Mittelstandsanleihen: Wie geht es weiter?
14.06.2015
Ralf Meinerzag
Im „Standpunkt German Mittelstand" äußert sich das Team um Ralf Meinerzag, CIO des STEUBING GERMAN MITTELSTAND FUND I.
Haltet den Dieb!
Im letzten Jahr ist viel über Mittelstandsanleihen und die Ausfälle / Insolvenzen geschrieben und gesagt worden. Die Einen sprechen von dem Scheitern eines kompletten Segmentes. Andere behaupten, dass schon die Namensgebung „Mittelstandsanleihen" ein Etikettenbetrug gewesen sei. Nach dem Prinzip „Haltet den Dieb" zeigt jeder auf einen anderen Beteiligten, um von sich und seinen Fehlern abzulenken. Wer sitzt alles an diesem Tisch, der vor vier Jahren so reichlich gedeckt schien und so furios mit den ersten Emissionen gestartet ist? Da haben wir zuerst natürlich den Emittenten der Anleihe, die begleitende Bank, PR- und IR-Agenturen, Rechtsanwälte für die Prospekte, die Börsen, die Journalisten und, nicht zu vergessen, die Investoren – institutionelle oder private Kunden. Durch die Insolvenzen ist in den vergangenen Monaten noch eine ganz neue Gruppe dazu gekommen, die wir hier und heute nicht betrachten möchten: Die Insolvenzverwalter und Gläubigervertreter.
Überlebt der Markt?
Was heißt dies aber nun konkret? Ist der Markt für Mittelstandsanleihen (wir können hier durchaus auch von einem Markt für High-Yield-Anleihen sprechen) wirklich tot? „Das glauben wir nicht. Momentan ist das Vertrauen massiv erschüttert. Dennoch haben wir zumindest zwei Gründe, die gegen das Scheitern sprechen. Es gibt durchaus kleine und mittlere Unternehmen, die eine stärkere risikoorientierte Kapitalaufnahme brauchen, die sie nicht über den klassischen Kreditweg aufnehmen können. Gleichzeitig sind die Zinsen weltweit so niedrig, dass das Kapital bereit ist höhere Risiken für höhere Zinsen einzugehen", führt Ralf Meinerzag aus.
Wer ist schuld?
Aber der Markt verändert sich gerade. Alle Beteiligten wollen nicht die Schuldigen sein. Grundsätzlich muss hier zunächst festgehalten werden, dass gegen Betrug niemand gefeit ist, auch nicht die großen Banken bei der Vergabe von Krediten. Sind die Bilanzen gefälscht, dann sind alle Überlegungen und Berechnungen Makulatur. Aber die Mehrzahl der Emittenten versucht sich auf dem Kapitalmarkt mit der Begebung einer Anleihe zu etablieren. Hier werden sicherlich Fehler gemacht. Der klassische Mittelständler möchte nur ungern kommunizieren. Die emissionsbegleitenden Banken und Agenturen sehen sich häufig (wenn es nicht anders vertraglich festgehalten worden ist) nur bis zur ersten Zeichnung im Lead. Danach haben sie nur noch einen begrenzten Einfluss auf das Unternehmen. Institutionelle Investoren können zumindest durch ihre Größe und Researchmöglichkeiten beim Unternehmen direkt vorstellig werden. Dann kann aber das Kind schon im Brunnen liegen. Denn Journalisten sind im Interesse der Privatanleger auf Dinge aufmerksam geworden, die mit einer transparenten Informationspolitik vielleicht ohne Schaden erklärbar gewesen wären. Und schon sind Gerüchte im Markt. Ein Markt, der eigentlich von seinem Vertrauensvorschuss leben müsste. Aufmerksame Privatkunden versuchen die einzelnen Titel möglichst schnell und ohne Verluste wieder abzustoßen. Da es sich um einen illiquiden Markt handelt, dreht sich die Kursspirale ganz schnell abwärts.
Die Lösung?
Das ist sicherlich ein Grund, warum in den letzten Monaten vermehrt Privatplatzierungen auf den Markt gekommen sind. Der Emittent und die begleitende Bank müssen nicht die Öffentlichkeit suchen, da sie ihr Angebot ausschließlich an institutionelle Investoren machen. Gleichzeitig kann die Privatplatzierung auch eine Art Versuchsballon in einer Nische sein, um zu testen, wie der Markt die Begebung einer öffentlichen Anleihe annehmen würde. Ralf Meinerzag: „Privatplatzierungen sollten aber unbedingt in der Hand von institutionellen Anlegern bleiben und nur durch Fonds für Privatkunden zugänglich gemacht werden. Denn gerade bei der Beurteilung von Privatplatzierungen ist ein professionelles Research unumgänglich."
Fazit:
Es ist spannend. Klar ist, das Segment wird sich verändern. Entweder hin zu einem Nischenprodukt, welches ausschließlich für professionelle Investoren interessant ist. Oder alle beteiligten Institutionen, die an der Begebung einer Anleihe beteiligt sind, müssen sich stärker selbst hinterfragen und nicht nur auf den Anderen zeigen und „Haltet den Dieb" rufen.