Verhinderte Jahresendrally
28.11.2018
Michael Beck, Leiter Asset Management Ellwanger & Geiger / Foto: © Ellwanger & Geiger
Es scheint sich alles gegen die langerhoffte Jahresendrally verschworen zu haben. Nicht nur, dass bei den seit Monaten schwelenden Krisenherden US-Handelsstreit, Italien, schwankende Schwellenländer wie Türkei oder Argentinien oder die verschiedenen Sanktionsfelder (z. B. Iran) nur mühsame Fortschritte gemacht werden und endgültige Lösungen für diese Probleme in weiter Ferne zu sein scheinen. Nein, nun wird den Finanzmärkten auch wieder einmal klargemacht, dass der Ukraine-Russland-Konflikt alles andere als gelöst ist. Im Gegenteil, die Spannungen nehmen sogar zu und es liegt die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen in der Luft. Kein Wunder, dass Stimmungsindikatoren wie der europäische Einkaufsmanagerindex oder der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex weiter nachgeben und sich abkühlen. Aber nach wie vor verharren diese Indikatoren in einem Bereich, der immer noch Wachstum anzeigt. Dies erklärt, warum die Aktienmärkte sich derzeit in einer auf gedrücktem Niveau befindlichen Seitwärtstendenz eingeigelt haben. Die Bedingungen, welche die Handbremsen für die Jahresendrally lösen könnten, sind bekannt. Einzig, sie wollen nicht eintreten.
Währenddessen erweist sich der US-Präsident wieder einmal als besonders begabter Verhandlungsführer. Kurz vor den Gesprächen mit der chinesischen Delegation über die Handelszölle gibt er bekannt, dass das Ergebnis bereits mehr oder weniger feststeht. Nämlich, dass die Zollerhöhung von 10 % auf 25 % bei bereits mit Zöllen belegten Waren kommt und dass er die restlichen Einfuhren aus China gleichfalls mit Zöllen zu belegen gedenkt. Die Quittung für diese geniale Strategie beginnt anzurollen. Selbstverständlich erhöhen die Zölle die Kosten für US-amerikanische Unternehmen und Verbraucher. Und ebenso selbstverständlich wird das sensible internationale Lieferketten-Geflecht auch von US-Unternehmen empfindlich gestört. Nach der angekündigten Produktionsverlagerung des Motorrad-Herstellers Harley-Davidson hat nun auch der Automobil-Gigant GM drastische Sparmaßnahmen angekündigt, die inklusive Werkschließungen ca. 15.000 Arbeitsplätze kosten werden. Donald Trump versucht zwar, die Schuld von sich zu weisen, aber die Auswirkungen seiner überaus schädlichen protektionistischen Handelspolitik beginnen erst, sich zu zeigen. Die Jahresendrally wird deshalb wohl über Silvester hinaus verschoben werden müssen. Oder zumindest so lange, bis der ein oder andere populistische Regierungschef, ob nun in den USA oder Italien, zur Vernunft kommt.
Marktkommentar von Michael Beck, Leiter Assset Management Bankhaus ELLWANGER & GEIGER