Volle Fahrt voraus
08.02.2015
Foto: © kevron2001 - Fotolia.com
Der Zins am Boden, Hilfe für Renten- und Kapitalpolicen dringend gesucht – so lässt sich die Situation am Lebensversicherungsmarkt auf eine Kurzformel bringen. Versicherer und Vertrieb suchen derweil ihr Heil in Risiko- und biometrischen Absicherungen. Und fahren damit bestens. Der Bedarf in der Bevölkerung ist riesig, die Angebotspalette vielfältig.
Der Zins liegt schon lange am Boden, klassische Lebensversicherungen haben es schwer und deshalb entdecken die Versicherer wieder ihr ureigenes Geschäft. Die Absicherung von biometrischen Risiken steht hoch im Kurs – seien es Gefahren, die durch den Verlust der Arbeitskraft drohen, Krankheit und Pflegebedürftigkeit, Unfall oder Tod. Wenngleich auch ein langes Leben durchaus als Risiko gelten muss, schließlich muss bis ans Ende ausreichend Geld zur Verfügung stehen, um nicht in den letzten Jahren in Verarmung zu darben. Zur Grundausstattung gerade für junge Familien gehört gewiss die Risikolebensversicherung. Wobei nicht alle Marktteilnehmer unbedingt zu einer Trennung von Sparvorgang und Risikovorsorge plädieren. So hält DVAG-Chefvolkswirt Dr. Ralf-Joachim Götz die Absicherung des Todesfallrisikos über eine Kapitallebensversicherung „auf jeden Fall" noch für zeitgemäß: „Die gemischte Lebensversicherung bewährt sich seit Jahren als krisenfestes Produkt zur privaten Altersvorsorge, das den Zielen und Wünschen der Kunden entspricht."
Beinahe denselben Stellenwert wie eine LV sollte eine Unfallpolice im Verkaufsgespräch haben.
Deren Anbieter halten für Kunden und Maklern ein breites Spektrum bereit, das bis hin zu Invaliditätsversicherungen für die Kleinsten geht und dabei Krankheitsfolgen mit einschließt. Im Rahmen der Unfallversicherung gewinnt zunehmend aber auch das Firmengeschäft an Bedeutung. Wenngleich sich einige Anbieter schon wieder aus diesem Segment zurückgezogen haben oder ihre Bestände sanieren müssen. Und sei es um den Preis von Beitragserhöhungen. Dabei sind die Anbieter an dieser ungesunden Entwicklung nicht ganz schuldlos. Mit immer neuen Leistungserweiterungen und -verbesserungen, die häufig mit dem eigentlichen Risiko nur noch wenig gemein haben, um Marktanteile zu ringen, ist nicht gerade ein kluger Weg. So gibt es beispielsweise Gipsgeld, eine Übernahme von Krankenhausgebühren, deftige Einmalzahlungen bei vergleichsweise geringen Verletzungen oder eine 100-prozentige Gliedertaxe. Zudem reichen schon weniger als fünf Versicherte manchmal aus, damit ein Kollektivvertrag zustande kommen kann. Was dem Vertrieb helfen soll, geht eben manchmal als Schuss nach hinten los. Konzentration auf das Wesentliche ist gerade im Firmengeschäft der auf Dauer wesentlich einträglichere Weg.
Ganz besonders steht seit einiger Zeit die Absicherung der Arbeitskraft im Fokus.
Es geht hier längst nicht mehr um die Absicherung von Berufsunfähigkeitsrisiken. Denn ein deutlicher Preisanstieg für etliche Berufsgruppen hat dazu geführt, dass solche Policen für viele Menschen unerschwinglich geworden sind. Auf der Suche nach Alternativen werden Vermittler jedoch bei immer mehr Gesellschaften fündig. Ob Dread Disease, Grundfähigkeitenvorsorge oder Multirisk-Policen – für nahezu jeden Wunsch und Geldbeutel ist etwas dabei. Dennoch wird die BU-Absicherung auch künftig der wesentliche Baustein bleiben. So hat Canada Life erst im vergangenen Jahr noch dieses Produkt neu in die Angebotspalette aufgenommen, Alternativen hatte das Unternehmen schon lange vorher im Programm. Und scheinbar hat sich dieser Schritt gelohnt, wie Bernhard Rapp, Direktor Marketing und Produktmanagement und stellvertretender Niederlassungsleiter Deutschland bei Canada Life, auf Anfrage antwortet: „Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden. Unser Berufsunfähigkeitsschutz mit garantiertem Beitrag wurde am Markt sehr gut angenommen." Detaillierte Zahlen wollte das Unternehmen allerdings nicht nennen. Wobei der Zahlbeitrag, den fast alle Berufsunfähigkeitsversicherungen in den Vordergrund rücken, angesichts des latenten Niedrigzinses und damit sinkender Überschüsse in die Diskussion geraten ist. Schließlich ist es das gute Recht, dieses Nettoentgelt Richtung Bruttobeitrag jederzeit anzupassen. Gewinnt dies möglicherweise auch im Hinblick auf Solvency II an Bedeutung? Die Allianz verneint dies, so deren Sprecherin Katrin Wahl: „Wir steuern unser Unternehmen schon seit mehreren Jahren mit einem internen Modell, das den Prinzipien von Solvency II entspricht. Die Allianz will das interne Modell zur Zertifizierung gemäß Solvency II an die Aufsichtsbehörden einreichen, sobald hierfür die rechtlichen Grundlagen geschaffen sind." Mit Blick auf die Steuerung der Kapitalanlagen seien die Auswirkungen von Solvency II eher gering, da man schon heute darauf achte, dass die Struktur der Kapitalanlagen optimal für die Verpflichtungsstruktur des Unternehmens sei. Bezüglich Risikogeschäft sehe die Allianz darüber hinaus aktuell keine spezifischen Besonderheiten.
Erfreuliches auch im Bereich der privaten Kranken- und Pflegeversicherung.
Während die Gesundheitsreform mit der einseitigen Beitragsbelastung der Arbeitnehmer den Vermittlern künftig deutlich mehr Kunden als in den vergangenen Jahren in die Arme treiben sollte und das bKV-Geschäft auf Hochtouren läuft, wird es über kurz oder lang auch beim Absatz privater Pflegepolicen nach oben gehen. Der Pflege-Bahr hat sich allen pessimistischen Prognosen zuwider zum Renner entwickelt, die Millionen-Grenze sollte bei der Anzahl abgeschlossener Verträge in absehbarer Zeit geknackt werden. Ganz allgemein hilfreich für den Umsatz im Pflegebereich wird sicher sein, dass das Thema und die Dringlichkeit mehr und mehr in den Köpfen der Deutschen ankommen. Die Risikoabsicherung läuft mithin in allen Bereichen auf Volldampf, und es stellt sich die Frage, wie lange die Lebensversicherung noch auf Kapital bildende Produkte angewiesen sein wird. Während nicht nur die DVAG auch künftig auf Sparprozesse setzen will, beurteilt beispielsweise die Dialog Lebensversicherung als Anbieter ausschließlich biometrischer Absicherungen dies anders. Deren Vorstandssprecher Oliver Brüß ist sicher: „Den biometrischen Versicherungen gehört in der Tat die Zukunft. Auch das Thema Absicherung der Langlebigkeit nimmt an Bedeutung zu." Biometrische Produkte dienen der Absicherung elementarer Lebensrisiken und sind und bleiben damit unverzichtbar. Dies insbesondere im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die Auswirkungen auf die Sozialsysteme. (hwt)