Mehr Qualität im Gesundheitswesen – geht das?

30.01.2015

Das 6. SDK Symposium zum Thema Gesundheit zeigte, dass die Zufriedenheit der Patienten und eine Kostenersparnis bei den Trägern kein Widerspruch sind. Eine transparente humane Medizin sei das Ziel.

2015-01-31 (fw/db) Bürger besser aufklären, Personal stärker weiterbilden, einfache Maßnahmen mit großer Wirkung umsetzen und von Vorbildern wie den USA lernen – damit sind nur einige wenige Punkte genannt, die Experten auf dem Symposium 2015 der SDK-Stiftung im Haus des Sports in Bad Cannstatt in Stuttgart herausgearbeitet haben. Das jährliche Symposium hat sich bereits als feste Institution des Meinungsaustauschs etabliert.

„Gesunde Qualität – Gesundheitsversorgung auf dem Prüfstand“

„Qualität begegnet uns in allen Bereichen des Lebens“, sagt Klaus Henkel, Kuratoriumsvorsitzender der SDK-Stiftung. Ganz besonders aber hinge die Lebensqualität fundamental von Gesundheit ab.

„Das deutsche Gesundheitssystem hat einen der höchsten Standards weltweit“, so Henkel, dennoch müsse man permanent an seiner Optimierung arbeiten, um die Qualität dauerhaft abzusichern.

„Qualität ist wichtig für unsere Stiftung“, sagt Dr. Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender der SDK Krankenversicherung, und ergänzte mit Blick auf das Gesundheitswesen: „Sie sollte kein Privileg für die Privatversicherten sein, sondern das ganze System betreffen.“

Fünf Experten beleuchteten auf dem diesjährigen SDK-Symposium die Frage nach der Qualität jeweils aus ganz unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln.

Wenn ein Patient drei Tage nach Krankenhaus-Einweisung Fieber bekommt, dann ist das ein Hinweis auf eine Infektion, die er sich in der Einrichtung zugezogen haben könnte. Wenn ein Knochenbruch nicht richtig verheilt, dann gab es möglicherweise Versäumnisse in der ambulanten Versorgung. Und wenn ein Patient gar im Rahmen eines Wahleingriffs verstirbt, dann war die Operation vielleicht eine Fehlentscheidung. All das sind Beispiele für Fehler, die eigentlich vermeidbar sind, aber dennoch täglich passieren, weil Abläufe in Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen nicht optimal aufeinander abgestimmt sind.

„Über Qualität zu sprechen, ist daher unbedingt erforderlich“, sagte Dr. Bernd Brüggenjürgen, Leiter des SDK-Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie. „Die Schwierigkeit ist, dass sie sich nicht so einfach messen lässt wie in anderen Branchen.“

Als Schritt in die richtige Richtung lobte er das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG), das nun seit Januar 2015 im Auftrag der Bundesregierung Qualität erforschen und sichern soll.

Patienten sollen lernen mitzudenken

Der PKV-Verband plant aktuell die Errichtung eines eigenen Institutes, um Qualitätskontrolle nach eigenen Maßstäben durchführen zu können.

„Wir möchten einen eigenen Beitrag leisten“, sagte Dr. Timm Genett, Leiter der Abteilung Politik des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV). Das Institut der PKV soll einen besonderen Schwerpunkt haben: die Aufklärung der Patienten. Durch Öffentlichkeitsarbeit möchte der PKV die Bürger informieren, damit diese in Zukunft besser einschätzen können, welche Operationen und Therapien ihnen helfen und welche überflüssig sind. Genett zitierte den Gesundheitsmonitor 2014, eine Studie der Bertelsmann Stiftung, nach der sich mehr als die Hälfte aller Patienten eine gemeinsame Entscheidung mit dem Arzt wünschen. „Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient muss verbessert werden“, resümiert Dr. Genett.

Qualität in der Pflegeleistung

Mit Qualität im Pflegesektor befasste sich Dr. Astrid Elsbernd. Entgegen der allgemeinen Annahme erklärte die Professorin der Fachhochschule Esslingen, dass Personalmangel gar nicht das größte Problem sei. Was wirklich fehle, sei Personal mit höheren Qualifikationen.

„Uns mangelt es nicht so sehr an Händen, sondern vielmehr an Köpfen. Es gibt zu wenig Schulungsangebote und Fachvertiefungen. Wir brauchen aber Personal, das in der Lage ist, wie Ärzte zum Patienten in die Tiefe vorzudringen“, sagt Expertin Dr. Elsbernd.

Ein häufiges Problem sei auch, dass Ärzte und Pflegepersonal nicht den gleichen Erfahrungshorizont hätten, wodurch sich Probleme in den Prozessen ergeben könnten. Dabei sei es wichtig, dass Ärzte und Pfleger an einem Strang zögen.

Elsbernd wünscht sich eine „interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, so wie dies in den USA praktiziert wird. Beim so genannten „Primary Nursing“ übernähme eine Pflegekraft die Verantwortung für einen Patienten und betreue diesen ganzheitlich.

Messung schafft Mehrwerte im Wettbewerb

Einen Blick auf den amerikanischen Gesundheitsmarkt eröffnete Dr. Franz Fogt. Er berichtete aus seinem Arbeitsalltag als Leiter der Pathologie und Labormedizin am Universitätshospital der University of Pennsylvania. Dort hat er bereits Maßnahmen zur Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen umgesetzt.

„Fangen Sie mit kleinen Projekten an wie der Handhygiene“, empfiehlt Dr. Fogt. Dadurch verringere sich die Anzahl der Wundinfektionen, was den Patienten viel Leid erspare und dem Krankenhaus viel Geld. „Wir haben beispielsweise durch ein Programm, das 29.000 Dollar gekostet hat, 125.000 Dollar gespart. Wenn man einmal damit anfängt, möchte man gar nicht mehr aufhören.“

Die Verbesserungen führten in seiner Klinik zu einer geringeren Sterberate und verhalfen der Einrichtung zu einem der höchsten Standards in den USA.

„Träger, die die Qualitätsmessung in der eigenen Einrichtung offen nach außen kommunizieren, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Deshalb veröffentlichen wir die Erfolge auf unsere Website“, sagte Dr. Fogt.

Der Porsche im Gesundheitswesen

Was haben die Automobilindustrie und das Gesundheitswesen gemeinsam? Eigentlich nicht viel, dennoch können beide durchaus voneinander lernen. Wie das geht, erläuterte Dr. Roman Hipp von der Managementberatung Porsche Consulting GmbH, einer Tochter der Porsche AG.

Ähnlich einem Boxenstopp bei einem Autorennen hat sein Unternehmen die OP-Wechsel in einem Krankenhaus strukturiert. Im Ergebnis durchgeplant, zügig, aber gleichzeitig ruhig.

„Hektik ist kein Zeichen von Qualität“, sagte Hipp. „Oftmals lassen sich mit einfachen Maßnahmen die Potentiale gleich viel besser nutzen. Der Blick über den Tellerrand lohnt sich.“ Mit einem neu strukturierten OP-Plan könne ein Krankenhaus 30 Prozent der Zeit einsparen.

Fazit: Das SDK-Symposium zeigte wie Qualität im Gesundheitswesen verbessert wird und warum dies im Interesse einer humanen Dienstleistung wichtig ist. Erforderlich sind ein mündiger Patient und mehr Verantwortung in der Planung der Prozesse bei der Behandlung und bei der Erbringung von Leistungen. Zufriedenheit der Patienten und eine Kostenersparnis bei den Trägern ist der Lohn.

Dietmar Braun