Viva España
06.07.2017
Manuel Peiffer, Relationshipmanager GVS Financial Solutions / Foto: © GVS
Vor einigen Wochen habe ich seit längerem nochmals einige Tage Urlaub in Barcelona gemacht. Bei dieser Gelegenheit wollte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Neben der Erholung hatte ich das Ziel mir auch ein persönliches Bild von der aktuellen wirtschaftlichen Lage in Spanien zu machen und mehr über die Stimmung innerhalb der Bevölkerung zu erfahren.
Bei diesem Kurztrip habe ich bewusst mit Spaniern aus den unterschiedlichsten Berufszweigen gesprochen und sie nach ihrer aktuellen Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der Perspektive befragt. Sowohl Taxifahrer, Kellner als auch ein Architekt und ein IT-Fachmann die ich eher zufällig kennenlernte, berichteten äußerst positiv über die Entwicklung der letzten Monate. Ich verspürte bei diesen Menschen die Hoffnung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der damit verbundenen persönlichen Situation. Aber hält die gefühlte Realität einem echten Faktencheck stand?
Die spanische Wirtschaft ist im vergangenen Jahr mit 3,2 Prozent doppelt so stark gewachsen wie die anderen großen EU-Mitglieder. Vor allem die wichtige Tourismusbranche, welche etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, hat dazu beigetragen. Die iberische Halbinsel hat deutlich davon profitiert, dass viele Urlauber aus Angst vor Terroranschlägen Regionen wie Frankreich, die Türkei oder Ägypten gemieden haben. Für dieses Jahr wird ein BIP-Wachstum von 3 Prozent angestrebt.
Die Iberer kommen ebenfalls beim Abbau der Massenarbeitslosigkeit weiter voran. Zwar beträgt diese noch immer vergleichsweise hohe 17 Prozent aber im Juni nahm die Zahl der Menschen ohne Job zum Vormonat um 2,8 Prozent ab. Damit waren noch 3,36 Millionen Menschen erwerbslos - das ist das niedrigste Niveau seit acht Jahren. Die Regierung in Madrid erwartet, dass die Arbeitslosenquote bis 2020 auf 11,1 Prozent sinken wird. Im Hoch lag die Zahl der Erwerbslosen im Jahr 2013 bei 26 Prozent.
Für die nächsten Monate stimmt die wirtschaftliche Perspektive. Das Land profitiert weiter von einem Tourismusboom. Die Hoteliers erwarten wieder ein Rekordjahr. Seit April gebe es einen regelrechten Ansturm auf die Zimmer, bis einschließlich November seien bereits jetzt zahlreiche Hotels ausgebucht. Dieser Ansturm wird Geld in die spanischen Kassen spülen. Auch für Modeunternehmen wie Inditex, Mango oder Desigual geht es aufwärts. Auch Spaniens Exporte steigen kontinuierlich. Der spanische Export von Obst und Gemüse hat im ersten Quartal 2017 eine positive Entwicklung verzeichnet. Es gab eine Steigerung der Lieferungen an die EU um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die positiven Rahmenbedingungen machen sich auch an Spaniens Börse bemerkbar. Seit Jahresbeginn legte der spanische Leitindex IBEX 35 um 13 Prozent zu. Das Kursgewinnverhältnis liegt aktuell bei 15. Die Unternehmen sind in den letzten Jahren fünf Jahren schon teurer geworden, dennoch sind die Bewertungen im historischen Vergleich attraktiv. Im Jahr 2012 lag das KGV noch bei 10, vor der Finanzkrise bei über 20.
Doch die Sonne scheint nicht überall. Spaniens Banken leiden immer noch unter der Immobilienkrise. Auch am Arbeitsmarkt ist trotz den oben erwähnten Verbesserungen noch nicht alles in trockenen Tüchern. Es fehlen die nötigen Strukturen, um die 3,4 Millionen Arbeitslosen umzuschulen und in Lohn und Brot zu bringen. Zudem sind eben zahlreiche Spanier in der meist schlecht bezahlten Tourismusbranche beschäftig. Darüber hinaus muss weiter an der Produktivität der Unternehmen gearbeitet werden. Spanien hat die höchste Schulabbrecherquote der EU – 20 Prozent der unter 25-Jährigen haben nur einen Haupt- oder Realschulabschluss und keine anschließende Ausbildung vollendet. Viele spanische Unternehmen stellen zahlreich ungelernte Billigkräfte ein, dies wirkt sich negativ auf die Produktivität der Unternehmen aus.
Schlussfolgernd bleibt festzuhalten, dass in Spanien wieder Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist. Es bleibt aber abzuwarten, ob es gelingt, Arbeitsmarktreformen durchzusetzen und auch den Binnenkonsum zu stärken, sodass die Last auf mehrere Sektoren verteilt werden kann. Für chancenorientierte Investoren, welche von einem anhaltenden Turnaround ausgehen, sind unterbewertete iberische Aktien mit hohem Exportanteil eine interessante Depotbeimischung. Denn eines ist sicher - die wirtschaftliche Sonne hat in Spanien ihren Zenit längst noch nicht überschritten.
Kolumne von Manuel Peiffer, Relationshipmanager GVS Financial Soltutions