Himmelsstürmer aus der zweiten Reihe?

23.10.2023

Foto: © luna1904- stock.adobe.com

Einschnitte bringen Veränderungen mit sich. Insbesondere die Immobilienbranche hat im laufenden Jahr einiges zu verdauen. Und noch ist das Ende des Zinserhöhungszyklus nicht abzusehen. Den Blick dabei zu weiten und sich auf sogenannte B-Standorte einzulassen, kann nicht schaden. Insbesondere das Argument der steigenden Mieten erscheint überzeugend.

Die deutschen Hotspots, Metropolen in A-Lagen, waren lange Zeit fast schon unantastbar und alternativlos. Ob Hamburg, München oder Berlin. Die Nähe zur Arbeit, das urbane Leben mit seinen Vorzügen und nicht zuletzt die Niedrigzinsphase ließen die Großstädte erstrahlen und nicht wenige versuchten, sich im Speckgürtel der City niederzulassen. Der Sommer 2022 markierte eine Zäsur. Die EZB drehte zum ersten Mal an der Zinsschraube und noch scheint das Pateau nicht ganz erreicht. Zinssenkungen in den nächsten Monaten dürften folglich eher ein Traum bleiben. Laut Engel&Völkers beträgt der durchschnittliche Kaufpreis für eine Wohnung in München satte 10.500 Euro/m². Die Klientel, die sich das leisten kann, ist überschaubar. Die bayerische Landeshauptstadt ist keine Ausnahme, auch andere Zentren sind für den Normalverdiener mittlerweile schon unerschwinglich geworden.

Foto: © Kavalenkava- stock.adobe.comFoto: © Kavalenkava- stock.adobe.com

„Neue Stars“ am Immobilienhimmel

„B-Standorte und Metropolregionen sind die großen Gewinner der Abwanderung aus den Großstädten. Gewinnen aber auch an Zuwachs aus kleineren oder weniger gut angebundenen Orten der Bundesrepublik. B-Städte und sogenannte Speckgürtellagen sind die Gewinner am Immobilienmarkt. Hier finden sich bezahlbare Objekte, die eine breite Mieterschaft ansprechen. Damit ist die Nachvermietung gesichert und es gibt überhaupt ein Kaufangebot. Wir erwarten hier eine stärkere Entwicklung als in den Metropolen selbst“, sagt Daniel Preis, Co-CEO der Domicil Real Estate AG. Unterfüttert wird diese Aussage durch eine Analyse von Baufi24, wonach in B-Standorten oftmals stagnierende Kaufpreise auf konstant steigende Mieten treffen würden. Bruttomietrenditen von 4,0 % und mehr könnten an einigen Standorten erzielt werden. Insofern geraten Städte wie Leipzig, Bremen, Dortmund, Augsburg oder Nürnberg als vermeintliche Hidden Champions ins Visier der Investoren. Die Gründe liegen auf der Hand. Sie locken mit Wachstumsperspektiven, sind in unmittelbarer Nähe zu großen Industriestandorten und liegen verkehrsgünstig. Als Investitionsstandorte punkten B-Städte mit sinkenden oder nur leicht steigenden Kaufpreisen auf der einen und durchaus anziehenden Mieten auf der anderen Seite. Wie die Baufi24-Studie ausweist, belegte Duisburg am Ende 2022 mit +4,41 % den dritten Rang beim Anstieg der Bruttomietrendite unter den 50 größten deutschen Städten. Nur Saarbrücken (+4,76 %) und Gelsenkirchen (+4,86 %) wiesen einen höheren Wert aus. Auch die Ruhrmetropolen Essen und Dortmund konnten bei diesem Vergleich eindeutig punkten. Jörg Neuß, CEO der ACCENTRO Real Estate AG, lenkt in diesem Zusammenhang den Blick auf die bundesdeutsche Hauptstadt. „Berlin ist ein gutes Beispiel für die Dynamik zwischen Metropole und Umland. Der Wohnraummangel in der Hauptstadt ist stärker ausgeprägt als in jeder anderen deutschen Stadt. Die Preise sind trotz der Zinswende stabil geblieben und die Zukunftsaussichten für Anleger gut.

Gleichzeitig hat das Berliner Umland stark an Attraktivität gewonnen. Für Kapitalanleger besonders interessant – die Mieten ziehen an und die Mietrendite steigt.“ Dennoch gilt auch bei diesen B-Standorten, dass dem Ankauf des Bestands eine gründliche Analyse vorausgehen muss. Ein Wertsteigerungspotenzial ist schließlich nur dann gegeben, wenn der Standort in den kommenden Jahren an Nachfrage und Attraktivität gewinnen wird.

Immobilien als Langzeitinvestment

Im derzeitigen Marktumfeld sind Immobilien, ob nun in den Metropolen, Randlagen oder kleineren Städten keine Selbstläufer mehr. Die Zinslandschaft hat sich geändert und es ist nicht zu erwarten, dass die Zinsen noch einmal auf Null sinken. Insofern gilt es für Käufer bzw. Mieter, das Beste aus der Situation zu machen. „Man sollte Preise verhandeln – der derzeitige Markt ist ein Käufermarkt. Man sollte nach den günstigsten Vervielfältigern suchen, also nach dem besten Verhältnis von Kaufpreis zu Ist-Miete. Man sollte Sekundärdaten zu Rate ziehen, um zu beurteilen, ob sich die Mieten und die Immobilie in Zukunft positiv entwickeln können“, resümiert Experte Daniel Preis. Insbesondere auch die Infrastruktur rund um B-Lagen ist entscheidend. Industrie, Schulen, Krankenhäuser, um nur einige Stichpunkte zu erwähnen. Und bei allem gilt es, zu verinnerlichen, dass Immobilien eine langfristige Kapitalanlage sind. Sie sind das ideale Langzeitinvestment für die Altersvorsorge. Immobilien taugten nicht zum „Traden“, sie müssten auch verwaltet werden, und es sei nicht schlecht, dass dieser Trend erst mal wieder vorbei sei, fügt Co-CEO Preis in diesem Zusammenhang an. (ah)

Andere ThemenFinanzwelt Verlag