Gefährdet Versicherungspflicht Arbeitsplätze und Existenzen?

02.07.2015

Seit 1. Juli 2015 ist die Haftpflichtprämie für freiberufliche Hebammen erneut um bis zu 23 Prozent gestiegen. Freiberuflich tätige Hebammen müssen 6.274 Euro pro Jahr für ihre Haftpflicht bezahlen.

2015-07-03 (fw/db) Der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV) weist anlässlich der erneuten Prämiensteigerung am 1. Juli 2015 auf die anhaltend schwierige Lage freiberuflich tätiger Hebammen in einer Medienmitteilung hin.

Bereits in der Vergangenheit konnten viele Hebammen die steigenden Haftpflichtkosten aufgrund anhaltend niedriger Vergütung nicht mehr erwirtschaften.

Freiberufliche Hebammen haben nach wie vor keine längerfristige Planungsgrundlage bei Vergütung und Versicherung. Aktuell müssen sie die Haftpflichtsteigerung seit Juli 2015 zusätzlich alleine tragen, da ein Ausgleich durch die gesetzlichen Krankenkassen vorerst nicht erfolgt. Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband dazu sind erst kürzlich gescheitert. Der Hebammenverband befürchtet einen weiteren starken Rückgang bei der freiberuflichen Geburtshilfe.

Seit diesem Monat sind nur noch 2.348 freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen beim Hebammenverband versichert. 150 Hebammen hätten wegen der Kosten den Beruf aufgegeben. Die Anzahl sinkt bereits weiter, obwohl der DHV steigende Mitgliedszahlen aufweise aufgrund des Angebots der letzten bestehenden Gruppenhaftpflichtversicherung für Hebammen. Auch bei Hebammenleistungen wie der Wochenbettbetreuung fehlen mittlerweile deutschlandweit Hebammen.

„Ein Ende der Prämienspirale ist nicht abzusehen. Wir betrachten mit Sorge, wohin die Geburtshilfe in Deutschland steuert. Wenn überall Hebammen und auch freiberufliche Gynäkologinnen und Gynäkologen fehlen, gibt es keine sichere Geburtshilfe mehr für Frauen und ihre Kinder“, sagt Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes.

Eine zunehmende Technisierung in Kreißsälen kann medizinisches Personal nicht ersetzen. Weiterhin ist die intensive Betreuung einer Hebamme für eine Gebärende der wichtigste Faktor für einen guten Geburtsverlauf. Die Wahlfreiheit des Geburtsortes für Mütter und Eltern ist in vielen Regionen bereits jetzt nicht mehr gegeben. Ein weiterer Rückgang der freiberuflichen Geburtshilfe bedeutet nicht nur, dass weniger Geburten in Geburtshäusern oder zu Hause erfolgen können. Auch in den zahlreichen Kliniken, die mit freiberuflichen Hebammen – sogenannten Beleghebammen – arbeiten, zeigen sich bereits Auswirkungen: In vielen Kreißsälen sind Stellen nicht mehr besetzt. Erste Kreißsäle mussten bereits zeitweise die Geburtshilfe einstellen oder schließen ganz.

Eine schnelle Abhilfe sei nach Ansicht des Hebammenverbandes nicht in Sicht. Zwar wurden Gesetzesvorhaben wie der Sicherstellungszuschlag und ein eingeschränkter Regressverzicht bei Kranken- und Pflegekassen mittlerweile verabschiedet. Deren Ausgestaltung ist jedoch derzeit offen und ihre Wirksamkeit deshalb unklar. Hebammen haben damit nach wie vor keine Sicherheit für die Planung ihrer freiberuflichen Tätigkeit.

„Wir hätten schnell Hilfe benötigt. Die Hinhaltetaktik des GKV-Spitzenverbands in den Verhandlungen ist unerträglich und verweigert Hebammen die Hilfestellungen, die sie dringend brauchen“, warnt Katharina Jeschke, Präsidiumsmitglied und Verhandlungsführerin des DHV.

Aktuell konnte zum regulären Ausgleich der Steigerungen der Haftpflichtprämie keine Einigung mit den Krankenkassen gefunden werden, da der GKV-Spitzenverband nicht gesetzeskonforme Vorschläge durchsetzen möchte. Diese Entscheidung muss jetzt von der Schiedsstelle getroffen werden. Eine Einigung zum Sicherstellungszuschlag mit den gesetzlichen Krankenkassen konnte auch nach monatelangen Verhandlungen nicht erzielt werden.

Der Grund sind Ausschlusskriterien für Hausgeburten, die der GKV-Spitzenverband pauschal einführen möchte. Die bisherige Praxis in Geburtshäusern hat den Willen der Frau und die fachkompetente Entscheidung der Hebamme in die Entscheidung einbezogen, ob eine Hausgeburt bei vorliegenden medizinischen Befunden möglich ist. Dies wurde vereinbart, da eine Gefährdung bei derzeit vorliegenden Ausschlusskriterien bisher nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Da der Spitzenverband diese Praxis verändern möchte, sind die Verhandlungen mittlerweile gescheitert und die Schiedsstelle wurde dazu angerufen. Das bedeutet monatelange Verzögerungen bei den finanziellen Ausgleichzahlungen und der vereinbarten fünfprozentigen Vergütungssteigerung für Hebammen.

finanzwelt-Fazit: Das der Gesetzgeber Pflichtversicherungen vorgibt ist das eine, dass die dann aber ganze Berufsstände in Schwierigkeiten geraten ist das andere. Ähnliches könnte sich auch bei den kleineren Vermittlungsunternehmern und Versicherungsmaklern ergeben, wo die Prämien für die Vermögenschadenshaftpflicht permanent ansteigen. Vermittlungsunternehmer die statt der gesetzlichen Mindestdeckung eine angemessene Versicherungssumme wählen zahlen hohe Prämien. Egal ob Geburtshilfe oder unabhängige Beratung der Bürger, der Gesetzgeber reguliert kleine Selbständige bis zur Berufsaufgabe. Eine Rentenversicherungspflicht für Selbständige wäre zumeist die Existenzvernichtung. Wann gibt es eine Berufshaftpflicht für Politiker gegen Eigenbeitrag?

Dietmar Braun