Neue Haftungsrisiken und ihre Auswirkungen
22.09.2014
Die bei Erstversicherer beachtete sigma-Studienreihe der Rückversicherung Swiss RE wird fortgesetzt. Im Mittelpunkt der neuesten Ausgabe steht die Haftpflichtversicherung in einem neuen Risikoumfeld.
2014-09-23 (fw/db) Die neueste Studie „Schadentrends in der Haftpflichtversicherung: Neue Risiken und sich verstärkende wirtschaftliche Einflussfaktoren“ von Swiss Re zeigt auf, dass das schwache Wirtschaftswachstum einer der Hauptgründe für die geringen Haftpflichtschäden in der letzten Periode war. Neue Risiken und ein stärkeres Wirtschaftswachstum werden jedoch höhere Schäden zukünftig mit sich ziehen, was die Nachfrage nach Haftpflichtdeckungen beleben könnte.
Neuartige Risiken nehmen zu
Eine Reihe technologischer, sozialer und regulatorischer Entwicklungen wird in naher Zukunft die Haftpflichtschäden ansteigen lassen. Die Cyber-Versicherung oder die Haftpflichtversicherung im Zusammenhang mit neuen Technologien wie die Erschließung von Energiereserven über Fracking oder selbstfahrenden Autos, wie die neue S-Klasse von Daimler, werden größere Bedeutung erlangen.
Reformen des Haftpflichtrechts in einigen Märkten haben sich nach Meinung von Swiss RE positiv auf die Schadenhöhe ausgewirkt, doch seien dies einmalige Effekte, welche die weitere Zunahme von Haftpflichtschäden nicht bremsen werden.
Die Assekuranz ist zudem besorgt über potenzielle Risikokumulationen. Danach multiplizieren sich die versicherten Schäden eines einzelnen Ereignisses über mehrere Unternehmen, Länder, Branchen und Geschäftssparten hinweg.
„Mit der zunehmenden globalen Vernetzung – über Internetverbindungen und Lieferketten – nimmt das Risiko von Haftpflichtkatastrophen zu“, erklärt Jayne Plunkett, Head of Casualty bei Swiss Re.
Haftpflichtschäden können sich wieder ausweiten
Wirtschaftliche und soziale Faktoren wie tiefe Inflation, ein geringe Zunahme der Löhne, Reformen des Haftpflichtrechts und eine günstige Entwicklung der Gesundheitskosten haben dazu geführt, dass die Haftpflichtschäden seit 2008 tiefer ausgefallen sind als erwartet.
Langfristig jedoch steigen die Forderungen aus Haftungen in der Regel rascher an als das Wirtschaftswachstum. Es wird daher erwartet, dass die Schäden auf den üblichen Wachstumspfad zurückfinden, was wiederum die Nachfrage nach passenden Haftpflichtversicherungen antreiben wird.
Nicht mehr benötigte Rückstellungen für Vorjahresschäden stützten in den letzten Jahren die Profitabilität der Versicherer. Nehmen Haftpflichtschäden wieder stärker zu, kommen diese Rückstellungen bzw. Reserven unter Druck. Eine beschleunigte Auflösung von Reserven im Falle von hohen Schäden könnte die Profitabilität bereits existierender Versicherungsbestände erodieren.
Versicherungstechnisches Fachwissen gefordert
Haftpflichtrisiken einzuschätzen und die Prämien dafür zu bestimmen, ist angesichts ihrer langfristigen Natur eine Herausforderung, da die Schadenregulierung oft erst viele Jahre nach Versicherungsabschluss erfolgt. Die Assekuranz muss ihr versicherungstechnisches Fachwissen nutzen, um ihre Preisgestaltung zu optimieren. Zudem muss sie aufgrund der langfristigen Natur ihres Geschäfts und des steigenden Schadenaufwands – unter anderem auch angesichts immer besser dotierter Fonds zur Führung von Prozessen – ihre Kapitalstärke erhalten.
Big Data und die Modellierung zukünftiger Ereignisse
Die Versicherer müssen innovativ agieren, um sich bietende Marktchancen zu ergreifen. Big Data und vorausschauende Modellierungen erlauben statistische Analysen, um dem besseren Verständnis der wichtigsten Risikofaktoren führen. Während die auf Vorhersagen basierenden Modelle künftige Ergebnisse unter relativ stabilen Bedingungen vorwegnehmen können, fokussieren sich die vorausschauenden Modelle auf die Ursache-Wirkungs-Kette von Haftpflichtschäden.
„Den Versicherern stehen heute so viele Daten zur Verfügung wie nie zuvor“, meint Thomas Holzheu, Mitautor der sigma-Studie. „Sie können diese nutzen, um die komplexen Beziehungen zwischen beobachtbaren Risikofaktoren einerseits sowie der Häufigkeit und Schwere der Schäden andererseits besser zu verstehen und die Qualität des Underwritings zu erhalten.“
Dietmar Braun
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