Italien und Österreich haben klar entschieden

05.12.2016

Michael Beck © Ellwanger & Geiger

Gestern, am Sonntag, den 4. Dezember 2016, kassierte das sogenannte „Establishment“ eine weitere Niederlage. Eine Mehrheit der Italiener hatte das Gefühl, seinem vor nicht allzu langer Zeit gewählten Ministerpräsident Matteo Renzi das Gefolge zu verweigern und gegen die Verfassungsänderung zu stimmen – und dies mit einer klaren Mehrheit von knapp 60% der abgegebenen Stimmen. Ziel des Referendums war hauptsächlich eine Verschlankung des Gesetzgebungsprozesses und Regierungstätigkeit durch die Konzentration auf eine Abgeordnetenkammer im italienischen Parlament, die Gesetze erlassen kann. Das Verfassungsreferendum in Italien brach Ministerpräsident Renzi ebenso ohne Not vom Zaun wie David Cameron seine Brexit-Abstimmung in Großbritannien. Leider brachte es ein anderes Ergebnis als jenes, das Ministerpräsident Renzi bei Ausrufung des Referendums erwartet hatte. Renzi zog aus der krachenden Niederlage seine angedrohte Konsequenz und kündigte seinen zügigen Rücktritt an. Die Finanzmärkte reagierten relativ besonnen, da sie nach den klaren Umfrageergebnissen das „Nein“ in Italien weitgehend eingepreist hatten. Insbesondere der klare Wahlsieg des grünen Präsidentschaftskandidaten van der Bellen in Österreich trug zur Beruhigung der Lage bei. Österreich bleibt der verlässliche und pro-europäisch eingestellte Partner, da ein (EU- und Eurokritischer) Rechtsruck verhindert wurde. Das letzte, was Europa derzeit jedoch brauchen könnte, wären Neuwahlen in Italien mit einem populistischen Gewinner Grillo, der den Euro und/oder die EU verlassen möchte. Insbesondere in diesem Fall könnte sich die Ablehnung des Referendums als Vorteil erweisen, da die höchst umstrittene Regelung, dass die stärkste Partei, sofern sie über 40% Stimmenanteil landet, automatisch auf 55% Mehrheit angehoben wird, nun nicht umgesetzt wird.

Die befürchteten Katastrophenszenarien bei einem Nein-Votum, die von einem Aktiencrash bis zu Anleihenausverkäufen reichten, werden wohl nicht eintreten. Die Unsicherheit bis zu einer neuen Regierungsbildung wird aber leider bleiben. Es verbleiben der Makel der wieder einmal bewiesenen Reformunfähigkeit Italiens, die Herkulesaufgabe der Sanierung des notleidenden italienischen Bankensektors und der Staatsfinanzen sowie die Aufgabe der generellen Wiederbelebung der Wirtschaft. Insgesamt dürfte die erhoffte Jahresendrallye damit ausfallen. Man wird vielmehr damit beschäftigt sein, die aktuellen Kursniveaus zu verteidigen. EZB-Präsident Draghi dürfte bei seiner Pressekonferenz am Donnerstag wieder einmal die volle Aufmerksamkeit der internationalen Finanzmärkte zuteilwerden. Wir erwarten die Ankündigung der Verlängerung des Anleihenkaufprogramms der EZB über den ursprünglichen Termin September 2017 hinaus.

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