Vertriebsturbo oder ungenutzte Chance?
03.02.2016
Marcus Rex
Eine professionell durchgeführte Baufinanzierung zählt zu den anspruchsvollen Beratertätigkeiten und bedarf differenzierten Know-hows.
Spätestens der seit 2008 für die meisten Gebäudetypen bei Verkauf/Neuvermietung vorgeschriebene Energieausweis (EnEV) hat dazu geführt, dass in diesem Zusammenhang zu alledem auch das Thema „Energetische Sanierung“ auf Käufer- wie Verkäuferseite früher oder später zwangsläufig in Betracht gezogen werden muss. Baufinanzierungsberater können hier enormes Potenzial schöpfen.
Ein Baufinanzierungsspezialist ist zwar per se kein Energieberater, doch das staatliche forcierte Maßnahmenpaket in Sachen energieeffizienter Sanierung hält erfreuliches Vertriebspotenzial für Baufi-Berater bereit. Denn ob Energierückgewinnung oder Verbrauchsoptimierung der Energieressourcen: Insbesondere, wenn es um die energieeffiziente Sanierung oder Modernisierung von Wohneigentum geht, gestalten sich die hierfür zur Verfügung gestellten Fördertöpfe für Eigenheimbesitzer und solche, die es werden wollen, kaum attraktiver wie momentan. So erhalten beispielsweise Hauseigentümer aktuell Förderkredite in Höhe von bis zu 100.000 Euro zu einem Zinssatz von 0,75 %. Hinzu gesellen sich noch höhere Tilgungszuschüsse, die erstmals nun auch für einzelne Sanierungsarbeiten in Anspruch genommen werden können. Der Clou: Nicht nur laut Kommentar von Stiftung Warentest gestaltet sich der Idealfall speziell im aktuellen KfW-Sanierungsprogramm von Tilgungszuschüssen im Verhältnis zu Zinsen derart günstig, dass ein Kreditnehmer unterm Strich sogar „daran verdient“. Insofern scheint dieser Umstand geradezu ideal, will man sich als Baufinanzierungsspezialist werbewirksam in Szene setzen, immerhin sucht man vertriebsseitig händeringend nach pfiffigen Marktnischen und speziellen Servicedienstleistungen, um sich im harten Konkurrenzkampf seine Position zu sichern.
finanzwelt sprach zum Thema „Energetische Sanierung“ und die darin liegenden Vertriebschancen exklusiv mit dem versierten Branchenexperten Marcus Rex, Vorstand PLANET HOME AG, München.
finanzwelt: Wie beurteilen Sie als erfahrener Branchenkenner das Vertriebspotenzial aus Vermittlersicht zum Thema „Energetische Sanierung“?
Rex: Keine Frage, das Potenzial wäre hoch. Allerdings wird das Potenzial derzeit so gut wie nicht genutzt. Das belegen die konkreten Abschlusszahlen von freien Vermittlern. Im Besonderen Standalone-Finanzierungen für energetisches Sanieren werden de facto so gut wie nicht nachgefragt oder akquiriert. Finanzierungen hierfür sind, wenn überhaupt, aktuell eher noch bei den Hausbanken zu beobachten.
finanzwelt: Woran liegt bzw. hapert es?
Rex: Oftmals sind die Darlehenssummen bezüglich energetischer Sanierung relativ niedrig und scheinen daher, oberflächlich betrachtet, für Baufinanzierungsberater nicht sonderlich attraktiv – leider! Man richtet mutmaßlich seinen Fokus da unbedachterweise wohl eher noch auf möglichst volumenstärkere Neuabschlüsse von Immobilienfinanzierungen.
finanzwelt: Wird in Zusammenhang mit Sanierung/Modernisierung denn nicht zumindest verbraucherseitig das Thema aktiv nachgefragt? Immerhin dürfte ja bekannt sein, dass Vater Staat hier kräftig unter die Arme greift.
