Rückkehr der „German Angst“?

04.07.2018

Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung / Foto: © valorvest

Ausblick Renten

Die EZB hat sich in Bezug auf das Anleihekaufprogramm klar positioniert. So wird das Anleihekaufprogramm bis September mit 30 Milliarden Euro fortgesetzt und daraufhin mit 15 Milliarden Euro bis Ende Dezember auslaufen. Allerdings sind wir von einem Anstieg des Leitzinsniveaus und einer Rückführung der aufgeblähten EZB-Bilanz noch meilenweit entfernt. So wird die EZB auch 2019 bis auf weiteres fällige Wertpapiere, die sie im Bestand hält und daraus resultierende Zinszahlungen, weiterhin für Anleihekäufe nutzen. Auch die Leitzinsen werden angesichts einer Kerninflationsrate von 1,0 Prozent in der Eurozone weiter niedrig bleiben. In dieser Gemengelage ist ein starker Zinsanstieg in der Eurozone unwahrscheinlich.

In diesem Zusammenhang lohnt vielmehr ein Blick auf den US-Dollar zur Depotbeimischung, der von weiter steigenden Zinsen in den USA profitieren könnte, sofern die Inflationsrate dort nicht noch stärker steigen sollte. Schutzzölle, steigende Ölpreise und ein zunehmender Lohndruck wirken in den USA inflationstreibend, was eine Inflationsrate von 2,8 Prozent im Mai verdeutlicht bei einer Kerninflationsrate von 2,2 Prozent.

Solange das Wirtschaftswachstum intakt bleibt, dürfte die FED ihren geldpolitischen Kurs beibehalten und den Leitzins weiter erhöhen. Von einem restriktiveren geldpolitischen Kurs könnte der US-Dollar durchaus profitieren, was aus Sicht eines Euro-Anlegers natürlich positiv wäre. Auch angesichts der politischen Turbulenzen sollten Anleger im Bereich der Anleihen prüfen, wie international sie in diesem Segment aufgestellt sind. Der Fokus sollte dabei jedoch auf Euro-denominierte Anleihen ausgerichtet bleiben. So haben sich die Konditionen von ausgewählten Euro-Unternehmensanleihen und Schwellenländeranleihen in Hartwährung zuletzt deutlich verbessert.

German Angst

Gegen die Rückkehr der „German Angst“ ist eine nüchterne, sachliche Analyse, bei der man sich auf die strategisch wichtigen Themen konzentriert, das beste Rezept. Das tägliche Rauschen in den Märkten, wie wir es zuletzt am Beispiel des Unionsstreits in Deutschland erlebt haben, ist für den Anleger strategisch vollkommen unbedeutend. Anleger sollten sich bei Investitionsentscheidungen gerade nicht von emotionalisierten und verkürzten Diskussionen auf Social Media-Plattformen leiten lassen.

Die alte Börsenweisheit „Hin und her macht Taschen leer“ erhält bei dem Kasperletheater, das wir aktuell auf der politischen Bühne erleben, ohnehin eine völlig neue Dimension. Anleger sollten sich daher auf die strategisch wichtigen Themen konzentrieren, die sich überwiegend aus ihrer persönlichen Lebenssituation ergeben und sich viel präziser analysieren lassen, als zum Beispiel die für die Anlageentscheidung irrelevante Fragestellung, ob ein Minister nun im Amt bleibt oder nicht.

Die strategische Ausrichtung eines Portfolios, das möglichst optimal zu der individuellen Lebenssituation, der Risikomentalität und dem Anlagehorizont eines Anlegers passen sollte, verschafft dem Anleger auch in unruhigen Zeiten das Gefühl der Sicherheit – jenseits einer künstlich hochgepuschten „German Angst“.

Kolumne von Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung in Stuttgart