Überliste dich selbst!
11.09.2018
Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH / Foto: © CREDO Vermögensmanagement GmbH
Was treibt uns an?
1979 haben die beiden Psychologen und späteren Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky mit ihrer „neuen Erwartungstheorie" darlegen können, warum Menschen Verluste höher gewichten als Gewinne. Beispielsweise ärgert man sich über den Verlust von 100 Euro mehr, als man sich über den Gewinn von 100 Euro freut. Entscheidungen werden selten logisch getroffen, insbesondere wenn Unsicherheiten wie Kursverläufe an den Kapitalmärkten eine Rolle spielen.
Für die Kapitalanlage bedeutet dies, dass Investoren zu nicht rational begründbaren Verhaltensmustern neigen, die sich in ihren Entscheidungen und damit auch in den Kursen der Wertpapiere niederschlagen. Es kommt immer wieder zu Über- und Untertreibungen an den Märkten. Der Homo Oeconomicus muss als realitätsfern angesehen werden. Langfristig erfolgreich werden diejenigen Anleger agieren, die über eine gewisse mentale Stärke verfügen und mehr rationale anstelle von emotionalen Entscheidungen treffen können.
Ein konkretes Beispiel mag dies veranschaulichen: Die Entwicklung an den Aktienmärkten verlief zuletzt nicht mehr synchron. In den USA bescherte die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von US-Präsident Donald Trump von 35 auf 21 Prozent den US-Titeln eine regelrechte Sonderkonjunktur.
Die US-Technologietitel wie Amazon, Apple und Google regen die Phantasie der Anleger zusätzlich an und notieren derzeit auf historischen Höchstständen. Ihre Bewertung ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Es sind phantastische Unternehmen – daran besteht kein Zweifel. Allerdings sind diese Titel als langfristige Kapitalanlage im Einkauf derzeit zu teuer. Das Rückschlagpotenzial in den USA ist so hoch wie lange nicht, wie der Kurseinbruch der Facebook-Aktie um mehr als 25 Prozent Ende Juli eindrücklich zeigt.
Dem gegenüber ist die Bewertung von Schwellenländeraktien geradezu sensationell preiswert. Zwar waren US-Aktien schon immer höher bewertet als andere Werte; aber diese Ausweitung ist ungewöhnlich und bietet Anlegern attraktive Gelegenheiten in den Schwellenländern. Konkret bedeutet dies, dass wir Schwellenländeraktien in den Depots höher gewichten als US-Aktien.
Quelle: Hoppe und Schultz AG, Monatsbericht Juli 2018
Investieren bedeutet für uns, langfristig aussichtsreiche Anlageklassen zu identifizieren und ins Depot zu nehmen. Unter Spekulieren verstehen wir, irgendwelche Wertpapiere in Erwartung steigender Kurse aufgrund einer „Story" zu erwerben. Wir sind Langfrist-Investoren und keine Spekulanten! Deshalb orientieren wir uns an der Bewertung von Wertpapieren und nicht der allgemeinen Marktstimmung. Der Zeitpunkt für eine Investition ist in bestimmten Segmenten günstig wie lange nicht mehr, denn der Pessimismus in vielen Bereichen ist zuletzt deutlich gestiegen. Das ermutigt uns, antizyklisch zu investieren und zu kaufen, wenn es preiswerte Gelegenheiten gibt.
Indexgewichtung
Investoren, die eine passive Strategie in Anlehnung an den MSCI World-Index verfolgen, sollten diese aus Risikoaspekten derzeit kritisch hinterfragen. Mit dem Kauf eines MSCI-World-ETF erwirbt der Anleger automatisch ca. 60 Prozent US-Aktien und lediglich drei Prozent deutsche Titel. Schwellenländeraktien sind nicht im MSCI-Index, sondern nur in geringer Gewichtung im MSCI World AC-Index enthalten. Unter den Top-Ten-Titeln im MSCI World-Index befinden sich sechs Technologiewerte, zwei Banken, ein Pharmawert und eine Ölaktie. Eine breite Streuung sieht anders aus. Die Gewichtung nach Marktkapitalisierung bedingt, dass die Anleger von den teuersten Titeln automatisch am meisten erwerben. Dies führt zu einer Trendbestätigung, solange die Märkte steigen. Im Falle einer Korrektur können die Verluste dafür heftiger ausfallen als gedacht.
Fazit: Wenn wir typische Verhaltensfehler im Sinne der Theorie von Kahneman und Tversky erkennen, können wir unsere eigenen Entscheidungen durch die Orientierung an Regeln optimieren. Zusätzlich können wir die Chancen nutzen, die durch das Fehlverhalten anderer entstehen. Warren Buffett hat es trefflich so formuliert: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind." Wir müssen uns selbst überlisten!
Kolumne von Wolfgang Juds, CREDO Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg