mehrere Schwellenländerwährungen unter Druck gerieten, vor allem in Staaten mit einem Zahlungsbilanzdefizit wie Indien und Südafrika. Darüber hinaus sind die Aktienkurse und die Zinsen in den USA, Deutschland und Dänemark gefallen, da die Anleger einen sicheren Hafen am Anleihenmarkt gesucht haben.
Sowohl der US-Dollar als auch der japanische Yen und der Schweizer Franken haben aufgewertet. Im Gegensatz dazu hat der Euro an Wert verloren, da die Krise in der Türkei für die europäische Wirtschaft ein größeres Risiko darstellt als für die japanische oder US-amerikanische Konjunktur. Insbesondere einige südeuropäische Banken zeigen sich anfällig, da sie Kredite an die Türkei vergeben haben.
Keine Angst vor einem größeren Abschwung
Insgesamt sind wir davon überzeugt, dass sich die Situation in der Türkei isoliert betrachtet kaum zu einer größeren und tieferen Krise ausbreiten wird – weder für Europa noch für die Schwellenländer. Denn die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von der Türkei ist zu begrenzt. Und was die übrigen Schwellenländer anbelangt, sind die fundamentalen Wirtschaftsbedingungen dort im Allgemeinen besser als in der Türkei. Jedoch fällt die Krise in der Türkei in eine Phase, in der die Anleger ohnehin nervös sind, unter anderem aufgrund des Handelskriegs von Donald Trump. Das erhöht das Risiko, dass selbst ein unbedeutenderes Ereignis irgendwann einen größeren Einbruch an den Finanzmärkten auslösen kann.
Trotz der aktuellen Unsicherheit ist die Weltwirtschaft jedoch weiterhin auf Wachstumskurs. Daher behalten wir unsere moderate Übergewichtung in Aktien bei, darunter eine Übergewichtung in Titeln aus Schwellenländern. Anleihen haben wir dementsprechend untergewichtet.
Marktkommentar von Tine Choi, Chefstrategin bei Danske Invest