Rex: In den meisten Fällen werden die Kunden bereits im Kaufprozess von Makler, Architekten oder Energieberater auf die Möglichkeiten der KfW-Förderungen aufmerksam gemacht. Der Kunde fragt dann aktiv nach der Finanzierungsvariante im Rahmen der Kauffinanzierung. Insofern bindet der Baufi-Berater die Finanzierungsmöglichkeiten immer dann mit ein, sobald er vom Kunden den Hinweis bekommt, dass er energetisch sanieren möchte. Aber, wie schon gesagt, der Impuls kommt noch viel zu häufig vom Kunden selbst. Erfährt der Berater von dem Vorhaben des Kunden, dann kann er auf verschiedene Produktvarianten zurückgreifen. Die KfW-Förderungen sind dabei die bekanntesten. Aber auch Bausparkassen bieten recht attraktive Blankodarlehen – also solche ohne Grundbucheintragung – mit zügiger Bearbeitung an. Ein guter Berater kennt die verschiedenen Optionen.
finanzwelt: Stichwort Haftungsfrage: Besteht für den Baufi-Berater überhaupt von seiner Seite aus die Pflicht, Informations-/Aufklärungsarbeit zu diesem Thema gegenüber einem Kaufinteressenten aktiv anzugehen?
Rex: Natürlich gehört es zu einer qualitativ guten Beratung, den Kunden über sämtliche Möglichkeiten einer Finanzierung in Kenntnis zu setzen. Derzeit steht ja die Regulierung für Immobilienfinanzierer – Stichwort Wohnimmobilienkreditrichtlinie – an. Ab Inkrafttreten zum 21. März dieses Jahres muss der Berater sein Finanzierungskonzept empfehlen und begründen sowie entsprechend dokumentieren. Ob der Aspekt „Energetische Sanierung“ dann tatsächlich haftungsrelevanten Charakter annimmt, wird sich zeigen.
finanzwelt: Welche empfehlenswerten Maßnahmen für Kunden würden Sie in Betracht ziehen?
Rex: Als erstes würde ich immer die Möglichkeiten der KfW-Förderung prüfen. Die Kombination von Tilgungszuschuss und/oder günstigen Zinsen ist für Kunden zumeist die beste Variante. Interessante Finanzierungsformen bieten auch Bausparkassen an. Dabei handelt es sich oft um sogenannte Konstantdarlehen, also solche mit einer festen monatlichen Rate und Laufzeit. Die Laufzeiten sind in der Regel kürzer als die Gesamtlaufzeiten bei der KfW von bis zu 30 Jahren. Natürlich ist dadurch auch die monatliche Rate im Regelfall höher. Allerdings sind die Bedingungswerke zur Beantragung solcher Darlehen bei Bausparkassen schlanker als bei der KfW. Im Gegensatz zur KfW begrenzen die meisten Bausparkassen die Darlehenssumme indes bei 50.000 Euro. Als Alternative kann der Kunde aber auch immer freie Grundschulden abtreten oder eine neue Grundschuld eintragen lassen, um so zu einem sehr günstigen Immobiliendarlehen zur freien Verwendung zu kommen. Hier kann der Kunde Zinsbindungen von bis zu 40 Jahren wählen. Seine monatliche Rate fällt bei entsprechendem Tilgungssatz gegenüber den KfW-Darlehen oder Bausparvarianten deutlich niedriger aus.
finanzwelt: Ihr Tipp Richtung Baufi-Beraterlandschaft: Was wäre schlau, an dieser Stelle zum Thema „Energetische Sanierung“ zu machen? Wie sollte der Vertrieb damit umgehen?
Rex: Ich rate jedem Berater an, in seinem regionalen Markt Kontakt zu Energieberatern zu suchen und sich damit eine neue Zuträger- bzw. Tippgebeklientel zu erschließen. Selbst der eigene Kaminkehrer kann dabei ein guter Empfehlungsgeber sein. Eine Spezialisierung auf energetische Finanzierungsberatung schafft Differenzierung – und das ist immer gut! (sf)
Fazit
Abgesehen von der Tatsache, dass professionelle Beratung stets an aktive Hilfestellung und hilfreiche Information gekoppelt sein sollte, die im Bedarfsfall über die eigentliche Kernberatung hinausgeht, ist generell angeraten, „Energetische Sanierung“ fest in den eigenen Beratungsalltag zu integrieren. Idealerweise empfiehlt es sich an dieser Stelle, sich als Vermittler ein regionales Netzwerk von Energieberatern aufzubauen, denn auch sie könnten potenzielle Empfehlungsgeber von morgen sein.