«Whatever it takes»: Transitionsrisiken und Inflation
12.11.2021
Andreas Gilgen, CIO/Leiter Portfolio Management Bank Alpinum AG / Foto: © Bank Alpinum AG
Das Thema Klimawandel ist in aller Munde. Die Welt spricht über «Physische Risiken» wie extreme Wetterereignisse, den Anstieg des Meeresspiegels, Dürrekatastrophen und die gigantischen, damit verbundenen Schäden. Der Druck auf die Politik steigt. Dennoch sind am jüngsten Klimagipfel kaum relevante Entscheide gefallen, die Interessenslagen der Weltmächte sind zu unterschiedlich.
Mahnende Worte kommen aus Brüssel, die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft berge Risiken. Hinter dem politischen Begriff «Transitionsrisiken» steht unter anderem die Warnung, dass sich fossile Energieträger verteuern oder verknappen, Gerichte Schadenersatzklagen gegen Unternehmen stellen oder diese vom Staat gezwungen werden könnten, etwa Atommüllendlager zu finanzieren. Unternehmer, die ihre Strategie nicht zeitnah anpassen, werden vom Staat, von Aktionären und von Kunden bedrängt. Umdenken und Handeln sind dringend notwendig, die Risiken – sprich Kosten für Unternehmen, Steuerzahler und Konsumenten - werden jedoch kaum transparent gemacht. So droht Ungemach von zwei Seiten mit einer nicht zu unterschätzenden Gefahr, dass beide Faktoren potentiell inflationstreibend sind.
Die jüngste «temporäre» Inflation mag ihre eigenen Gründe haben, aber sie kann uns Einblicke in eine ungewisse Zukunft mit vermehrten Engpässen und unberechenbaren Preisschüben geben. Ist das feine Gefüge von Angebot und Nachfrage ausser Balance, drohen grosse Preisbewegungen. Der Wandel der Wirtschaft wird zuerst enorme Ressourcen verbrauchen, bevor eine Dekarbonisierung möglich ist. Hierzu benötigen wir Rohstoffe wie Kupfer, elektronische Komponenten, neue Batterietechnologien und vor allem Fachkräfte. Der notwendige Umbau der Energiewirtschaft wird auf Widerstand unterschiedlicher Seiten stossen. Einsprüche von Umweltverbänden gegen neue Staudämme, Windräder, Solarparks und Hochspannungsleitungen sind zu erwarten. Andererseits soll der Anteil an nicht erneuerbaren Energie so rasch als möglich und drastisch reduziert werden. Konflikte sind vorprogrammiert. Ein Angebot reduzieren ohne ein neues zu schaffen, führt zu Preisexplosionen. Hierzu gesellen sich neue Abhängigkeiten von wenigen Anbietern für Länder ohne eigene Rohstoff- oder Energiequellen. Jüngstes Beispiel sind explodierende Gaspreise in Europa, noch vor dem Winter!
Mit der Ankündigung «whatever it takes» rettete Mario Draghi 2012 die EU. Ich denke ähnliches ist zu erwarten, wenn es darum geht, die Welt zu retten. Die hier erwähnten Physischen- und Transitionsrisiken werden Dimensionen erreichen, die nur durch «whatever it takes» adressiert werden können. Meine Annahme ist, dass die Notenbankgeldmenge in den kommenden Jahrzehnten eher deutlich zu- als abnehmen wird. Inflation wäre vorprogrammiert.
Für Finanzmarktanleger bedeuten die enormen Infrastrukturausgaben auch Chancen auf satte Kursgewinne. Aber Achtung, Verlust und Gewinn liegen nahe beisammen. Wie immer sind Timing und Diversifikation entscheidend. Energieaktien gehören zu den grossen Gewinnern des laufenden Jahres, trotz ihres negativen «Carbon-Footprints». Wer diesen Sektor vermeiden möchte, findet Chancen in den Themen, die von den grossen Umwälzungen profitieren; Smart-Energy, Clean Water, Robotics und Automation.
Kolumne von Andreas Gilgen, CIO/Leiter Portfolio Management Bank Alpinum AG