Viele Fragezeichen

06.11.2017

Dieter Rauch, Geschäftsführer Verband Deutscher Honorarberater / Foto: © VDH

finanzwelt: Das Versprechen seitens gonetto basiert auf dem „Auskehren“ von in Tarifen eingerechneten Provisionsanteilen. Dabei stützt man sich auf die Ausnahmeregelung im aktuellen Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unter § 48b Abs. (4), die erklärt, dass das Provisionsabgabeverbot keine Anwendung findet, soweit die Sondervergütung zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet wird. Konterkariert diese Option damit nicht den Sinngehalt des eigentlichen Provisionsabgabeverbots?

Rauch: Zwischenzeitlich hat die BaFin hier eine klare Aussage getroffen. Seit Ende Juli gilt für Versicherungsunternehmen aufgrund von § 48b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ein Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot. Hintergrund ist das Gesetz zur Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie. Nach § 48b VAG ist „[…] jede unmittelbare oder mittelbare Zuwendung neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung […]“ an Versicherungsnehmer, versicherte Personen und Bezugsberechtigte aus einem Versicherungsvertrag verboten. Nach Auffassung der BaFin kann eine dauerhafte Reduzierung der Prämie oder Erhöhung der Leistung allerdings nur vom Versicherer selbst gewährt werden, da Prämie und Leistung auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den beiden Vertragsparteien beruhen. Das ist bei gonetto gerade nicht der Fall. Die vollständige oder teilweise Abgabe der Provision eines Vermittlers an einen Versicherungskunden – ohne Änderung des Vertrags zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer – reicht hingegen nicht aus. Sofern ein Vermittler beispielsweise auf seine Abschlussprovision verzichten möchte und diese zur Prämienreduzierung verwendet werden soll, so muss der Versicherer dies im Versicherungsvertrag dokumentieren. Demnach dürfte hier nach der vorliegenden Definition des BaFin ein Verstoß gegen das Provisionsabgabeverbot vorliegen.

finanzwelt: So oder so: Weist der Weg über die Kooperation zwischen reinen Onlineanbietern und fallweiser Inanspruchnahme honorarbasierter Beratung nicht die Richtung vor, wie sich künftig die Vermittlung von Produkten aus der Finanz- und Versicherungsbranche ausgestalten wird?

Rauch: Die fallweise Einschaltung von Honorarberatern erscheint mir nicht durchdacht. Eher der umgekehrte Weg, dass Honorarberater aufgrund ihrer eigenen kaufmännischen Kalkulation standardisiertes Geschäft abgeben. Das Geschäftsmodell wirft daher die Frage auf, ob gonetto nur das Auslegen von Speck betreibt, um später mit den gewonnenen Kundendaten lukrativere Geschäfte zu tätigen, oder mit Personenversicherungen die Honorarvermittlung zu betreiben. Daher würden wir Beratern empfehlen, sich vor einer Zusammenarbeit hinsichtlich der Bestandssicherheit und des Kundenschutzes abzusichern. Für Endverbraucher ist dies jedoch eine interessante Möglichkeit kostengünstig standardisierte Massenprodukte zu erwerben. Wenn dies das Anliegen von gonetto ist, bleibt die Frage, wie lange man sich das zu diesem Preis leisten kann.

finanzwelt: Kann der klassische, dabei vor allem provisionsorientierte Vermittler zumindest Teile des in Frage kommenden Terrains weiterhin erfolgreich verteidigen?

Rauch: Das Produkt wird in Zukunft über die unterschiedlichsten Wege direkt und provisionsfrei  erhältlich sein. Die Vermittlung von Produkten wird zunehmend digitalisiert und daher auch Vermittler überflüssig. Für den "echten" Honorarberater ist diese Entwicklung sehr positiv. Er lebt von seiner Beratung, also seinem Know-how und nicht von der Vermittlung der Produkte. Auch wenn das betriebswirtschaftliche Konzept von gonetto noch Fragen aufwirft und möglicherweise andere Ziele als bislang bekannt verfolgt werden, so ist die provisionsfreie Abwicklung von standardisierten Massenprodukten begrüßenswert. Berater die dem VDH angeschlossen sind, lehnen übrigens regelmäßig beim VDH eigehende Verbraucheranfragen, die lediglich die Vermittlung eines provisionsfreien Produkt ohne Beratung nachfragen kategorisch ab. (sf)