Rolle rückwärts in UK?
19.09.2017
Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung / Foto: © Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung
Mit Europa lassen sich wieder Wahlen gewinnen
Die pro-europäischen Wahlergebnisse in Frankreich und den Niederlanden haben sich auch im politischen London herumgesprochen. Die Zustimmung für einen harten Brexit oder gar ein „No Deal“, also ein Abrechen der Verhandlungen, nimmt kontinuierlich ab. Da passt es ins Bild, dass die Labour-Partei bereits offen über ein neues Referendum diskutiert. Ex-Premierminister Tony Blair ist nur einer von vielen prominenten Unterstützern. Es wächst auf der Insel die Furcht vor einem wirtschaftlichen Niedergang. Während Euroland prosperiert, ziehen im Vereinten Königreich dunkle Wolken auf. Wie wir alle wissen, verändern ökonomische Realitäten die politischen Mehrheiten. Eine aufziehende Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit wird die Bevölkerung zu Recht dem anstehenden Brexit zuschreiben. Aufgrund des kläglichen Zustands der derzeitigen Regierung und der Gespaltenheit des Landes sind im Krisenfall Neuwahlen nicht ausgeschlossen. Die Labour-Partei beginnt sich schon heute zu positionieren.
Ökonomische Vernunft wird siegen
Viele Umfragen deuten an, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung Großbritanniens noch nicht komplett gedreht hat. Im Krisenfall wird sich das ändern. Aus unserer Sicht wird der ökonomische Druck in den kommenden Monaten auf die Londoner Regierung stetig steigen, was den harten Brexit schon heute sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt. Das Vereinigte Königreich wird sich auf die EU zubewegen müssen. Wie weit, wird sich zeigen. Möglich ist alles. Kein Brexit oder ein sehr weicher bzw. symbolischer Ausstieg, der in Wirklichkeit keiner ist, aber der britischen politischen Klasse die Gesichtswahrung garantiert. Es bleibt zu hoffen, dass auf diesem Weg nicht massenhaft und unnötig Arbeitsplätze verloren gehen.
Opportunitäten könnten an den Kapitalmärkten entstehen
Seit der Brexit-Entscheidung kam nicht nur das britische Pfund unter Druck, sondern auch die Aktienkurse vieler Unternehmen. Da an der Börse nicht die Vergangenheit oder Gegenwart, sondern stets die Zukunft gehandelt wird, ist die politische Entwicklung auf der Insel genau zu beobachten. Steigen die Wahrscheinlichkeiten für den Verbleib des Vereinigten Königreichs oder für einen weichen Brexit wird das sehr schnell in den Kursen Berücksichtigung finden. Insbesondere der Londoner Immobilienmarkt erscheint vor diesem Hintergrund interessant. Die Kurse von Unternehmen, die erstklassige Londoner Gewerbeimmobilien im Besitz haben, sind in Euro gerechnet seit dem Brexit-Votum um etwa 50 Prozent gefallen. Bei Bewegungen dieser Größenordnung werden wir hellhörig. Auf der britischen Insel entstehen gerade Investmentchancen.
Kolumne von Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH