Investment-Phänomen NFT: 1 Milliarde für ein Kunstwerk?
26.03.2021
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Hohe Hürden für den Markteintritt
Verdächtig dabei der Zeitpunkt: Die ersten Zertifikate sind schon 2017 aufgetaucht, aber erst 2020 und vor allem 2021 setzte der Investoren-Run ein – genau zum Zeitpunkt von Lockdown-Langeweile, Bitcoin-Bullenmarkt und dem Trading Trend bei Kleinanlegern. Die Welt scheint im Zocker-Fieber und mögliche Gründe liegen auf der Hand: die Menschen haben weniger Freizeit-Angebote und suchen nach dem Ersatz-Kick. Doch was passiert, wenn sich diese Bedingungen ändern? Da die Zertifikate keine „Fähigkeiten“ besitzen, die die Preise absichern, könnte der Wert extrem schwanken.
Sicher ist: Der Markteintritt erfordert für Anleger nicht nur eine hohe Risikobereitschaft, sondern auch viel Fachwissen. NFT sind schließlich nicht austauschbar. Daher müssen Investoren verstehen, welche Zertifikate aus welchen Gründen bei Sammlern hoch im Kurs stehen. Trader mit diesen Kenntnissen können im aktuellen NFT-Markt absurd hohe Renditen in kürzester Zeit erzielen. So kaufte der Kunstsammler Pablo Rodriguez-Fraile im Oktober 2020 ein zehnsekündiges Video für 67.000 Dollar – und verkaufte es nur vier Monate später für 6,6 Millionen Dollar! In diesem Fall glaubt Rodriguez-Fraile an eine starke Wertentwicklung, weil es sich beim Erschaffer des Videos um den Rockstar der Szene handelt: Beeple.
Die Milliarden-Wette
Diesen Monat verkaufte Beeple das NFT zu seinem digitalen Kunstwerk „Everydays: the First 5,000 Days“ für schwindelerregende 69,3 Millionen Dollar! Damit zählt er nun zu den Top Drei der teuersten lebenden Künstler der Welt. Der Käufer ist der Krypto-Investmentfonds Metapurse. Der Chef des Fonds, Metakovan, glaubt sogar an eine astronomische Wertsteigerung bis zu einer Milliarde Dollar. Er wisse nur noch nicht bis wann. Der Preis des Kunstwerkes könnte aber auch kollabieren – trotz Künstler-Kult. Denn "Artnet News"-Kunstkritiker Ben Davis hat die 5000 Einzelbilder, aus denen sich Beeples Rekord-Collage zusammensetzt, genauer analysiert – und dabei einige Beispiele für rassistische, homophobe und sexistische Darstellungen oder Bildunterschriften gefunden. Sicher genug Angriffsfläche, um in einer zunehmend politisch korrekten Welt den Status des Digital-Assets als Kunst zerstören zu können. Darüber hinaus verbrauchen die NFT-Transaktionen extrem viel Energie – ein Problem in einer Welt, in der ESG-Kriterien immer wichtiger werden.
Der Pups-Protest
Der New Yorker Dokumentarfilmer Alex Ramírez-Mallis hat eine ganz besondere Form des Protests dagegen gewählt. Er versteigerte auf der Plattform OpenSea bisher 6 Fürze für je 85 Dollar und eine 52minütige „Master Collection“ von Pupsen für ein ganzes Jahr für rund 400 Dollar. Damit will er laut eigenen Aussagen diejenigen NFT-Käufer und Händler kritisieren, denen es nicht um die Kunstwerke gehe, sondern nur um mögliche Spekulationsgewinne. Eine digitale Demonstration, die so verrückt ist wie das Phänomen selbst. Am besten zusammengefasst hat den ganzen Hype sicher Beeple, als er den Kaufpreis für sein Rekord-NFT kommentierte: „Holy Fuck.“ (sh)