Neue Pflichten für Finanzdienstleister bei Online-Geschäften
29.03.2023

Dr. Daniel Kendziur, Partner bei Simmons & Simmons. / / Foto: © Simmons & Simmons
Auf Finanzdienstleister kommen in Zukunft zusätzliche Pflichten zu. Am 28. März stimmte der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament einer Vorlage zu, die Änderungen der EU-Vorschriften für im Fernabsatz abgeschlossene Finanzdienstleistungsverträge vorsieht.
Finanzinstitute unterliegen im Zuge der geplanten Neuregelung bei sämtlichen Verträgen mit privaten Endkunden künftig dem Verbraucherschutzrecht, die bisherige Finanzdienstleistungs-Richtlinie soll aufgehoben werden. Die für Finanzdienstleistungen relevanten Passagen werden in der Verbraucherrechte-Richtlinie in einem eigenen Kapitel abgebildet. Das weitere Gesetzgebungsverfahren ist nun vorgezeichnet, die finale Fassung der Richtlinie muss dann innerhalb von zwei Jahren in deutsches Recht umgesetzt werden.
Aus
Sicht von Dr. Daniel Kendziur, Partner der internationalen
Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons, ist vielen Finanzinstituten
die Tragweite der geplanten Veränderungen noch nicht bewusst. „Die
geplante Neuregelung hat nicht nur Auswirkungen auf Anbieter im
E-Commerce. Durch die Integration sämtlicher Finanzdienstleistungs- und
Vermittlungsverträge in das Verbraucherschutzrecht werden viele
Finanzdienstleister erstmals von diesen Regelungen betroffen sein.
Daraus entstehen erweiterte Pflichten, auf die sich Finanzinstitute
umgehend vorbereiten sollten.“
Sämtliche Verträge mit Endkunden von Verbraucherschutzrecht betroffen
Zu den wesentlichen geplanten Änderungen zählt auf der einen Seite die verpflichtende Einführung eines Widerrufs-Buttons für alle online abgeschlossenen Finanzdienstleistungsverträge. Davon ausgenommen bleiben wie bisher im Widerrufsrecht Finanzdienstleistungen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können – das betrifft etwa Aktien oder Investmentfonds. Auch Reise- und Gepäckversicherungspolicen oder ähnliche kurzfristige Versicherungspolicen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat sind ausgenommen.
Aufgrund der denkbar weiten Formulierungen des zur Abstimmung gestellten Ausschuss-Vorschlags ist nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass es den Widerrufs-Button grundsätzlich für alle online getätigten Vertragsabschlüsse im Finanzdienstleistungssektor geben wird, so zum Beispiel für Kreditabschlüsse oder Finanzdienstleistungsverträge wie etwa die Eröffnung eines Girokontos oder eines Wertpapierdepots. Der Widerruf soll – ähnlich zu der seit 2022 eingeführten digitalen Kündigungsschaltfläche – zweistufig erfolgen: Die erste Stufe betrifft die Identifikation mit Eingabe der Vertragsdetails, die zweite Stufe wird eine Bestätigungsschaltfläche „jetzt widerrufen“ darstellen. Ebenso soll es eine Bestätigung des Widerrufs in abspeicherbarer Form geben. Den Verbrauchern müssen 14 Kalendertage garantiert werden, um betroffene Verträge widerrufen zu können, auch ohne Angabe von Gründen. Bei Geschäften in Zusammenhang mit privater Altersvorsorge wird die Standardfrist auf 30 Kalendertage für Fernabsatzverträge verlängert.
Bereits seit 2022 gilt, dass Unternehmen, die Verbrauchern online den Abschluss eines kostenpflichtigen Dauerschuldverhältnisses – also ein wiederkehrendes Modell wie etwa einen Mobilfunk-Vertrag oder ein Streaming-Abonnement – ermöglichen, auch einen Kündigungs-Button auf ihrer Website anbieten müssen. Mit der geänderten Regelung gilt dies künftig auch für Vertragsabschlüsse jenseits von Dauerschuldverhältnissen.
Neben Banken und Versicherungen auch Fintechs und Insurtechs betroffen
Aus
Sicht von Dr. Daniel Kendziur ist damit im Prinzip jede Bank und jede
Versicherung, die Online-Dienstleistungen anbietet, betroffen. Auch
dürfte eine Vielzahl von Fintechs und Insurtechs mit Online-Angeboten
für private Endkunden unter die künftige Neuregelung fallen.
„Finanzunternehmen, die Verträge mit Verbrauchern online abschließen,
müssen ihre Website in Zukunft so umstellen, dass sie Kündigungs- und
Widerrufsmöglichkeiten gemäß dem Verbraucherschutzrecht vorsehen. Die
Alternative wäre, sich von Verbraucherverträgen im Online-Bereich zu
verabschieden“, erklärt Kendziur. „Finanzunternehmen sind nun in einer
ähnlichen Situation wie Telekommunikationsunternehmen im vergangenen
Jahr, als sie in Folge des inzwischen verpflichtenden Kündigungs-Buttons
bei Abo-Modellen tätig werden mussten.“
Bundesregierung dürfte Umsetzung in nationales Recht beschleunigt angehen
Mit der positiven Abstimmung im EU-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz gibt es nun einen konkreten Fahrplan: Die Vorschläge zur Veränderung der Verbraucherrechte-Richtlinie gehen nun in die sogenannte Trilog-Phase zwischen EU-Kommission, Europäischem Parlament und Rat der Europäischen Union, um den Entwurf in einen finalen Richtlinientext zu überführen. Innerhalb von zwei Jahren muss die einmal beschlossene Richtlinie dann in nationales Recht umgesetzt werden.
Nach
Einschätzung von Dr. Daniel Kendziur könnte ein finaler Richtlinientext
spätestens im Herbst dieses Jahres vorliegen, gegebenenfalls sogar
früher, da die deutsche Regierung ein großes Interesse an einer
schnellen Umsetzung haben dürfte: „Zum einen ist die Absicht, eine
Neuregelung der Verbraucherrechte-Richtlinie herbeizuführen, im
bestehenden Koalitionsvertrag verankert, zum anderen dürfte ein
Inkrafttreten vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 im
Interesse der Regierungsparteien sein.”

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