Wenn das Murmeltier zweimal grüßt, oder Punxsutawney Phil und seine neue Liebe zu Aktien und Fonds.

14.02.2016

André Kunze

Fast zeitgleich veröffentlichten vor wenigen Tagen der Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI) und das Deutsche Aktieninstitut e.V. (DAI) ihre Jahresstatistik.

Demnach erlebte die Fondsbranche 2015 ein Rekordjahr. Gemessen am verwalteten Vermögen und am Neugeschäft wurden laut BVI die bisherigen Rekordmarken überschritten. Dabei erweisen sich Aktienfonds, Mischfonds und ETFs derzeit als Anlegers Liebling. Gleichzeitig berichtet das DAI, dass wir Deutschen wieder mehr Vertrauen in Aktien haben und die Zahl der Aktionäre auf dem höchsten Stand seit drei Jahren angekommen ist. Wenn das mal nicht Grund genug für ausgelassene Partystimmung ist!

Dennoch will in meine Tanzbeine nicht so recht Leben kommen. Irgendwie scheint da jemand auf meinen Lackschühchen zu stehen. Vermutlich Punxsutawney Phil. An das propere Murmeltier aus dem 1993er Hollywood-Blockbuster „Und täglich grüßt das Murmeltier“ musste ich unwillkürlich denken, als ich die Zahlen vom BVI und DAI las.

Vielleicht ist Ihnen der pelzige Nager ja ein Begriff. Im wahren Leben wie im Film sagt Murmeltier Phil in der US-amerikanischen Kleinstadt Punxsutawney jedes Jahr am 2. Februar die verbleibende Zeit bis zum Frühlingsbeginn voraus. Im Film verkörpert Bill Murray einen egozentrischen TV-Wetteransager, der in einer Zeitschleife immer wieder am Morgen des 2. Februar um 6 Uhr vom Radiowecker mit Sonny und Cher‘s „I got you Babe“ geweckt wird. Ein ähnliches Déjà-Vu habe ich derzeit bei den Zahlen vom BVI und DAI.

Am Ende des Börsenhypes im Jahre 2000 sahen die Zahlen zur Beliebtheit von Fonds und Aktien ähnlich aus. Pünktlich zum „Jahrzehnt des Bären“ waren endlich auch Massen an Privatanlegern vollends von Aktien überzeugt. Kein Wunder – schließlich standen seinerzeit die Aktienmärkte aufgrund der neuen Technologien und Märkte vor einer vollkommen neuen Zeitrechnung – mit steigenden Kursen bis die Hüfte vom Tanzen auskugelt. „The Only way is up, Baby!“ Zumindest verstand es die Branche seinerzeit, die privaten Investoren hieran glauben zu lassen.

Dummerweise flog der Stecker recht schnell aus der Dose. Anschließend hauchten wir über Jahre nur noch demütig „Killing me softly“ – a capella versteht sich. Aber heute ist selbstverständlich alles anders. Heute bietet sich für Aktien ein wirklich einmaliges Umfeld. Die historisch niedrigen Zinsen lassen für Aktienkurse nur eine Richtung zu: „The only way is up, Baby!“ Frei nach dem Motto: Wenn Zinsen schlecht sind, sind Aktien gut. Oder als Lebensweisheit formuliert: Hast Du nix zu trinken, musst Du essen. Was für eine Logik!

Das hält unsere Branche aber mitnichten davon ab, den Weg von Privatanlegern weiterhin mit derartigen Plattitüden zu pflastern. Und so kommt es, dass Aktienfonds, Mischfonds und ETFs gerade zuletzt in der Gunst der Anleger wieder oben auf sind und die Fondsindustrie ein Rekordjahr verbuchen kann. Aktienfonds und ETFs rund um den Globus danken es den gutgläubigen Anlegern prompt mit Verlusten von rund 25 Prozent. Zeitgleich erleben global anlegende Mischfonds derzeit die größten Rückschläge seit 2008. Ist es „Killing me softly“, dass da im Hintergrund leise säuselt?

Vermutlich ist es noch nicht so weit. Ich bin guter Dinge, dass sich die Märkte bald wieder fangen werden und wir noch nicht am Ende dieses Bullenzyklus angekommen sind. Zumindest vorerst. Mit Sicherheit werden wir aber erleben, dass der nächste Bärentanz die Masse der Privatanleger mal wieder auf dem falschen Fuß erwischt. Das wäre ausgesprochen fatal, denn es würde beweisen, dass unsere Branche aus ihren Fehlern mal wieder nichts gelernt hat.

Für Anleger ist es nicht pauschal gut, in Aktienfonds, Mischfonds oder ETFs investiert zu sein. In diesem politisch wie wirtschaftlich betrachtet ausgesprochen schwierigen Umfeld kann die Devise nicht lauten: Dabei sein ist alles! Im Gegenteil. In Zeiten, in denen in wenigen Wochen die Kursgewinne mehrerer Jahre ausradiert werden können, ist es viel wichtiger, mitunter auch mal nicht dabei zu sein und Verluste in engen Grenzen zu halten. Auch wenn sich die Branche etwas anderes vorzugaukeln versucht, geht dies nicht mit traditionell gemanagten Aktien- und Mischfonds, die stur an ihren Investitionsquoten festhalten. Und erst recht nicht mit ETFs, die nur passiv einem Markt folgen. Dazu wäre dauerhaftes Wachstum in einem stabilen wirtschaftlichen und politischen Umfeld erforderlich. Was sagt unsere Jukebox dazu? „Dream on, though it's hard to tell, though you're fooling yourself, dream on.”

Statt einer blinden Produktverliebtheit bedarf es heute also vielmehr innovativer und hochflexibler Anlagestrategien. Dazu wäre allerdings ein Paradigmenwechsel in der Fondsindustrie nötig – weg von der Messung der Quantität, hin zur Messung der Qualität. Zu diesem sieht sich die Branche aufgrund der jüngsten Zahlen vermutlich jedoch kaum veranlasst. Das Erwachen wird daher wohl frühestens nach einem neuerlichen Tanz mit dem Bären kommen. Schade – Chance vertan.

Der gute Punxsutawney Phil entpuppte sich bis dato übrigens eher als Kontraindikator. Bei seinen Frühlingsprognosen kommt er lediglich auf eine Trefferquote von 39 Prozent. Bleibt zu hoffen, dass die jüngsten Zahlen vom BVI und DAI nicht ebenfalls ein Kontraindikator sind. Das wäre ein schlechtes Omen für Märkte und Anleger.

Autor: André Kunze,

_geschäftsführender Gesellschafter P.A.M Prometheus Asset Management GmbH

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